Sachverhalt

Der EuGH hat der Klage der EU-Kommission in vollem Umfang stattgegeben und Deutschland wegen eines Verstoßes gegen Artikel 11 der 6. EG-Richtlinie verurteilt, weil Deutschland für den Fall der Ausgabe von Preisnachlassgutscheinen durch einen Hersteller, dessen Nennwert unter Umgehung anderer Unternehmer in der Lieferkette unmittelbar dem Einzelhändler erstattet wird, keine Minderung der Bemessungsgrundlage der Lieferung des Herstellers an seinen Abnehmer vorsehe.

 

Entscheidung

Der EuGH hatte über folgenden Modellfall zu entscheiden:

Hersteller (H) liefert Ware an Großhändler (G) im Wert von 100 + 10 USt. G liefert die Ware an Einzelhändler (E) weiter für 200 + 20 USt. E seinerseits liefert die Ware zum Preis von 400 + 40 USt an den Endverbraucher (V). Zur Förderung des Absatzes seiner Waren gibt H einen Preisnachlassgutschein aus, den V beim Kauf der Ware anstelle von Bargeld hingeben kann. Der Nennwert des Gutscheines betrage 10, darin enthaltene Umsatzsteuer 1. E soll nach der Gestaltung den vollen Kaufpreis der Ware vereinnahmen und erhält demzufolge von H eine Erstattung in Höhe des Nennwerts des Gutscheins (10). Der EuGH ist in seinem Urteil nur auf diese Preisnachlassgutscheine eingegangen. Die Entscheidung dürfte sich aber auch auf die sog. Preiserstattungsgutscheine beziehen. In diesem Fall entrichtet V zunächst den vollen Kaufpreis und H erstattet V nachträglich den Nennwert des Gutscheins.

Ausgehend von diesem Grundfall lassen sich die Grundsätze des EuGH-Urteils wie folgt zusammenfassen:

  • H kann ungeachtet dessen, dass die von ihm vorgenommene Erstattung des Nennwerts des Gutscheins nicht das Umsatzverhältnis H - G berührt, die Bemessungsgrundlage seiner Lieferung an G um den Nettowert des Warengutscheins vermindern. Diese Reduzierung löst keine entsprechende Berichtigung des Vorsteuerabzugs auf Seiten des G aus.
  • Die These, dass in dem Umsatzverhältnis H - G nicht eine Kongruenz zwischen Ausgangssteuer des H und Vorsteuer des G bestehen muss, begründet der EuGH damit, dass die Bemessungsgrundlage für die dem Fiskus aus der Gesamtzahl der Liefergeschäfte zufließende Umsatzsteuer nicht höher sein könne als die Gegenleistung, die V tatsächlich erbracht hat.
  • H kann die Bemessungsgrundlage seiner Lieferung an G reduzieren, ohne dass er G eine berichtigte Rechnung zu erteilen hätte. H schuldet in einem solchen Fall die in dem Gutscheinbetrag enthaltene Umsatzsteuer auch nicht nach Artikel 21 Abs. 1 Buchst. d der 6. EG-Richtlinie. Diese Regelung solle nur eine Gefährdung des Steueraufkommens durch unrichtige oder Pro-forma-Rechnungen verhindern. Da die von H an E gezahlte Erstattung die anderen Lieferumsätze in der Kette nicht berühre, könne die von H an G ausgestellte Rechnung weder als unrichtig noch als fiktiv betrachtet werden.
  • Die von H an E geleistete Erstattung ist nicht Entgelt von dritter Seite, gehört aber wirtschaftlich dennoch zur Bemessungsgrundlage der Lieferung von E an V.
  • Steuerausfälle sollen sich durch diesen Mechanismus nicht ergeben. Von daher darf H nach dem Urteil die Bemessungsgrundlage seiner Lieferung an G nicht mindern, wenn die Ware durch E entweder im Rahmen einer innergemeinschaftlichen Lieferung oder im Rahmen einer Ausfuhrlieferung steuerfrei (mit Vorsteuerabzug) an V geliefert wird.
  • Ist V ein Unternehmer, der die Ware für seinen unternehmerischen (End-)Verbrauch erwirbt, soll V einen Vorsteuerabzug nur in Höhe der Steuer geltend machen können, die in dem von ihm gezahlten Barbetrag enthalten ist.
  • Einen Verstoß gegen die Neutralität des Mehrwertsteuersystems dahingehend, dass andere Verkaufsfördermaßnahmen, wie etwa die Einschaltung eines Werbeunternehmens oder die Abgabe von Geschenken gegenüber der Möglichkeit, durch die Ausgabe von Preisnachlassgutscheinen die Bemessungsgrundlage mindern zu können, benachteiligt sein könnten, sieht der EuGH nicht.

Das Urteil ist an mehreren Stellen widersprüchlich. Von daher erhebt sich die Frage, ob und wie es überhaupt in deutsches Recht umgesetzt werden kann, damit die Hersteller in den Genuss der Entscheidung kommen. Zunächst steht die These des EuGH, dass die Summe der Ausgangssteuern der Lieferanten in der Kette der Steuer entsprechen muss, die in dem von V aufgebrachten Barbetrag enthalten ist, im Widerspruch zu seiner Entscheidung, dass die Bemessungsgrundlage der Lieferung des E höher ist als die Nettogegenleistung des V. Sie soll sich nämlich aus der Nettozahlung des V und aus dem Nettoerstattungsbetrag durch H ergeben. Wenn der Nettobetrag des Gutscheins zur Bemessungsgrundlage der Lieferung des E gehören soll, muss dieser Betrag ebenfalls von einem "Verbraucher" aufgewendet worden sein. Denn Artikel 11 Teil A Abs. 1 Buchst. a der 6. EG-Richtlinie definiert als Besteuerungsgrundlage bzw. Wert der Gegenleistung alles, was ein Abnehmer, Dienstleistungsempfänger oder ein Dritter aufbringt. Da es H ist, der mit seiner Erstattung gegenüber E dessen Besteuerungsgrundlage komplettiert und V insoweit wirtschaftlich entlastet, ka...

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