Leitsatz

1. Eine Nachzahlung der Kassenärztlichen Vereinigung, die insgesamt mehrere Jahre betrifft, ist eine mehrjährige Vergütung i.S. des § 34 Abs. 2 Nr. 4 EStG.

2. Erfolgt die Auszahlung der Gesamtvergütung in zwei Veranlagungszeiträumen in etwa gleich großen Teilbeträgen, kommt eine Tarifbegünstigung nach § 34 Abs. 1 EStG nicht in Betracht.

3. Die Tarifbegünstigung des § 34 EStG knüpft an die Progressionsbelastung durch zugeflossene Einnahmen und grundsätzlich nicht daran an, ob die Modalitäten des Zuflusses vereinbart oder dem Zahlungsempfänger aufgezwungen wurden.

 

Normenkette

§ 34 Abs. 2 Nr. 4, § 4 Abs. 3 EStG

 

Sachverhalt

Die Klägerin, eine GbR, betreibt eine psychotherapeutische Praxis. Sie ermittelt den Gewinn nach der Einnahmenüberschussrechnung gemäß § 4 Abs. 3 EStG. Die beiden Gesellschafter besitzen jeweils eine eigene Kassenzulassung zur Abrechnung der Einnahmen der gemeinsamen Praxis.

Die Kassenärztliche Vereinigung zahlte der Klägerin in den Streitjahren 2005 und 2006 zusätzliche Honorare für die Tätigkeit in den Jahren 2000 bis 2004 in vier fast gleich hohen Raten. Die Klägerin erklärte diese Nachzahlungen in ihren Feststellungserklärungen als tarifbegünstigte Einkünfte aus Vergütungen für eine mehrjährige Tätigkeit i.S.d. § 34 Abs. 2 Nr. 4 EStG.

FA und FG (FG Köln, Urteil vom 20.11.2013, 3 K 2762/10, Haufe-Index 7225154, EFG 2014, 1883) lehnten eine ermäßigte Besteuerung der Nachzahlung nach § 34 EStG ab.

 

Entscheidung

Der BFH hat die Revision der Klägerin als unbegründet zurückgewiesen.

 

Hinweis

1. Streitig war im vorliegenden Fall, ob die ratierliche Nachzahlung einer Kassenärztlichen Vereinigung nach § 34 EStG ermäßigt zu besteuern war.

Dies hat der BFH verneint. Zwar handelte es sich um eine Vergütung für eine mehrjährige Tätigkeit. Mehrjährig ist eine Tätigkeit, wenn sie sich über mindestens zwei Veranlagungszeiträume erstreckt und mehr als zwölf Monate umfasst.

Der BFH hat es auch nicht als schädlich angesehen, dass sich die Vergütung aus mehreren Ratenzahlungen zusammengesetzt hat, die jeweils einem bestimmten Einzeljahr zugerechnet werden konnten.

2. Erforderlich für die begünstigte Besteuerung gemäß § 34 EStG ist jedoch, dass die Einkünfte zusammengeballt in einem Veranlagungszeitraum zufließen. Grund für die steuerliche Begünstigung ist die erhöhte steuerliche Belastung aufgrund der Progression des Einkommensteuertarifs. Liegt eine Zusammenballung nicht vor, ist der Tatbestand des § 34 EStG nicht erfüllt.

3. Aus diesem Grund hat der BFH im vorliegenden Fall die Anwendung des § 34 EStG verneint. Die Nachzahlung für die mehrjährige Tätigkeit erfolgte in zwei Veranlagungszeiträumen. Dies rechtfertigt keine ermäßigte Besteuerung. Dies gilt auch dann, wenn die Nachzahlungen mit anderen laufenden Einkünften zusammentreffen, sodass sich ein Progressionsnachteil ergibt.

4. Der von der BFH-Rechtsprechung für die Zahlung in zwei Veranlagungszeiträumen anerkannte Ausnahmefall einer geringfügigen Teilzahlung war vorliegend nicht gegeben. Die Nachzahlung erfolgte in nahezu gleich großen Beträgen.

5. Schließlich führte auch der Umstand, dass die Ratenzahlung über zwei Veranlagungszeiträume der Klägerin von der Kassenärztlichen Vereinigung aufgezwungen worden war, zu keiner anderen Beurteilung. Die Tarifbegünstigung nach § 34 EStG knüpft allein an die Progressionsbelastung an. Die Modalitäten des Zuflusses sind unbeachtlich.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 02.08.2016, VIII R 37/14BFH, Urteil vom 2.10.2016 – VIII R 37/14

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