Leitsatz

1. Die Kraftfahrzeugsteuerschuld ist im Fall der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Kraftfahrzeughalters aufzuteilen auf die Tage vor und die Tage nach Eröffnung des Verfahrens.

2. Hinsichtlich für Tage nach Verfahrenseröffnung im Voraus entrichteter Kraftfahrzeugsteuer entsteht im Zeitpunkt der Verfahrenseröffnung ein Erstattungsanspruch, gegen den das FA mit Insolvenzforderungen aufrechnen kann.

 

Normenkette

§ 38 AO , § 5 Abs. 1 Nr. 1 KraftStG , § 6 KraftStG , § 7 Nr. 1 KraftStG , § 11 KraftStG , § 36 Abs. 1 InsO , § 38 InsO , § 55 InsO , § 95 InsO , § 96 InsO

 

Sachverhalt

Ein Insolvenzschuldner war Halter eines Kraftfahrzeugs, für das er vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens Kraftfahrzeugsteuer für das Jahr gezahlt hatte, während dessen Verlauf das Verfahren eröffnet wurde. Das FA übersandte dem Insolvenzverwalter eine "Steuerberechnung", in der Kraftfahrzeugsteuer für die Zeit vor und nach Verfahrenseröffnung ausgewiesen war. Den auf diese Zeit nach Verfahrenseröffnung entfallenden Betrag wies es als Kraftfahrzeugsteuerguthaben aus und verrechnete ihn mit Einkommensteuerschulden aus der Zeit vor Verfahrenseröffnung.

 

Entscheidung

Der BFH hat dies gebilligt. Die entrichtete Kraftfahrzeugsteuer ist aufzuteilen. Für die Zeit nach Verfahrenseröffnung muss ein neuer Bescheid ergehen, der sich entweder gegen den Insolvenzverwalter zu richten hat (wenn das Fahrzeug für die Masse genutzt wird) oder gegen das verfahrensfreie Vermögen des Schuldners. Der voraus entrichtete Betrag ist zu erstatten und steht dem FA ggf. zur Aufrechnung mit "vorkonkurslichen" Steuerforderungen zur Verfügung.

 

Hinweis

Unterscheiden Sie von der tageweise entstehenden Kraftfahrzeugsteuerschuld die Kraftfahrzeugsteuer-Zahlungsschuld (näher BFH, Urteil vom 9.2.1993, VII R 12/92, BStBl II 1994, 207), die mit Beginn des jeweiligen Entrichtungszeitraums (§ 6 KraftStG) entsteht. Entrichtungszeitraum ist nach § 11 Abs. 1 KraftStG grundsätzlich ein Jahreszeitraum.

Nach § 7 Nr. 1 KraftStG ist Schuldner der Kraftfahrzeugsteuer im Allgemeinen derjenige, für den das Fahrzeug zum Verkehr (verkehrsbehördlich) zugelassen ist. Im Insolvenzverfahren gilt das aber nicht uneingeschränkt, weil die Vorschriften des KraftStG durch die Vorschriften des Insolvenzrechts überlagert und modifiziert werden. Kraftfahrzeugsteuer, die erst nach Eröffnung eines Insolvenzverfahrens durch die Verwaltung des zur Insolvenzmasse gehörenden Vermögens begründet wird, schuldet daher ebenso wie aus seinen Rechtsgeschäften entstehende Forderungen der Insolvenzverwalter. Die Steuer ist insofern nicht als Insolvenzforderung anteilig zu befriedigen, sondern Masseverbindlichkeit (§ 55 InsO).

Kraftfahrzeugsteuer, die der Schuldner während der Dauer des Insolvenzverfahrens durch ihm (insolvenzrechtlich) zuzurechnende Nutzung des Fahrzeugs begründet, ist aus der Masse überhaupt nicht (weder bevorrechtigt als Masseverbindlichkeit noch anteilig als Insolvenzforderung) zu befriedigen. Deshalb ist vor Verfahrenseröffnung entstandene Kraftfahrzeugsteuer, wenn sie noch nicht gezahlt worden ist, Insolvenzforderung (§ 38 InsO), nach Verfahrenseröffnung entstandene Kraftfahrzeugsteuer jedoch entweder aus der Masse zu befriedigen, wenn das Fahrzeug für die Masse (bei deren Verwaltung) genutzt wird (§ 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO), anderenfalls bei Nutzung außerhalb der Masse aus dem insolvenzfreien Vermögen oder Erwerb des Schuldners.

Beachten Sie: Wenn der Insolvenzverwalter das Fahrzeug im Rahmen der Verwaltung der Insolvenzmasse nutzt und folglich aus derselben die Kraftfahrzeugsteuer als Masseforderung ungekürzt entrichten muss, ist diese Steuerschuld des Insolvenzverwalters nicht identisch mit der im Voraus befriedigten, damals noch nicht entstandenen Schuld des Schuldners und (verkehrsrechtlichen) Kraftfahrzeughalters. Gegen den Insolvenzverwalter ist daher ggf. ein Steuerbescheid zu erlassen.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 16.11.2004, VII R 62/03

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