Rz. 6

§ 323 HGB enthält spezielle zivilrechtliche Regelungen, die tw. "Sondervertragsrecht" für den Prüfungsvertrag zwischen Abschlussprüfer und geprüfter Ges. darstellen.[1] Der Pflichtenrahmen des Abschlussprüfers bestimmt sich dem Grund nach bereits aus den zivilrechtlichen Vorschriften (§§ 675 Abs. 1, 631, 633, 242 BGB); gleiches gilt für die Haftung (§ 280 Abs. 1 BGB). Beides wird von § 323 HGB aufgegriffen und modifiziert. Der Pflichtenrahmen gilt nicht nur für den Abschlussprüfer, sondern auch für seine Gehilfen sowie im Fall einer WPG/BPG auch deren gesetzliche Vertreter persönlich. Die Haftung des Abschlussprüfers ist der Höhe nach durch § 323 Abs. 2 HGB begrenzt (Rz 93); andererseits gibt es aber auch Haftungsberechtigte, die gar nicht Vertragspartner des Prüfungsvertrags sind, nämlich verbundene Unt der geprüften Ges.

 

Rz. 7

Die Vorschrift des § 323 HGB ist zum Schutz der geprüften Gesellschaft erlassen worden. Deutlich wird dies an der Verschwiegenheitspflicht sowie an dem Verbot der Verwertung von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen. Die Tatsache, dass der Abschlussprüfer i. R. seiner Prüfung tiefe Einblicke in Unternehmensinterna erhält, ist nur tolerierbar, wenn der Abschlussprüfer im Gegenzug zur umfassenden Verschwiegenheit verpflichtet wird.[2]

 
Praxis-Beispiel

Der Abschlussprüfer prüft den Jahresabschluss eines Unt. Dem Geschäftsführer des Unt ist bekannt, dass der Abschlussprüfer außerdem auch den Jahresabschluss eines wichtigen Kunden des Unt prüft.

Aufgrund der Verschwiegenheitspflicht des § 323 Abs. 1 HGB kann der Geschäftsführer des Unt dem Abschlussprüfer Einblicke in die Kalkulationsgrundlagen der diesen Kunden betreffenden Aufträge gewähren, ohne dass er befürchten muss, dass Deckungsbeiträge, Margen etc. dem Kunden ggf. bekannt werden können.

 

Rz. 8

§ 323 HGB übt weiterhin einen institutionellen Schutzcharakter aus, indem durch die vertragliche Haftung eine präventive Wirkung zur Einhaltung der erforderlichen Prüfungsqualität und damit auch Sicherstellung der Qualität der Rechnungslegung der geprüften Ges. geschaffen wird.[3]

 

Rz. 9

Das Haftungsrecht der Abschlussprüfer war europaweit auf dem Prüfstand. Die EU-Kommission hatte im Januar 2007 einen öffentlichen Konsultationsprozess zu europaweiten Überlegungen zur Reform der Haftungsbestimmungen für Abschlussprüfer eingeleitet. Die Ergebnisse der Konsultation wurden am 18.6.2007 veröffentlicht.[4] Als Konsequenz der daran anschließenden Diskussion veröffentlichte die EU-Kommission am 5.6.2008 eine Empfehlung zur Beschränkung der zivilrechtlichen Haftung von Abschlussprüfern und Prüfungsgesellschaften.[5] Danach sollten Haftungsgrenzen für Abschlussprüfer europaweit durchgesetzt werden, wie das in Deutschland mit § 323 HGB bereits der Fall ist.

Die in den Vorauflagen bereits angedeutete mögliche Verschärfung der Haftungssituation für deutsche Abschlussprüfer ist durch das nunmehr als Folge des Wirecard-Skandals umgesetzte FISG[6] zum 1.7.2021 vollzogen und eine deutliche Verschärfung der Haftungssituation eingetreten (Rz 93 ff.). Der deutsche Gesetzgeber hat hier einen Alleingang vorgenommen, da an der Abschlussprüferrichtlinie[7] keine Verschärfungen vorgenommen wurden und nach derzeitigem Stand auch nicht in nächster Zeit zu erwarten sind.

[1] Vgl. Hennrichs, in Baetge/Kirsch/Thiele, Bilanzrecht, § 323 HGB Rz 3, Stand: 12/2014.
[2] Vgl. IDW, WPH Edition, Wirtschaftsprüfung & Rechnungslegung, 18. Aufl. 2023, Kap. A Tz 177.
[3] Vgl. Hennrichs, in Baetge/Kirsch/Thiele, Bilanzrecht, § 323 HGB Rz 5, Stand: 12/2014.
[4] Vgl. Konsultationsbericht über die Haftungsregelungen für Abschlussprüfer und ihre Auswirkungen auf die europäischen Kapitalmärkte, abrufbar unter https://ec.europa.eu/info/business-economy-euro/company-reporting-and-auditing/auditing-companies-financial-statements_en, Abruf 7.8.2023.
[5] Vgl. RL 2008/473/EG, ABl. EU v. 21.6.2008 L 162/39.
[6] BGBl 2021 I S. 1534
[7] RL 2014/56/EU, ABl. EU L 158/196 v. 27.5.2014.

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