Leitsatz

1. Bei einer einheitlich zu beurteilenden Sachzuwendung an Arbeitnehmer scheidet eine Aufteilung in Arbeitslohn und Zuwendung im betrieblichen Eigeninteresse aus.

2. Die Übernahme von Kurkosten durch den Arbeitgeber ist grundsätzlich als Arbeitslohn zu werten.

 

Normenkette

§ 19 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 EStG

 

Sachverhalt

K erzielte als Fluglotse Lohneinkünfte. Im Arbeitsvertrag war u.a. die Geltung des Bundesangestelltentarifvertrags und der Sonderregelungen für die Angestellten im Flugsicherungsdienst (SR 2 h BAT) vereinbart. Danach war K verpflichtet, sich auf Verlangen seines Arbeitgebers in Abständen von längstens fünf Jahren einer Regenerierungskur zu unterziehen.

Nachdem der Arbeitgeber zuvor mehrere Kuren zur Auswahl angeboten hatte, nahm K an einer solchen vierwöchigen Kur für Fluglotsen teil. Der Arbeitgeber übernahm sämtliche Kosten (5 040 DM). Zum Kurprogramm gehörten im Wesentlichen Fitnesstraining und Massagen. An drei Tagen wurde der Kläger ärztlich untersucht. Bei der letzten Untersuchung wurde die Arbeitsfähigkeit bescheinigt.

Das FA beurteilte die Übernahme der Kosten der Kur als geldwerten Vorteil. Die dagegen erhobene Klage war insoweit erfolgreich, als das FG (Schleswig-Holsteinisches FG, Urteil vom 10.07.2007, 5 K 369/02, Haufe-Index 1967025, EFG 2008, 943) die Kosten nur zur Hälfte als Arbeitslohn ansetzte, weil keine Kostenbestandteile leicht und eindeutig abgetrennt werden könnten und die Kosten daher schätzweise aufzuteilen seien.

 

Entscheidung

Der BFH hob die Vorentscheidung auf und wies die Klage in vollem Umfang ab, weil – wie aus den Praxis-Hinweisen ersichtlich – die Kur eindeutig Vorteilscharakter hatte und betriebsfunktionale Bestandteile nicht abgegrenzt werden konnten.

 

Hinweis

Der Besprechungsfall gab wieder einmal Anlass, scheinbare und aufgedrängte Vorteile von echten steuerpflichtigen Vorteilen anhand des vom Lohnsteuersenat entwickelten Merkmals des "ganz überwiegend eigenbetrieblichen Interesses" abzugrenzen.

1. Steuerpflichtiger Arbeitslohn (Vorteile "für" die Arbeitsleistung § 19 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 EStG) liegt nicht vor, wenn der Vorteil im ganz überwiegend eigenbetrieblichen Interesse gewährt wird. Anlass, Art und insbesondere Höhe des Vorteils, Auswahl der Begünstigten, freie oder nur gebundene Verfügbarkeit, Freiwilligkeit oder Zwang zur Annahme des Vorteils und seine besondere Geeignetheit für den jeweils verfolgten betrieblichen Zweck sind zu würdigen.

So kann ein ganz überwiegend eigenbetriebliches Interesse vorliegen, wenn diese Zielsetzung ganz im Vordergrund steht und ein eigenes Interesse des Arbeitnehmers am Vorteil vernachlässigt werden kann. Merke: Gerade zum letztgenannten Aspekt verweist der BFH auf die Wechselwirkung zwischen eigenbetrieblichem Interesse und Ausmaß der Bereicherung des Arbeitnehmers. Je höher die Bereicherung, desto geringer das eigenbetriebliche Interesse (BFH, Urteil vom 11.04.2006, VI R 60/02, BFH/NV 2006, 1563, BFH/PR 2006, 383 m.w.N.). Und dort (BFH, Urteil vom 11.04.2006, VI R 60/02) wie hier sah sich der BFH auch nicht dadurch zu einer anderen Beurteilung veranlasst, dass der Arbeitnehmer arbeitsvertraglich zur Annahme des Vorteils verpflichtet war.

2. Liegt der geldwerte Vorteil in der Zuwendung einer unentgeltlichen oder verbilligten Reise, kann die Zuwendung gemischt veranlasst sein und eine Aufteilung in Arbeitslohn und "Nichtlohn" im betrieblichen Eigeninteresse in Betracht kommen ("Portugal-Fall": BFH, Urteil vom 18.08.2005, VI R 32/03, BFH/NV 2005, 2290, BFH/PR 2005, 453). Das gilt aber nicht, wenn die Sachzuwendung (Reise) nur einheitlich zu beurteilen ist – wie insbesondere eine Kur.

Die Übernahme der Kurkosten durch den Arbeitgeber ist grundsätzlich Arbeitslohn. Nur Vorsorgeuntersuchungen oder Maßnahmen zur Vermeidung berufsbedingter Krankheiten gelten als nicht lohnsteuerpflichtig, weil im ganz überwiegend eigenbetrieblichen Interesse zugewandt.

Und auch im Streitfall war eine Trennung in Arbeitslohn und Zuwendung im betrieblichen Eigeninteresse nicht möglich. Dann ist nicht nur auf der Einnahmenseite alles, sondern auch auf der Aufwandsseite nichts anzusetzen, so insbesondere der Große Senat in seinem Beschluss zum "Aufteilungs- und Abzugsverbot" (BFH, Beschluss vom 21.09.2009, GrS 1/06, BFH/NV 2010, 285, BFH/PR 2010, 85).

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 11.03.2010 – VI R 7/08

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