OFD Magdeburg, 10.9.2004, S 0350 - 8 - St 251

Verdeckte Gewinnausschüttungen (vGA) werden bei Kapitalgesellschaften ab dem Vz. 2001 mit einer KSt von 25% belastet (§ 23 Abs. 1 KStG; für vom Kalenderjahr abweichende Wirtschaftsjahre vgl. § 34 Abs. 2 KStG). Beim Anteilseigner ist die vGA nach dem Halbeinkünfteverfahren zur Hälfte zu erfassen (§ 3 Nr. 40d EStG).

Es ist gefragt worden, ob der formell und materiell bestandskräftige ESt-Bescheid des Anteilseigners geändert werden kann, um die Umqualifizierung bisher voll versteuerter Einkünfte in eine vGA berücksichtigen zu können.

Beispiel: A ist Gesellschafter und Geschäftsführer der X-GmbH. Sein Gehalt beträgt lt. Anstellungsvertrag 250.000 EUR pro Jahr. Bei der Gewinnermittlung 2003 berücksichtigt die GmbH den Lohnaufwand als Betriebsausgaben und stellt ihrem Geschäftsführer eine entsprechende LSt-Karte aus. A erklärt den Arbeitslohn von 250.000 EUR in seiner ESt-Erklärung 2003 als Einnahmen aus nichtselbstständiger Arbeit (§ 19 EStG). Der Arbeitslohn wird im ESt-Bescheid 2003 entsprechend berücksichtigt. Der Bescheid wird formell und materiell bestandskräftig.

Im Rahmen einer späteren Außenprüfung bei der GmbH sieht das FA das vereinbarte Gehalt jedoch als zu hoch an und versteuert 100.000 EUR als vGA. Der KSt-Bescheid der GmbH wird nach § 164 Abs. 2 AO geändert.

Für A bedeutet dies, dass der bisher voll besteuerte Arbeitslohn (250.000 EUR) i.H. von 100.000 EUR als vGA zu qualifizieren ist. Insoweit liegen bei A Einnahmen aus Kapitalvermögen (§ 20 EStG) vor, § die gem. § 3 Nr. 40d EStG nur zur Hälfte, also i.H. von 50.000 EUR, einkommensteuerpflichtig sind. Daher wäre der ESt-Bescheid des A entsprechend zu seinen Gunsten zu ändern.

Hierzu wird folgende Auffassung vertreten:

Die steuerliche Behandlung einer (offenen oder verdeckten) Gewinnausschüttung bei der Kapitalgesellschaft und den Anteilseignern ist voneinander unabhängig, weil weder das EStG noch das KStG diesbezüglich eine korrespondierende Besteuerung vorsehen.

Die Frage, ob, aus welchen Gründen und in welcher Höhe ein bestimmter Sachverhalt eine vGA darstellt, haben das KSt-FA und das für die Veranlagung des Anteilseigners zuständige FA jeweils selbstständig zu entscheiden (BFH-Urteil vom 27.10.1992, VIII R 41/89, BStBl 1993 II S. 569).

Da die vGA steuerlich sowohl bei der GmbH als auch beim Anteilseigner – also mehrfach – zu berücksichtigen ist, kann die korrespondierende steuerliche Behandlung des Sachverhalts nicht mit Hilfe des § 174 Abs. 1 AO erreicht werden (BFH-Urteil vom 2.8.1994, VIII R 65/93, BStBl 1995 II S. 264).

Der KSt-Bescheid der Kapitalgesellschaft ist kein Grundlagenbescheid für den ESt-Bescheid des Anteilseigners. Der ESt-Bescheid kann daher nicht nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO geändert werden (BFH-Urteil vom 27.10.1992, VIII R 41/89, a.a.O.).

Die geänderte rechtliche Beurteilung eines Sachverhalts, der dem FA bei Erlass des Steuerbescheids bekannt war, stellt kein rückwirkendes Ereignis dar (BFH-Urteil vom 26.10.1988, II R 55/86, BStBl 1989 II S. 75). Auf § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO kann die Änderung des ESt-Bescheids daher ebenfalls nicht gestützt werden.

Gem. § 173 Abs. 1 AO sind Steuerbescheide aufzuheben oder zu ändern, soweit Tatsachen oder Beweismittel nachträglich bekannt werden, die zu einer höheren oder niedrigeren Steuer führen. Bei Sachverhalten, die bei verschiedenen Stpfl. steuerlich eigenständig zu berücksichtigen sind, weil die Steuergesetze keine korrespondierende Berücksichtigung vorschreiben, sind die für die einzelne Steuerfestsetzung relevanten Tatsachen und steuerliche Bewertungen zu unterscheiden (vgl. hierzu AEAO zu § 173 Nr. 1). Ergebnismitteilungen des KSt-FA an das für die Veranlagung der Anteilseigner zuständige FA über eine bei einer GmbH durchgeführte Außenprüfung geben rechtliche Schlussfolgerungen und Schätzungsergebnisse wieder, sie stellen für sich jedoch keine Tatsachen dar, die zu einer Änderung nach § 173 Abs. 1 AO berechtigen (BFH-Urteil vom 27.10.1992 VII R 41/89, BStBl 1993 II S. 569). Deshalb müssen den für die Veranlagung der Anteilseigner zuständigen FA die entscheidungserheblichen Tatsachen mitgeteilt werden; die bloße Mitteilung, es seien vGA festgestellt worden, reicht nicht aus, um eine Änderung nach § 173 Abs. 1 zu rechtfertigen (AEAO zu § 173, Nr. 1.1.3). Zu beachten ist ferner, dass neue Tatsachen oder Beweismittel die Änderung eines Steuerbescheids nach § 173 Abs. 1 AO nur rechtfertigen können, wenn sie rechtserheblich sind. Die Rechtserheblichkeit ist zu bejahen, wenn das FA bei rechtzeitiger Kenntnis der Tatsachen oder Beweismittel schon bei der ursprünglichen Veranlagung mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zu einer höheren oder niedrigeren Steuer gelangt wäre (vgl. BFH-Beschluss vom 23.11.1987 GrS 1/86, BStBl 1988 II S. 180). Kommt die Anwendung des § 173 AO in Betracht, weil dem für die Besteuerung des Anteilseigners zuständigen FA erstmals ein Sachverhalt bekannt wird, der die Annahme einer vGA rechtfertigt, darf den Stpfl....

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