Leitsatz

Artikel 13 Teil B Buchstabe b der 6. EG-RL ist dahin auszulegen, dass es keine Vermietung eines Grundstücks darstellt, wenn der Eigentümer von Räumlichkeiten (der Lokalinhaber) dem Eigentümer eines Zigarettenautomaten das Recht einräumt, den Automaten für einen Zeitraum von zwei Jahren an einer von dem Lokalinhaber bezeichneten Stelle in den Räumlichkeiten gegen einen prozentualen Anteil an den Bruttoerträgen aus dem Verkauf von Zigaretten und anderen Tabakwaren aufzustellen, zu betreiben und zu warten, jedoch mit keinen anderen Besitz- und Kontrollrechten als in der schriftlichen Vereinbarung zwischen den Parteien angegeben.

 

Normenkette

Art. 2 6. EG-RL , Art. 13 Teil B Buchst. b 6. EG-RL (§ 4 Nr. 12 UStG)

 

Sachverhalt

SC, ein Zigarettenautomatenaufsteller in England, vereinbarte mit Gastwirten das ausschließliche Recht zur Aufstellung von Automaten gegen Zahlung eines vereinbarten prozentualen Anteils an den Bruttoerträgen aus den Tabakverkäufen. Die Automaten werden an einem vom Lokalinhaber als besonders günstig benannten Standort aufgestellt. Automat und Inhalt bleiben Eigentum des Ausstellers. Automaten, die nicht zur Montage an Wänden vorgesehen sind, können räumlich umgestellt werden. SC behält die ausschließliche Kontrolle über den Zugang zu den Automaten, sichert deren Befüllung und entnimmt das Geld zur vereinbarungsgemäßen Aufteilung.

 

Entscheidung

Der EuGH stellt darauf ab, dass der Vertrag keine genaue Abgrenzung der Fläche oder des Standorts vorsah, an dem die Automaten aufgestellt werden; denn der Platz konnte – je nachdem, wo die Aufstellung die höchsten Erträge verspricht – geändert werden. Weiter war maßgeblich, dass der Vertrag der SC nicht das Recht gab, den Zugang zum Standort der Automaten zu beschränken; beschränkt war nur der Zugang zum Inhalt, zum inneren Mechanismus des Automaten.

Unter diesen Umständen stellt die Inbesitznahme eines Teils der Fläche oder eines Standorts nur ein Mittel zur Durchführung der Leistung – Einräumung des Rechts zum ausschließlichen Verkauf von Zigaretten in den Räumen durch Aufstellen von Automaten und deren Wartung – dar. Entscheidend ist danach, ob wirtschaftlicher Schwerpunkt der vereinbarten Pflichten des Gastwirts die andere Personen ausschließende Überlassung einer ganz konkreten Grundstücksfläche war oder nicht.

 

Hinweis

Die Entscheidung des EuGH konkretisiert den Begriff "Vermietung von Grundstücken"; sie ist in gleicher Weise für das nationale Recht von Bedeutung. Die Auslegungsgrundsätze des EuGH sind:

  • Die in Art. 13 der 6. EG-RL vorgesehenen Befreiungen sind eigenständige Begriffe des Gemeinschaftsrechts und erfordern daher eine gemeinschaftsrechtliche Definition.
  • Die Begriffe, mit denen die Steuerbefreiungen nach Art. 13 der 6. EG-RL umschrieben sind, sind als Ausnahmen von der Besteuerung eng auszulegen.
  • Art. 13 Teil B Buchstabe b der 6. EG-RL definiert den Begriff der Vermietung nicht und verweist auch nicht auf seine Definition in den Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten.
  • Das grundlegende Merkmal der Vermietung von Grundstücken besteht darin, dass dem Betreffenden auf bestimmte Zeit gegen eine Vergütung das Recht eingeräumt wird, ein Grundstück so in Besitz zu nehmen, als ob er dessen Eigentümer wäre, und jede andere Person von diesem Recht auszuschließen.
  • Für die Frage, wie ein steuerbarer Umsatz einzuordnen ist, eine Gesamtbetrachtung aller Umstände anzustellen, unter denen der Umsatz erfolgt. Mit anderen Worten: Es obliegt dem jeweiligen Gericht, anhand der rechtlichen und tatsächlichen Umstände des konkreten Falls, zu prüfen, ob die vereinbarte Leistung durch die zuvor beschriebenen Merkmale charakterisiert ist.
 

Link zur Entscheidung

EuGH, Urteil vom 12.6.2003, C-275/01 – Sinclair Collis Ltd –

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