Leitsatz

1. Es ist nicht ernstlich zweifelhaft, dass die gesetzlichen Grundlagen für eine Außenprüfung nach § 193 Abs. 1 AO i.V.m. § 147a AO sowohl formell als auch materiell verfassungsgemäß sind.

2. Bei der Berechnung des Schwellenwertes des § 147a Abs. 1 Satz 1 AO sind Kapitaleinkünfte, die aufgrund eines Antrags auf Günstigerprüfung gemäß § 32d Abs. 6 EStG der tariflichen Besteuerung unterliegen, mit einzubeziehen. Der Abzug der tatsächlich entstandenen Werbungskosten ist gemäß § 20 Abs. 9 EStG ausgeschlossen.

3. Bei der Berechnung des Schwellenwertes des § 147a Abs. 1 Satz 1 AO ist zwar ein horizontaler Verlustausgleich innerhalb derselben Einkunftsart möglich, jedoch sind weder Verlustvorträge noch Verlustrückträge aus anderen Jahren noch vertikale Verlustverrechnungen mit anderen Einkunftsarten zu berücksichtigen.

4. Der Steuerpflichtige kann sich nicht aufgrund seines hohen Alters auf eine Unzulässigkeit der Außenprüfung berufen.

5. Die Änderung bzw. Erweiterung eines Antrags auf AdV im Beschwerdeverfahren ist unzulässig, wenn dies zu einer wesentlichen Veränderung des Streitgegenstands führt.

 

Normenkette

§ 193 Abs. 1, § 147a AO, § 32d Abs. 6, Abs. 4, § 20 Abs. 9 EStG, § 69 Abs. 2, Abs. 3 FGO, Art. 80 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1 GG

 

Sachverhalt

Der zusammenveranlagte Antragsteller erklärte in der Einkommensteuererklärung für 2011 u.a. Einkünfte aus Kapitalvermögen i.H.v. 1.099.306 EUR als dem inländischen und i.H.v. 84.237 EUR als nicht dem inländischen Steuerabzug unterliegend. Darin enthalten waren Gewinne aus Kapitalerträgen i.S.d. § 20 Abs. 2 EStG i.H.v. 679.694 EUR. Er stellte einen Antrag auf Günstigerprüfung gemäß § 32d Abs. 6 EStG sowie einen Antrag auf Überprüfung des Steuereinbehalts gemäß § 32d Abs. 4 EStG. Zudem beantragte er die Verrechnung von Verlusten nach § 23 EStG nach der bis zum 31.12.2008 geltenden Rechtslage (a.F.). Gewinneinkünfte i.S.d. § 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 EStG erzielte er nicht.

Da die Günstigerprüfung nach § 32d Abs. 6 EStG zu einer geringeren Steuer führte, legte das FA die Kapitaleinkünfte des Klägers der tariflichen Einkommensteuer zugrunde. Es erfasste Kapitalerträge i.S.d. § 20 Abs. 1 EStG i.H.v. 506.344 EUR und Kapitalerträge i.S.d. § 20 Abs. 2 EStG (ohne Aktien) i.H.v. 679.694 EUR, somit i.H.v. insgesamt 1.186.038 EUR als tariflich zu besteuernde Einkünfte aus Kapitalvermögen.

Es verrechnete die Kapitalerträge i.S.d. § 20 Abs. 2 EStG (ohne Aktien) in voller Höhe mit den Verlustvorträgen aus privaten Veräußerungsgeschäften aus dem Vorjahr i.S.d. § 23 EStG a.F. Die sich nach Abzug des Sparer-Pauschbetrags ergebenden Kapitaleinkünfte i.H.v. 505.543 EUR verrechnete es mit negativen Einkünften aus VuV i.H.v. ./. 2.523 EUR (aus geschlossenen Immobilienfonds) und ./. 314.280 EUR.

Nach der Verrechnung des Gesamtbetrags der Einkünfte mit weiteren Verlustvorträgen ergab sich ein zu versteuerndes Einkommen i.H.v. 21.823 EUR, das dem Splittingtarif zugrunde gelegt wurde, und eine Einkommensteuerfestsetzung i.H.v. 0 EUR.

Mit Prüfungsanordnung vom 29.11.2016 ordnete das FA eine Außenprüfung betreffend die Einkommensteuer und Umsatzsteuer für die Jahre 2011 bis 2014 sowie die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustabzugs nach § 10d EStG zum 31.12.2011 bis 31.12.2014 an. In der Anlage zur Prüfungsanordnung verwies es darauf, dass sich die Summe der positiven Einkünfte des Antragstellers gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 4 bis 7 EStG im Jahr 2011 auf mehr als 500.000 EUR belaufen habe, sodass die Voraussetzungen für die Anordnung einer Außenprüfung nach § 193 Abs. 1 AO i.V.m. § 147a AO erfüllt seien. Zudem forderte es den Antragsteller zur Vorlage zahlreicher Unterlagen auf. Der hiergegen erhobene Einspruch hatte keinen Erfolg.

Das FG (Schleswig-Holsteinisches FG, Beschluss vom 22.5.2017, 2 V 22/17, Haufe-Index 10928000, EFG 2017, 1236) hat den Antrag des Antragstellers auf AdV der Prüfungsanordnung abgelehnt und die Beschwerde zugelassen.

 

Entscheidung

Der BFH hat die Beschwerde des Antragstellers gegen die Ablehnung der AdV als unbegründet zurückgewiesen.

 

Hinweis

1. Der BFH hat ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Prüfungsanordnung verneint. Eine Außenprüfung ist nach § 193 Abs. 1 AO i.V.m. § 147a AO auch bei Steuerpflichtigen zulässig, die ausschließlich Überschusseinkünfte i.S.d. § 2 Abs. 2 Nr. 2 EStG von mehr als 500.000 EUR im Kalenderjahr erzielen (sog. Einkunftsmillionäre). Im Falle der Zusammenveranlagung ist die Summe der positiven Einkünfte eines jeden Ehegatten oder Lebenspartners maßgebend (§ 147a Abs. 1 Satz 2 AO).

2. Der BFH hat keine Bedenken, dass § 147a, § 193 Abs. 1 AO formell verfassungsgemäß zustande gekommen sind. Es verstößt nicht gegen Art. 80 Abs. 1 Sätze 1 und 2 GG, dass die erstmalige Anwendung dieser Vorschriften durch die Bundesregierung bestimmt wurde. Die Regelung ist auch materiell verfassungsgemäß. Sie dient der Sicherung der Gleichmäßigkeit der Besteuerung (Art. 3 Abs. 1 GG).

3. Der BFH konnte die Streitfrage, ob die gemäß § 43 Abs. 5 Satz 1 EStG durch den S...

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