1 Vorbemerkung

 

Rz. 1

§ 238 HGB verpflichtet den Kaufmann zu Aufzeichnungen, mit denen er seine Handelsgeschäfte sowie die Lage seines Vermögens nach den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung (GoB) ersichtlich zu machen hat. Die Aufzeichnungen folgen dem System der sog. "doppelten Buchführung". Dabei finden die Unterlagen ihren Niederschlag in systematischen Zahlenausweisen. Zugleich sind sie – als Buchungsbelege – systematisch geordnet aufzubewahren. Die erarbeiteten Zahlen müssen jederzeit ohne unangemessene Mühe nachprüfbar sein, um zu gewährleisten, dass ein sachverständiger Dritter sich in angemessener Zeit einen Überblick über die Geschäftsvorfälle und die Vermögenslage machen kann. Die systematisch geordneten und aufbewahrten Unterlagen dienen damit der Nachprüfbarkeit und Beweissicherung der Rechnungslegung. Die Aufbewahrung kann sich dabei nicht auf die Buchungsunterlagen des laufenden Geschäftsjahrs beschränken, sondern muss auch vorangehende Perioden umfassen, da die Rechnungslegung im kaufmännischen Verkehr für eine Reihe von Jahren überprüfbar sein muss. Der Gesetzgeber hat gem. § 257 HGB für bestimmte, besonders wichtig erscheinende Unterlagen eine Maximalzeit von 10 Jahren vorgesehen. Andere Unterlagen brauchen nur für 6 Jahre aufbewahrt zu werden.

 

Rz. 2

Da die für die Ertragsbesteuerung relevanten Besteuerungsgrundlagen auf der Buchführung und dem Jahresabschluss basieren, stellt das Steuerrecht besondere Ansprüche an die Aufbewahrung; auf die steuerlichen Besonderheiten wird ab Rz. 49 ff. eingegangen. Zum einen ist der aufbewahrungspflichtige Personenkreis sowie der Umfang der aufbewahrungspflichtigen Unterlagen erweitert, zum anderen kann es in bestimmten Fällen zu einer Ausdehnung der Aufbewahrungsfristen kommen.

2 Aufbewahrungspflicht nach Handelsrecht

 

Rz. 3

Die handelsrechtlichen Aufbewahrungsvorschriften wenden sich an Kaufleute im Sinne des Gesetzes (Einzelkaufleute und die diesen gleichgestellten Handelsgesellschaften – Kaufleute kraft Rechtsform –). Gewerbetreibende ohne Kaufmannseigenschaft werden nicht erfasst, für sie können aber spezielle steuerrechtliche Vorschriften zur Aufbewahrung eingreifen.

2.1 Gesetzliche Grundlagen

 

Rz. 4

Im Dritten Buch (Dritter Unterabschnitt) des HGB sind in den §§ 257 bis 261 die Aufbewahrung und die Vorlage von Unterlagen der Rechnungslegung geregelt. § 257 HGB trifft die Regelungen zur Aufbewahrung und zu den Aufbewahrungsfristen. § 261 HGB bestimmt insoweit ergänzend, dass der Aufbewahrungspflichtige, der von Erleichterungen Gebrauch macht, auf seine Kosten ohne Hilfsmittel lesbare Reproduktionen der aufbewahrungspflichtigen Unterlagen zur Verfügung stellen muss.

 

Rz. 5

Sozusagen im Vorfeld der Aufbewahrung ordnet Absatz 2 des § 238 HGB (der in Abs. 1 die Buchführungspflicht statuiert) an, dass der Kaufmann verpflichtet ist, mit der Urschrift übereinstimmende Wiedergaben der abgesandten Handelsbriefe anzufertigen und "zurückzubehalten". Der Kaufmann ist daher verpflichtet, sowohl die selbst angefertigten Buchführungsaufzeichnungen als auch alle weiteren – im Sinne der Rechnungslegung beweiserheblichen – Unterlagen, als Abschrift (Kopie) aufzubewahren. Die Bestimmungen der §§ 238 Abs. 2 und 257 HGB sind also im Zusammenhang zu sehen.

 

Rz. 6

Zentrale Vorschrift ist § 257 HGB. Demzufolge ist die Aufbewahrung eine öffentlich-rechtliche Verpflichtung, sie kann nicht durch Vertrag abbedungen werden und endet nicht mit der Veräußerung/Beendigung des kaufmännischen Unternehmens, sondern erst mit Ablauf der gesetzlichen Aufbewahrungsfristen.

2.2 Aufbewahrungspflichtige Personen

 

Rz. 7

Aufbewahrungspflichtig nach § 257 HGB ist jeder Kaufmann. Handelsrechtlich fallen unter den Begriff des Kaufmanns zunächst die Istkaufleute. Dies sind alle Gewerbetreibenden, deren Unternehmen einen nach Art und Umfang in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb erfordert.[1] Auch Kannkaufleute, also Gewerbetreibende, deren Unternehmen keinen nach Art und Umfang in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb erfordert, deren Firma aber trotzdem im Handelsregister eingetragen ist[2], fallen darunter. Land- und forstwirtschaftliche Betriebe zählen unabhängig von Art und Umfang ihres Unternehmens nicht als Istkaufmann. Sie können jedoch durch freiwillige Eintragung ins Handelsregister (konstitutiv) zum Kaufmann werden, wenn das Unternehmen einen nach Art und Umfang in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb erfordert.[3] Personenhandelsgesellschaften sowie eingetragene Kaufleute gelten bei Vorliegen der o. g. Voraussetzungen ebenfalls als Ist- bzw. Kannkaufleute.[4] Kapitalgesellschaften sind bereits aufgrund ihrer Rechtsform Kaufleute (sog. Formkaufleute). Bei Einzelunternehmen ist der Inhaber aufbewahrungspflichtig, bei der OHG jeder Teilhaber, bei der KG die persönlich haftenden Gesellschafter und die zur Geschäftsführung berufenen Gesellschafter, bei der AG der Vorstand, bei der GmbH jeder (einzelne) Geschäftsführer und bei der atypischen stillen Gesellschaft allein der Inhaber des Handelsgeschäfts.[5]

[1] Vgl. § 1 HGB.
[2] Vgl. § 2 HGB.
[3] Vgl. § 3 HGB.
[4] Vgl. § 6 HGB.

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