Leitsatz

1. Aufwendungen zur Beseitigung unzumutbarer Beeinträchtigungen, die von einem Gegenstand des existenznotwendigen Bedarfs ausgehen, können aus tatsächlichen Gründen zwangsläufig i.S.d. § 33 Abs. 2 EStG entstehen.

2. Die Unzumutbarkeit ist anhand objektiver Kriterien zu bestimmen. Handelt es sich um Geruchsbelästigungen, ist das Überschreiten von objektiv feststellbaren Geruchsschwellen erforderlich.

3. Ein die Außergewöhnlichkeit von Aufwendungen ausschließender Baumangel liegt auch dann nicht vor, wenn der Einsatz mittlerweile verbotener schadstoffhaltiger Materialien noch zum Zeitpunkt der Errichtung des Gebäudes erlaubt war und das Gebäude später veräußert wird.

4. Der Umstand, dass ein vor Durchführung der Beseitigungs- bzw. Wiederherstellungsmaßnahmen erstelltes amtliches technisches Gutachten nicht vorliegt, steht dem Abzug der durch unabwendbare Ereignisse veranlassten Aufwendungen nicht entgegen. Gleichwohl hat der Steuerpflichtige nachzuweisen, dass er sich den Aufwendungen aus tatsächlichen Gründen nicht entziehen konnte.

5. Allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens i.S.v. § 33 Abs. 1 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (§ 64 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 Buchst. e EStDV i.d.F. des StVereinfG 2011) liegen bei dem Umbau eines Hauses oder Umgestaltungen des Wohnumfeldes nicht vor.

 

Normenkette

§§ 33 Abs. 1, 33 Abs. 2 Satz 1 EStG, § 33 Abs. 4 EStG i.d.F. des StVereinfG 2011, §§ 64 Abs. 1, 64 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 Buchst. e, 84 Abs. 3f EStDV i.d.F. des StVereinfG 2011, § 33 Abs. 1 SGB V, §§ 96 Abs. 1 Satz 1, 76 FGO

 

Sachverhalt

Die Eheleute K erwarben 2000 ein 1973 errichtetes Holz-Fertighaus. Die Holzbauteile waren mit einem damals nicht verbotenen Holzschutzmittel imprägniert. Die Außenfassade bestand teilweise aus ­asbesthaltigen Faserzementplatten, dahinter waren formaldehydhaltige Spanplatten. Bereits bei dem Einzug nahmen K einen unangenehmen Geruch wahr. Ihre 2003 geborene Tochter befand sich seit 2006 wegen einer Atemwegserkrankung regelmäßig in Behandlung. Im Streitjahr 2008 wurde die Fassade überwiegend saniert, die bisherige Außenfassade samt Dämmung durch eine neue ersetzt. Die Aufwendungen dafür (32.653 EUR) machten K als außergewöhnliche Belastungen geltend und stützten sich u.a. auf eine fachärztliche Bescheinigung, nach der die Sanierung wegen atemwegsschädlicher Substanzen erforderlich und im Hinblick auf die Erkrankung ihrer Tochter notwendig gewesen sei. Das FG wies die Klage ab. Es fehle an dem Nachweis konkret zu befürchtender Gesundheitsschäden (Niedersächsisches FG, Urteil vom 17.2.2011, Haufe-Index 2692533,14 K 425/09).

 

Entscheidung

Der BFH hob aus den unter den Praxis-Hinweisen erläuterten Erwägungen die Vorentscheidung auf und verwies die Sache an das FG zurück.

 

Hinweis

Das Besprechungsurteil und die beiden nachstehenden Entscheidungen vom selben Tag (VI R 47/10; VIR 70/10) befassen sich jeweils mit dem Abzug von Aufwendungen für Gebäudesanierungen als außergewöhnliche Belastungen.

1.§ 33 Abs. 1 EStG berücksichtigt zwangsläufige Mehraufwendungen für den existenznotwendigen Grundbedarf, grenzt davon aber die üblichen Lebens­führungskosten aus, die schon durch den Grundfreibetrag abgegolten sind (vgl. BFH, Urteil vom 11.11.2010, VI R 17/09, BFH/NV 2011, 503, BFH/PR 2011, 134). Deshalb können Aufwendungen, die im Zusammenhang mit Gegenständen des existenznotwendigen Bedarfs stehen, außergewöhnliche Belastungen sein, insbe­sondere, wenn davon konkrete Gesundheitsgefährdungen ausgehen. Aufwendungen zur Gefahrenbeseitigung entstehen dann aus tatsächlichen Gründen zwangsläufig (§ 33 Abs. 2 Satz 1 EStG). Das wurde schon früher so entschieden, z.B. zu Asbest an Außenfassaden, zu mit Formaldehyd verseuchten Möbeln und auch für Wiederbeschaffungskosten, die durch unausweichliche Ereignisse (Brand, Hochwasser, Kriegseinwirkung, Vertreibung, politische Verfolgung) und "privaten Katastrophen" entstehen. Dazu können auch unzumutbare Geruchsbelästigungen zählen.

2. Allerdings: der BFH zieht Grenzen. Eine Geruchsbelästigung muss objektiv feststellbar sein, um deren Unzumutbarkeit feststellen zu können. Es gilt der objektive Maßstab, nicht die subjektive Einschätzung der Beteiligten. Weiter gilt, dass den Grundstückseigentümer kein Verschulden treffen darf, die Belastung nicht erkennbar gewesen sein darf und keine realisierbaren Ersatzansprüche gegen Dritte bestehen. Weiter sind solche Aufwendungen abzugrenzen von den Kosten der Beseitigung nicht unüblicher Baumängel. Solche liegen allerdings nicht vor, wenn im Errichtungszeitpunkt nicht verbotene Materialien verwendet wurden.

3. Den Steuerpflichtigen trifft die Nachweispflicht, dass er sich diesen Aufwendungen nicht hatte entziehen können. Ein zuvor erstelltes amtliches Gutachten ist dazu allerdings nicht erforderlich und auch nicht durch § 33 Abs. 4 EStG und § 64 Abs. 1 EStDV (nach § 84 Abs. 3f EStDV rückwirkend anwendbar) geboten. Denn diese Neuregelung betrifft nur den Nachweis der Zwangsläufigkeit bei Aufwendungen im Krankheitsfall.

4. Das FG mu...

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