Leitsatz

1. Eine Personengesellschaft, über deren Vermögen das Konkursverfahren (Insolvenzverfahren) eröffnet worden ist, muss mangels rechtlicher oder faktischer Vollbeendigung zum Klageverfahren des Mitunternehmers (hier: Kommanditisten) betreffend die Höhe seines Aufgabegewinnanteils beigeladen werden, wenn das Konkursverfahren (Insolvenzverfahren) deshalb noch nicht abgeschlossen ist, weil der Konkursverwalter (Insolvenzverwalter) noch ausstehende Einlagen der Gesellschafter oder für die Gläubigerbefriedigung nach § 171 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 HGB (a.F./n.F.) benötigte Beträge einfordert.

2. Zur Auflösung des negativen Kapitalkontos eines Kommanditisten bei Aufgabe des Betriebs durch die KG.

 

Normenkette

§ 16, § 15a, § 4 Abs. 5 EStG, § 164, § 172 AO, § 44, § 48, § 60 Abs. 3 FGO

 

Sachverhalt

Das FA erließ gegenüber einer KG nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens im Februar 1998 einen Gewinnfeststellungsbescheid für das Jahr 1998, in dem neben dem laufenden Verlust ein tarifbegünstigter Gewinn aus der Aufgabe des Betriebs festgestellt wurde. In den Aufgabegewinn war auch der Gewinn aus der Auflösung des negativen Kapitalkontos einer Kommanditistin einbezogen worden. Die Kommanditistin legte erfolglos Einspruch ein und beantragte innerhalb der Klagefrist, den Gewinnfeststellungsbescheid gem. § 164 Abs. 2 AO zu ändern. Das FA lehnte den Antrag ab und hob im daran anschließenden Einspruchsverfahren den Vorbehalt der Nachprüfung auf.

Daraufhin erhob die Kommanditistin Klage, der das FG mit der Begründung stattgab, ein Gewinn aus der Auflösung des negativen Kapitalkontos wirke sich nicht aus. Nur der auf ausgleichs- und abzugsfähige Verluste entfallende Teil des Kapitalkontos, nicht aber der durch Entnahmen entstandene Teil sei aufzulösen. Der Auflösungsbetrag werde durch festgestellte verrechenbare Verluste kompensiert (FG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 23.02.2007, 4 K 2345/02, Haufe-Index 1729088, EFG 2007, 1018).

 

Entscheidung

Der BFH hob das FG-Urteil auf und verwies das Verfahren zurück. Das FG sei zu Unrecht von einer Verpflichtungsklage ausgegangen, obwohl wegen der Aufhebung des Nachprüfungsvorbehalts im Einspruchsverfahren unmittelbar Anfechtungsklage habe erhoben werden können. Die getroffenen Feststellungen reichten nicht zur Prüfung der Frage aus, ob die KG habe beigeladen werden müssen. Es komme in Betracht, dass sie wegen noch nicht abgewickelter Rückforderungen des Konkursverwalters gegen die Kommanditistin noch nicht vollbeendet sei. Die Komplementär-GmbH müsse nicht beigeladen werden, wenn sie vom Ausgang des Verfahrens deshalb nicht betroffen werde, weil ihr der Verlust aus der Auflösung des negativen Kapitalkontos der Kommanditistin nicht zugerechnet worden sei.

Im zweiten Rechtsgang sei davon auszugehen, dass die Auflösung der negativen Kapitalkonten Bestandteil des Gewinns aus der entweder bestandskräftig festgestellten, zumindest aber unzweifelhaften Aufgabe des Betriebs der KG sei. Die Kontenstände ergäben sich aus den bestandskräftigen Feststellungen. In den Auflösungsgewinn sei auch der auf überhöhten Entnahmen beruhende Teil des Kapitalkontos einzubeziehen. Gleiches gelte für den auf nicht abzugsfähigen Betriebsausgaben beruhenden Teil des negativen Kapitalkontos. Zu kürzen sei der Aufgabegewinn um eine Rückstellung für eine drohende Rückzahlungsverpflichtung der Kommanditistin. Soweit die Kommanditistin einen Billigkeitserlass begehre, sei dieser in einem eigenständigen Verfahren geltend zu machen.

 

Hinweis

1. Das Urteil behandelt eine Fülle von Rechtsfragen, auf die in der Darstellung der Entscheidung kurz hingewiesen wird. Wichtig waren dem BFH vor allem die in den beiden Leitsätzen angesprochenen Fragen, nämlich die Beiladung einer in Insolvenz gefallenen Personengesellschaft (hierzu nachstehend unter 2.) und die Auflösung negativer Kapitalkonten bei Betriebsaufgabe (nachstehend unter 3.).

2. Grundsätzlich ist die Klage gegen einen Gewinnfeststellungsbescheid nach § 48 Abs. 1 Nr. 1 FGO von der Personengesellschaft zu erheben, obwohl sie nicht selbst Steuersubjekt ist. Sie wird als sog. Prozessstandschafterin für die Gesellschafter tätig und wird ihrerseits durch die Geschäftsführer vertreten. Gesellschafter selbst können nur unter bestimmten Voraussetzungen gegen den Gewinnfeststellungsbescheid klagen. Erheben nur Gesellschafter, nicht aber die Gesellschaft Klage, muss die Gesellschaft beigeladen werden. Die Klagebefugnis der Gesellschaft und damit die Notwendigkeit der Beiladung zu einer Klage der Gesellschafter endet mit der Vollbeendigung der Gesellschaft; fortan sind anstelle der Gesellschaft alle ehemaligen Gesellschafter klagebefugt.

Im Urteilsfall hatte über die KG ein Insolvenzverfahren stattgefunden. Wird die Gesellschaft vermögenslos, hat das i.d.R. die Vollbeendigung zur Folge. Solange von den Gesellschaftern aber noch Ausgleichszahlungen zur Befriedigung von Gesellschaftsgläubigern geleistet werden, ist noch keine Vollbeendigung eingetreten. So verhielt es sich möglicherweise im Urteilsfal...

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