Leitsatz

1. Der Wert eines Umsatzes, der beim Tausch als Entgelt für den anderen Umsatz gilt, ist der Wert, den der Empfänger der Leistung beimisst, die er beziehen will, und entspricht dem Betrag, den er zu diesem Zweck aufzuwenden bereit ist. Er umfasst alle Ausgaben einschließlich der Nebenleistungen, die der Empfänger der jeweiligen Leistung aufwendet, um die fragliche Leistung zu erhalten.

2. Bei der Vereinfachungsregelung des Abschn. 10.5 Abs. 4 UStAE handelt es sich um eine einheitliche Schätzung, die der Unternehmer nur insgesamt oder gar nicht in Anspruch nehmen kann.

 

Normenkette

§ 3 Abs. 12 Satz 1, § 10 Abs. 2 Satz 2 UStG

 

Sachverhalt

Die O-GmbH, Organgesellschaft der Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), führte im Rahmen ihres Kfz-Handelsgewerbes u.a. sog. "Streckenge­schäfte" durch: Sie veräußerte jeweils ein neues Kfz (Neufahrzeug) und nahm dafür – neben einer Geldleistung (sog. Baraufgabe) – u.a. ein gebrauchtes Kfz (Altfahrzeug) des Käufers in Zahlung. Das Altfahrzeug veräußerte sie später jeweils weiter und nahm dafür z.T. erneut ein gebrauchtes Kfz in Zahlung (Folgegeschäft).

Die Klägerin versteuerte die Umsätze zunächst gemäß der Vereinfachungsregelung in Abschn. 10.5 Abs. 4 UStAE.

Im April 2013 schrieb die O-GmbH neun Kunden, die im Juni 2010 Neufahrzeuge erworben hatten, an und teilte ihnen mit, dass die in Zahlung genommenen Altfahrzeuge bei der Weiterveräußerung den in der Rechnung über die Lieferung des Neufahrzeugs ausgewiesenen Preis für die Inzahlungnahme nicht erreicht hätten. Es habe sich eine ­Entgeltminderung mit einer Reduzierung der Umsatzsteuer in näher bezifferter Höhe ergeben. Auf die Zahlungsvereinbarung habe der Vorgang keinen Einfluss.

In ihrer Umsatzsteuer-Jahreserklärung für das Jahr 2013 (Streitjahr) vom 9.10.2014 minderte die Klägerin – entgegen Abschn. 10.5 Abs. 4 Satz 8 UStAE – die Bemessungsgrundlage der Lieferungen der Neufahrzeuge auch um alle Verluste der Folgegeschäfte. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das FA) vertrat dagegen im Umsatzsteuerbescheid für das Streitjahr die Auffassung, die Bemessungsgrundlage der Lieferung des Neufahrzeugs mindere sich nur um den gemeinen Wert des bei der Lieferung in Zahlung genommenen Altfahrzeugs. Er könne nicht um den Verlust aus Gebrauchtwagenverkäufen der Folgegeschäfte gemindert werden, wie sich aus Abschn. 10.5 Abs. 4 Satz 8 UStAE ergebe. Der Einspruch blieb erfolglos.

Das FG (Niedersächsische FG, Urteil vom 26.5.2016, 11 K 10290/15, Haufe-Index 10128367) wies die Klage ab. Es führte aus, entgegen der Auffassung der Beteiligten sei nicht auf den gemeinen Wert des in Zahlung genommenen Gebrauchtfahrzeugs abzustellen, sondern auf den subjektiven Wert, den die Klägerin den empfangenen Gegenleistungen (Altfahrzeugen) beigemessen habe. Dieser sei zu schätzen. Der in Abschn. 10.5 Abs. 4 Sätze 2 und 3 UStAE niedergelegten Auffassung folge das FG nicht.

 

Entscheidung

Der BFH wies die Revision als unbegründet zurück. Er bestätigte das Vorliegen einer Organschaft und entschied, dass die Besteuerung von Tauschumsätzen unionsrechtskonform ist. Bezüglich der Wertermittlung bestätigte er die Auffassung des FG.

 

Hinweis

1. Der Umsatz wird bei Lieferungen und sonstigen Leistungen grundsätzlich nach dem Entgelt bemessen (§ 10 Abs. 1 Satz 1 UStG). Beim Tausch (§ 3 Abs. 12 Satz 1 UStG), bei tauschähnlichen Umsätzen (§ 3 Abs. 12 Satz 2 UStG) und bei Hingabe an Zahlungs statt gilt allerdings der Wert jedes Umsatzes als Entgelt für den anderen Umsatz (§ 10 Abs. 2 Satz 2 UStG).

2. Das bedeutet, dass ein subjektiver Wert an­zusetzen ist, und zwar derjenige, den der Empfänger der Leistung beimisst, die er sich verschaffen will und der dem Betrag entspricht, den er zu diesem Zweck aufzuwenden bereit ist (EuGH, ­Urteil vom 2.6.1994, C‐33/93, Empire Stores,BB 1994, 1621, Rz. 19; Urteil vom 24.10.1996, C‐288/94, Argos Distributors, HFR 1997, 113, Rz. 16; Urteil vom 29.7.2010, C‐40/09, Astra Zeneca UK, EU:C:2010:450, DStR 2010, 1623, Rz. 28; Urteil vom 19.12.2012. C-549/11, Orfey Balgaria, UR 2013, 215, Rz. 45; BFH, Urteil vom 1.8.2002, V R 21/01, BFH/NV 2003, 126, BStBl II 2003, 438, m.w.N.). Er umfasst alle Ausgaben einschließlich der Nebenleistungen, die der Empfänger der jeweiligen Leistung aufwendet, um die fragliche Leistung zu erhalten (vgl. z.B. EuGH, Urteil vom 3.7.2001, C‐380/99, Bertelsmann, UR 2001, 346).

3. Diesen Wert zu ermitteln kann schwierig sein (z.B. bei umsatzabhängigen, ggf. nachträglichen Rabatten) und würde im Fall der Inzahlungnahme eines Gebrauchtfahrzeugs beim Verkauf eines Neufahrzeugs den Verkäufer des Neufahrzeugs zwingen, dem Käufer des Neufahrzeugs seinen Einkaufspreis des Neufahrzeugs (und damit seine Gewinnspanne) zu offenbaren.

4. Das BMF hat in Abschn. 10.5 Abs. 4 UStAE für das Kfz-Gewerbe eine Vereinfachungsregelung geschaffen, die eine Wertermittlung anhand objektiver Werte vorsieht. Diese ist deshalb zwar an sich ungeeignet; gleichwohl wird es von der Rechtsprechung nicht beanstandet, wenn der Unternehmer nach seiner Wahl...

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