Leitsatz

Ohne Vorlage von "weißen Speditionsbescheinigungen" oder ordnungsgemäß ausgefüllten CMR-Frachtbriefen können Ausfuhrlieferungen in Versendungsfällen grundsätzlich nicht steuerfrei gestellt werden.

 

Sachverhalt

Der Kläger ist im Bereich Altkleidersammlung und Handelsvermittlung von Textilien unternehmerisch tätig. Nach einer Umsatzsteuer-Sonderprüfung gelangte das Finanzamt u.a. zu der Erkenntnis, dass bisher als steuerfrei behandelte Ausfuhrlieferungen an die Firma M mit Sitz in Rumänien der Umsatzsteuer zu unterwerfen seien, da die erforderlichen Ausfuhrbelege nicht vorgelegt worden seien. Der Kläger machte geltend, er habe es aus Unwissenheit versäumt, das Exemplar Nr. 3 des Einheitspapiers von der Zollstelle an der EU-Außengrenze in Österreich zurück zu verlangen. Quasi als Ersatz legte er die Zolldeklarationspapiere des Einfuhrlandes Rumänien ("Einfuhrabgabenbescheid") vor. Obwohl es sich um sog. Versendungsfälle handelte (Verbringung der Ware durch Spediteure), konnte der Kläger weder eine weiße Speditionsbescheinigung noch einen ordnungsgemäß ausgefüllten CMR-Frachtbrief (Bestätigung des Warenempfängers in Feld 24 fehlte) vorlegen.

 

Entscheidung

Die Klage wurde im Wesentlichen als unbegründet zurückgewiesen. In Versendungsfällen soll der Unternehmer den Ausfuhrnachweis nach § 10 UStDV durch einen Versendungsbeleg, insbesondere durch Frachtbrief, Konnossement, Posteinlieferungsschein oder deren Doppelstück (§ 10 Abs. 1 Nr. 1 UStDV) oder einen sonstigen handelsüblichen Beleg, insbesondere durch eine Bescheinigung des beauftragten Spediteurs oder durch eine Versandbestätigung des Lieferers (§ 10 Abs. 1 Nr. 2 UStDV) erbringen. Weil er weder einen Versendungsbeleg noch einen sonstigen handelsüblichen Beleg vorgelegt hat, ist der Nachweis für die Steuerfreiheit nicht erbracht. Insbesondere hat er die Ausfuhr nicht durch eine sog. weiße Speditionsbescheinigung oder durch einen ordnungsgemäß ausgefüllten CMR-Frachtbrief bestätigt. Die vorgelegten Durchschriften der CMR-Frachtbriefe ließen die in Feld 24 vorgesehene Bestätigung des Warenempfängers nicht erkennen. Da es dem Kläger nicht unzumutbar war, den Ausfuhrnachweis durch die weiße Speditionsbescheinigung oder den CMR-Frachtbrief zu führen, kann er sich auch nicht auf die Ausnahmevorschrift des § 10 Abs. 2 UStDV berufen, die es erlaubt, die Ausfuhr mit einem Alternativnachweis zu bestätigen.

 

Hinweis

Das Finanzgericht hat seine Entscheidung offenbar vor Bekanntwerden des BFH-Urteils vom 12.5.2009 (V R 65/06) getroffen. Darin hat der BFH klargestellt, dass ein CMR-Frachtbrief auch dann einen Versendungsbeleg darstellt, wenn er keine Bestätigung über den Warenempfang am Bestimmungsort (leeres Feld 24) enthält. Aus dem Aufbau der Urteilsbegründung lässt sich vermuten, dass die FG-Entscheidung in Kenntnis dieser Rechtsprechung anders - nämlich zugunsten des Unternehmers - ausgefallen wäre. Der BFH hat sich z.T. auch eindeutig gegen die Vorgaben im BMF-Schreiben v. 6.1.2009 gewandt. Eine offizielle Reaktion der Finanzverwaltung hierzu steht noch aus. Für die Praxis ist zu beachten, dass sich der Unternehmer bei Ausfuhrlieferungen (§ 6 UStG) auf Vertrauensschutz nur im Billigkeitsverfahren nach § 163 AO berufen kann (vgl. BFH-Urteil v. 23.4.2009, V R 84/07), weil es eine dem § 6a Abs. 4 UStG entsprechende Vorschrift bei Ausfuhrlieferungen nicht gibt. Deshalb sollten Steuerpflichtige bei Ausfuhrlieferungen, bei denen die Finanzverwaltung die Steuerbefreiung anzweifelt, sogleich auch einen Antrag auf Erlass der Umsatzsteuer stellen, um eine Zurückweisung aus rein verfahrensrechtlichen Gründen von vornherein zu vermeiden.

Das Finanzgericht hat ausdrücklich offengelassen, ob auch lediglich ein Einfuhrabgabenbescheid eines Drittlandes als Ausfuhrnachweis im Sinne von § 6 UStG - ungeachtet der vom Verordnungsgeber in den §§ 9 und 10 UStDV angebotenen Nachweismöglichkeiten - dienen kann. Abschließend ist darauf hinzuweisen, dass Rumänien natürlich zwischenzeitlich Mitglied der EU ist und Lieferungen in dieses Land somit als innergemeinschaftliche Lieferungen zu behandeln sind.

 

Link zur Entscheidung

FG München, Urteil vom 16.07.2009, 14 K 4020/06

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