Rz. 9

Die Verpflichtung besteht für inländische Zweigniederlassungen (bzw. deren gesetzliche Vertreter). § 325a HGB definiert – wie schon die Zweigniederlassungsrichtlinie – den Begriff der Zweigniederlassung nicht. Folglich ist auf die allgemeine Definition zurückzugreifen. Für die Auslegung ist das deutsche Begriffsverständnis entscheidend, auch wenn dieses vom ausländischen Recht abweichen sollte. Da die Regelung im Zusammenhang mit den §§ 13d13g HGB steht, ist ein einheitliches Begriffsverständnis zu verwenden.

 

Rz. 10

Der Gesetzgeber benutzt diesen Begriff an unterschiedlichen Stellen, so z. B. in den §§ 13, 13d, 13e, 13f HGB, nimmt jedoch keine Definition vor. Auch im Steuerrecht wird in § 12 Satz 1 Nr. 2 AO dieser Ausdruck verwendet, aber nicht definiert.[1] Folglich hat seine Bestimmung durch Auslegung zu erfolgen.

 

Rz. 11

Unter einer Zweigniederlassung wird ein rechtlich unselbstständiger, räumlich getrennter und mit einer gewissen Selbstständigkeit versehener Teil der Ges. verstanden. Die nicht nur vorübergehend betriebenen Geschäfte müssen dem Unternehmenszweck dienen.[2] Hierbei darf es sich nicht ausschließlich um eine völlig unbedeutende Hilfstätigkeit handeln. § 13e Abs. 2 Satz 1 HGB verpflichtet KapG zur Anmeldung einer Zweigniederlassung beim inländischen Handelsregister. Die Anmeldung ist jedoch kein Tatbestandsmerkmal der Zweigniederlassung, sodass durch die Nichtanmeldung § 325a HGB nicht umgangen werden kann. Zweigniederlassungen können wirtschaftlich auch Beteiligungen an anderen Ges. zugeordnet sein.[3]

 

Rz. 12

In der Praxis werden Zweigniederlassungen und Betriebsstätten i. S. v. § 12 AO häufig gleichgesetzt.[4] Dies ist jedoch unzutreffend, weil die Zweigniederlassung nur eine Möglichkeit von vielen zur Begründung einer Betriebsstätte ist. Allerdings ist gem. § 12 Satz 1 Nr. 2 AO jede Zweigniederlassung eine Betriebsstätte, aber nicht jede Betriebsstätte eine Zweigniederlassung. Daher darf insb. nicht die Schlussfolgerung gezogen werden, dass, nur weil keine inländische Zweigniederlassung besteht, keine (beschränkte) Steuerpflicht im Inland vorliegt.

 

Rz. 13

Für die Beurteilung sind die Verhältnisse zum Zeitpunkt der Entstehung der Offenlegungs- bzw. Hinterlegungspflicht entscheidend. Folglich wirken spätere Ereignisse nicht auf diesen Zeitpunkt zurück.

 
Praxis-Beispiel

Eine inländische Zweigniederlassung einer ausländischen KapG (Gj = Kj) wird im März des folgenden Jahrs in eine KapG umgewandelt. Da bis zur Vorlage des ersten Abschlusses der inländischen KapG keine Informationen zur Verfügung stehen, verlangt der Zweck des § 325a HGB, dass gleichwohl eine Offenlegung der Unterlagen der ausländischen Hauptniederlassung im Inland zu erfolgen hat.

 

Rz. 14

Für Geschäftsjahre, die bis zum 31.12.23 beginnen, stellt die Regelung nur auf KapG mit Hauptniederlassung in einem EU- oder EWR-Staat ab. Für Geschäftsjahre die nach dem 31.12.2023 beginnen, entfällt diese räumliche Beschränkung, da § 325a Abs. 1 Satz 1 HGB n. F. weiter gefasst wurde und nun auf inländische Zweigniederlassungen von KapG mit Sitz in einem anderen Staat abstellt.[5] Infolge von § 264a HGB gilt diese Vorschrift auch für KapCoGes.[6]

Ob eine ausländische Ges. unter diese Regelung fällt, richtet sich danach, ob ihre Rechtsform einer deutschen KapG oder KapCoGes vergleichbar ist.[7] Bei Ges. innerhalb der EU sind dies die in Art. 1 der 4. EG-RL[8] genannten Ges. Bei Ges. in den EWR-Staaten ist hierfür auf die Organisations- und Haftungsstruktur abzustellen.[9] Um eine der KapCoGes vergleichbare ausländische Ges. handelt es sich, wenn deren Rechtscharakter der deutschen Rechtsform entspricht. Die Beschränkung auf diesen Kreis wird damit gerechtfertigt, dass Unt, die einer Haftungsbeschränkung unterliegen, hierfür einen Ausgleich in Form der Offenlegung von Rechnungslegungsunterlagen schaffen sollen.[10] Dies ist auch der Grund, warum es im PublG keine vergleichbare Regelung gibt und auch kein Verweis auf § 325a HGB erfolgt. Die Vorschrift findet auf Genossenschaften keine Anwendung, weil die §§ 336339 HGB keine entsprechende Regelung und keinen Verweis enthalten.

Für die Verpflichtung nach § 325a HGB ist es unerheblich, in welche Größenklasse die Zweigniederlassung und/oder die Ges. fällt.[11] Etwas anderes gilt lediglich dann, wenn hieran Befreiungs- oder Erleichterungsregelungen anknüpfen. Vgl. zu den Sonderregelungen für KleinstKapG Rz 57 ff.

 

Rz. 15

Die Hauptniederlassung ist der (einzige) räumliche Mittelpunkt des Unt, von dem aus die Geschäfte dauerhaft geleitet werden.[12] Dies ist bei Handelsgesellschaften der Sitz, der bei juristischen Personen durch Satzung bzw. Vertrag bestimmt wird.

 

Rz. 16

Fraglich ist, was als Sitz i. S. d. Norm zu verstehen ist. Dieser kann entweder nach der Sitz- oder nach der Gründungstheorie determiniert werden.[13] Die Sitztheorie bestimmt als Gesellschaftsstatut das Recht des Staates, in dem die Ges. ihren tatsächlichen Verwaltungssitz hat, während die Gründungstheorie auf das Recht des Staates abste...

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