Rz. 3

In Abgrenzung zur Herstellung eines VG handelt es sich bei der Anschaffung eines VG um den Zugang eines bereits existierenden VG von einem Dritten (Aspekt des Fremdbezugs). Der Anschaffungsvorgang beinhaltet den Erwerb eines VG sowie dessen erstmalige Versetzung in einen betriebsbereiten Zustand.

 

Rz. 4

Unter dem Erwerb eines VG ist dessen Überführung aus einer fremden Verfügungsgewalt in die eigene Verfügungsgewalt zu verstehen.[1] Dem Erwerbsweck können nur solche Aufwendungen zugeordnet werden, die diesem im Zeitpunkt ihres Anfalls objektiv dienen.[2] Das Erlangen der eigenen Verfügungsgewalt findet im Zeitpunkt des Übergangs des wirtschaftlichen Eigentums an einem VG statt. Die wirtschaftliche Betrachtungsweise ist heranzuziehen, um einem Hauptzweck der Bilanz – der Darstellung eines zutreffenden Bilds der Vermögenslage – gerecht zu werden.[3]

 

Rz. 5

Die Zuordnung von VG zum Vermögen eines Bilanzierenden richtet sich demzufolge nicht nach dem zivilrechtlichen Eigentum, sondern nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten. Eine eigenständige handelsrechtliche Begriffsbestimmung des wirtschaftlichen Eigentums existiert nicht. Es erfolgt eine Orientierung an der in der Abgabenordnung (§ 39 Abs. 2 Nr. 1 AO) enthaltenen Definition. Wirtschaftlicher Eigentümer eines VG ist demnach, wer über diesen die tatsächliche Sachherrschaft in einer Weise ausübt, die es ihm ermöglicht, den rechtlichen Eigentümer wirtschaftlich auf Dauer von der Einwirkung auf den VG auszuschließen.[4] Dem Herausgabeanspruch des rechtlichen Eigentümers darf hierbei keine nennenswerte wirtschaftliche Bedeutung zukommen. Die tatsächliche Sachherrschaft übt derjenige über einen VG aus, dem – bezogen auf die wirtschaftliche Nutzungsdauer – Eigenbesitz, Gefahr, Nutzen und Lasten zustehen.[5]

Wirtschaftliches Eigentum kann im Einzelfall auch vorliegen, wenn einzelne Indizien fehlen. Entscheidend ist das Gesamtbild der Verhältnisse.

 
Praxis-Beispiel

Die im Elektroeinzelhandel tätige B-KG bestellt am 1.12.01 bei dem Großhändler G-GmbH Schaltschränke im Gesamtwert von 50 TEUR. Die G-GmbH liefert die Schaltschränke am 15.12.01 an die B-KG mit einem firmeneigenen Lkw aus. In den Lieferbedingungen behält sich die G-GmbH bis zur vollständigen Bezahlung der Waren das Eigentum an den gelieferten Schaltschränken vor. Außerdem wurde vereinbart, dass der Gefahrenübergang der Waren mit dem Zeitpunkt der Anlieferung beim Kunden erfolgen soll. Die Schaltschränke werden bei der B-KG auf Lager gelegt.

Beurteilung

Aufgrund des Eigentumsvorbehalts bleibt die G-GmbH bis zum Zeitpunkt der vollständigen Bezahlung der Waren rechtlicher Eigentümer der an die B-KG gelieferten Schaltschränke. Im Zeitpunkt der Anlieferung gingen allerdings der Besitz, die Gefahr des zufälligen Untergangs (Diebstahl, Schwund) sowie der Nutzen und die Lasten (möglicher Gewinn/Verlust aus dem Verkauf) der Schaltschränke auf die B-KG über. Die B-KG ist damit im Zeitpunkt der Anlieferung wirtschaftlicher Eigentümer der Schaltschränke geworden. Die VG sind deshalb dem bilanziellen Vermögen der B-KG zuzurechnen. Die B-KG hat die Schaltschränke zum 31.12.01 zu bilanzieren, um in ihrer Bilanz ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild der Vermögenslage zu zeigen.

 

Rz. 6

Der Erwerbsvorgang ist grds. auf einen bestimmten Zeitpunkt bezogen. AK können jedoch bereits vor dem eigentlichen Erwerb und dem Übergang des (wirtschaftlichen) Eigentums anfallen. Bspw. sind die bei einem Grundstückskauf getätigten Aufwendungen wie Maklergebühren und Notarkosten bereits AK.[6] Diese Aufwendungen sind als Anschaffungsnebenkosten zu aktivieren; ihre Verrechnung als Aufwand der Periode ist aufgrund der bestehenden Aktivierungspflicht nicht zulässig (zu den Anschaffungsnebenkosten vgl. Rz 58 ff.). Der Erwerb eines VG beginnt also bereits dann, wenn die ersten Aufwendungen anfallen, die vom Erwerber zur Erlangung des (wirtschaftlichen) Eigentums an einem VG in Kauf genommen werden müssen.

 

Rz. 7

Auch nach dem Anschaffungszeitpunkt können noch AK anfallen. In erster Linie handelt es sich dabei um nachträgliche AK sowie um Aufwendungen, die erforderlich sind, um einen VG in einen betriebsbereiten Zustand zu versetzen. Der Anschaffungsvorgang eines VG kann sich folglich über einen längeren Zeitraum erstrecken. Sämtliche in diesem Zeitraum anfallenden Aufwendungen, die mit dem Ziel in Kauf genommen werden, das (wirtschaftliche) Eigentum (final) an einem VG zu erlangen, stellen AK dar.[7]

[3] Vgl. dazu Moxter, Grundsätze ordnungsgemäßer Rechnungslegung, 2003, S. 63 ff.; Moxter, StuW 1989, S. 232 ff.
[4] Vgl. Bieg u. a., Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz – Bilanzierung, Berichterstattung und Prüfung nach dem BilMoG, 2009, S. 37 ff.
[5] Vgl. BFH, Urteil v. 8.3.1977, VIII R 180/74, BStBl 1977 II S. 629; BFH, Urteil v. 22.8.1966, GrS 2166, BStBl 1966...

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