Leitsatz

Das BMF wird aufgefordert, dem Revisionsverfahren beizutreten und zu der Frage Stellung zu nehmen, ob die Verbindlichkeit aus einem geltend gemachten Pflichtteil nur anteilig als Nachlassverbindlichkeit abgezogen werden kann, wenn zum Nachlass ein nach § 13a ErbStG begünstigter Anteil an einer Kapitalgesellschaft gehört.

 

Normenkette

§ 10 Abs. 6 a.F., § 13a a.F. ErbStG

 

Sachverhalt

Die Klägerin ist neben B zur Hälfte Miterbin ihres im November 2001 verstorbenen Vaters (V), nachdem die Ehefrau (E) des V die Erbschaft ausgeschlagen hatte. Zum Nachlass gehörten u.a. Beteiligungen des V an einer GmbH und an einer KG. Zur Erfüllung des Anspruchs der E auf Zugewinnausgleich übertrugen die Klägerin und B Anteile an der GmbH sowie am Vermögen der KG auf E.

Das FA berücksichtigte bei der Erbschaftsteuerfestsetzung gegen die Klägerin den auf diese entfallenden Anteil am Zugewinnausgleichsanspruch der E in voller Höhe als Nachlassverbindlichkeit. Den von E geltend gemachten Pflichtteilsanspruch zog das FA gemäß § 10 Abs. 6 Satz 5 ErbStG nur zum Teil als Nachlassverbindlichkeit ab. Der auf den nach § 13a ErbStG begünstigten Erwerb der Beteiligung an der GmbH entfallende Anteil wurde als nicht abziehbare Nachlassverbindlichkeit berücksichtigt, wobei das FA der Berechnung des nicht abgezogenen Teilbetrags das Verhältnis der jeweiligen Verkehrswerte zugrunde legte. Das FG wies die Klage ab (Hessisches FG, Urteil vom 19.11.2013, 1 K 3364/10, Haufe-Index 7030773).

 

Entscheidung

Die BFH hat das BMF zum Beitritt aufgefordert, so dieses noch entscheidungserhebliche Gesichtspunkte geltend machen kann.

 

Hinweis

Die an das BMF ergangene Beitrittsaufforderung betrifft die Anwendung des Abzugsverbots nach § 10 Abs. 6 ErbStG (insbesondere das Merkmal des vorausgesetzten wirtschaftlichen Zusammenhangs der Schulden mit dem nicht der Besteuerung unterliegenden Erwerb) im Fall einer abziehbaren Pflichtteilslast. Der Streitfall betrifft zwar die im Jahr 2002 geltende Fassung dieser Vorschrift; die Problematik stellt sich aber auch für die aktuelle Rechtslage.

1. Durch § 10 Abs. 6 ErbStG wird die Abzugsfähigkeit von Schulden und Lasten unter näheren Voraussetzungen beschränkt. Soweit Vermögensposten bei der Ermittlung des Erwerbs unberücksichtigt bleiben, sollen auch die mit ihnen zusammenhängenden Schulden und Lasten nicht erwerbsmindernd berücksichtigt werden. Damit ist die Regelung Ausdruck des auch für das ErbStG geltenden Nettoprinzips.

2. Nach ihrem Wortlaut betreffen die Regelungen des § 10 Abs. 6 ErbStG nur Schulden und Lasten, die aufgrund ihres wirtschaftlichen Zusammenhangs den nicht oder nur teilweise der Besteuerung nach dem ErbStG unterliegenden Vermögensgegenständen (z.B. nach § 13a ErbStG befreites Vermögen) zugeordnet werden können.

Ist eine konkrete Zuordnung von Schulden oder Lasten zu bestimmten Vermögensgegenständen bzw. zu einem bestimmten Vermögen nicht möglich, so ergibt sich aus § 10 Abs. 6 ErbStG keine Abzugsbeschränkung. Auch die Finanzverwaltung geht hiervon aus und verneint – von der Pflichtteilslast abgesehen – bei "allgemeinen Nachlassverbindlichkeiten" (dazu zählen z.B. die Erbfallkosten oder eine vom Erblasser begründete Verbindlichkeit aus einem Konsumentenkredit) einen wirtschaftlichen Zusammenhang.

Für Pflichtteilsansprüche bejaht die Finanzverwaltung (R 31 Abs. 2 Satz 1 ErbStR 2003; R E 10.10 Abs. 2 Satz 1 ErbStR 2011) hingegen einen wirtschaftlichen Zusammenhang mit den einzelnen Vermögensgegenständen unabhängig davon, inwieweit dieser steuerbar oder steuerbefreit sind. Damit soll die Pflichtteilslast von der Abzugsbeschränkung nach § 10 Abs. 6 ErbStG erfasst sein. Zur Begründung beruft sich die Finanzverwaltung auf das BFH-Urteil vom 21.7.1972, III R 44/70 (BStBl II 1973, 3).

3. In seiner Beitrittsaufforderung äußert der BFH nunmehr unter Hinweis auf Art. 3 Abs. 1 GG Bedenken gegen eine Anwendung des § 10 Abs. 6 ErbStG bei Pflichtteilsschulden. Denn im Ergebnis wird ein Erbe bei teilweiser Steuerpflicht und teilweiser Steuerfreiheit eines Erwerbs von Todes wegen durch die Pflichtteilsschuld mit einer höheren Erbschaftsteuer belastet als wenn er einen der Pflichtteilsschuld entsprechenden Betrag z.B. als Vermächtnis oder als allgemeine Nachlassverbindlichkeit (z.B. vom Erblasser aufgenommenes Konsumentendarlehen) zahlen müsste.

4. Ob im Zusammenhang mit § 10 Abs. 6 ErbStG eine der Pflichtteilslast entsprechende Problematik auch dann besteht, wenn es um den Abzug des vom Erben an den überlebenden Ehegatten oder eingetragenen Lebenspartner zu erfüllenden güterrechtlichen Zugewinnausgleichs als Nachlassverbindlichkeit geht, erscheint derzeit offen. Neuerdings bejaht die Finanzverwaltung (FinMin Baden-Württemberg vom 14. 1.2015, 3‐S381.0/46) die Anwendung des § 10 Abs. 6 ErbStG, wenn zum Erwerb des Erben ganz oder teilweise steuerbefreite Vermögensgegenstände gehören. In dem die Beitrittsaufforderung betreffenden Verfahren hatte das FA hingegen von einer anteiligen Schuldenkürzung abgesehen.

5. In entsprechenden...

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