Rz. 5

Die Funktionen des handelsrechtlichen Jahresabschlusses sind insb. in folgenden Bereichen zu sehen:

  • Gläubigerschutz,
  • Kapitalerhaltung,
  • Ausschüttungsbemessung.

Dagegen dient die internationale Rechnungslegung (IFRS) insb. der Informationsfunktion. Mit der Umsetzung des BilMoG wurde erstmals auch die "Informationsfunktion des handelsrechtlichen Jahres- und Konzernabschlusses" in der Gesetzesbegründung als eigenständiges Ziel definiert.[1] Während also die Informationsfunktion für die Rechnungslegungsregelungen i. A. erstmals mit dem BilMoG besondere Betonung findet, gilt dies für den Bilanzvermerk gem. § 251 HGB schon immer und ist gleichzeitig das einzige Ziel dieser Vorschrift. Die Vermerkpflicht dient zunächst der "Selbstinformation des Kaufmanns" und darüber hinaus allen externen Adressaten des Jahresabschlusses als Zusatzinformation über nicht bilanzierungsfähige zusätzliche Risiken. Da der Bilanzvermerk der Gläubigerschutzfunktion des handelsrechtlichen Jahresabschlusses lediglich indirekt – i. S. v. zusätzlichen Informationen – und den Funktionen Kapitalerhaltung, Ausschüttungsbemessung sowie steuerliche Maßgeblichkeit überhaupt nicht dient, sind auch die hieraus abgeleiteten allgemeinen Grundsätze wie Realisationsprinzip, Vorsichtsprinzip und Stichtagsprinzip nicht bzw. nur in modifizierter Form zu beachten.

 

Rz. 6

Die Unbeachtlichkeit des Realisationsprinzips zeigt sich bspw. darin, dass Haftungsverhältnisse, die in fremder Währung zu erfüllen sind, unabhängig von der Fristigkeit jeweils mit dem Geldkurs am Abschlussstichtag umzurechnen sind, auch wenn dieser Kurs unter dem Kurs zum Zeitpunkt des Entstehens des Haftungsverhältnisses liegt.[2] Soweit in der Kommentierung für diesen Fall lediglich auf die Regelungen für die Umrechnung von Währungsverbindlichkeiten hingewiesen wird,[3] ist dem in dieser allgemeinen Form nicht zuzustimmen, da eine Bindung an das Realisationsprinzip bei Angaben über Haftungsverhältnisse außerhalb der Bilanz mangels Konsequenzen für Entnahmen bzw. Ausschüttungen nicht sinnvoll ist. Die Anwendung des Stichtagskurses führt zu einer zutreffenderen Angabe möglicher künftiger Belastungen als die Verwendung eines historischen Anschaffungskurses.[4]

Das dem Niederstwertprinzip für Aktiva entsprechende Höchstwertprinzip für Rückstellungen gilt in diesem Fall nicht.

 
Praxis-Beispiel

Die X-AG hat die Bürgschaft für eine langfristige Fremdwährungsverbindlichkeit von 1 Mio. GBP ihrer Tochtergesellschaft T übernommen. Zum Bilanzstichtag 01 beträgt der Kurs GBP/EUR 1,30; unter der Bilanz ist ein Betrag von 1,3 Mio. EUR anzugeben. Zum Bilanzstichtag 02 beträgt der Kurs GBP/EUR 1,15; die Angabe gem. § 251 HGB reduziert sich auf 1,15 Mio. EUR.

 

Rz. 7

Das Vorsichtsprinzip findet insoweit Anwendung, als den Bilanzadressaten durch den Bilanzvermerk ein umfassendes und zutreffendes Bild aller möglichen künftigen Vermögensbelastungen, die zum Stichtag nicht zu bilanzieren sind, gegeben wird. Hierbei ist grds. nicht ein erwarteter oder wahrscheinlicher Wert anzugeben, wie dies z. B. für die Bemessung von Rückstellungen grds. geboten ist, sondern es ist stets die maximal mögliche Belastung, der sich der Kfm. nicht mehr entziehen kann, anzugeben. Allerdings ist es in Fällen, in denen eine verlässliche Schätzung nicht möglich ist, zulässig, lediglich einen Merkposten anzugeben und darüber hinaus verbale Erläuterungen zu geben, eine Vorgehensweise, die für Bewertungsentscheidungen in der Bilanz aufgrund des Vorsichtsprinzips nicht zulässig wäre.

 

Rz. 8

Das Stichtagsprinzip ist in einer der Informationsfunktion des Bilanzvermerks entsprechenden Auslegung anzuwenden. Anzugeben sind grds. alle am Bilanzstichtag bestehenden Haftungsverhältnisse, die zu künftigen Vermögensbelastungen führen können. Die Inanspruchnahme muss von Bedingungen abhängen, die der Kfm. am Bilanzstichtag nicht oder jedenfalls nicht mehr wesentlich selbst beeinflussen kann. Soweit die eingegangenen Haftungsverhältnisse die Absicherung von Verpflichtungen eines Dritten betreffen, bedeutet das Stichtagsprinzip jedoch nicht, dass stets nur die zum Bilanzstichtag bestehende gesicherte Hauptverbindlichkeit im Bilanzvermerk anzugeben ist. So sind bspw. auch bei Höchstbetragsbürgschaften, die streng akzessorisch sind, d. h. sich unmittelbar nach der Höhe der Hauptverbindlichkeit richten, stets die möglichen Höchstbeträge der Belastungen anzugeben, nicht dagegen ein am Bilanzstichtag gegebener evtl. niedrigerer Betrag der Hauptschuld.[5]

Eine Vermerkpflicht besteht auch dann, wenn Haftungsverhältnisse für künftige oder bedingte Hauptschulden eingegangen worden sind. Die Entstehung der Haftungsverbindlichkeit hängt in diesem Fall von einer weiteren, zum Bilanzstichtag noch nicht eingetretenen Bedingung (Entstehung der Hauptschuld) ab. Gleichwohl besteht die Vermerkpflicht, da für den Bilanzierenden ein vertraglich konkretisiertes Haftungsrisiko vorliegt, dem er sich bei Eintritt der Voraussetzungen nicht mehr entziehen kann. Dies gilt auch, wenn...

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