Mittelpunkt bei mehreren Tätigkeiten: Übt jemand mehrere betriebliche oder berufliche Tätigkeiten nebeneinander aus oder umfasst eine berufliche oder betriebliche Tätigkeit mehrere unterschiedliche Aufgabenbereiche, bildet das Arbeitszimmer nur dann den Mittelpunkt der gesamten betrieblichen und beruflichen Tätigkeit, wenn sich der Mittelpunkt jeder einzelnen betrieblichen oder beruflichen Tätigkeit oder jedes einzelnen Aufgabenbereichs im Arbeitszimmer befindet. Bei dieser Betrachtung sind nur solche Einkünfte einzubeziehen, bei denen ein Tätigwerden im Arbeitszimmer erforderlich ist, sodass Versorgungsbezüge außer Betracht bleiben.

Werden mehrere betriebliche und berufliche Tätigkeiten nebeneinander ausgeübt, ist nach dem BMF-Schreiben[1] nicht auf die jeweilige Tätigkeit abzustellen. Vielmehr müssen bei der Beurteilung alle Tätigkeiten einbezogen werden. Dabei ist zwischen folgenden Fallgruppen zu unterscheiden:

  • Haben alle Erwerbstätigkeiten, die der Steuerpflichtige ausübt, ihren qualitativen Schwerpunkt im häuslichen Arbeitszimmer, so liegt dort auch der Mittelpunkt der Gesamttätigkeit.
  • Bilden aber die außerhäuslichen Tätigkeiten (jeweils) den qualitativen Schwerpunkt der Einzeltätigkeiten oder lassen sich diese keinem Schwerpunkt zuordnen, so kann das häusliche Arbeitszimmer auch nicht durch die Summe der darin verrichteten Arbeiten zum Mittelpunkt der Gesamttätigkeit werden.
  • Bildet das häusliche Arbeitszimmer den qualitativen Mittelpunkt lediglich einer Einzeltätigkeit, nicht jedoch im Hinblick auf die übrigen Tätigkeiten, ist regelmäßig davon auszugehen, dass das Arbeitszimmer nicht den Mittelpunkt der Gesamttätigkeit bildet.

    • Der Steuerpflichtige hat jedoch die Möglichkeit, anhand konkreter Umstände des Einzelfalls glaubhaft zu machen oder nachzuweisen, dass die Gesamttätigkeit gleichwohl einem einzelnen qualitativen Schwerpunkt zugeordnet werden kann und dass dieser im häuslichen Arbeitszimmer liegt.
    • Abzustellen ist dabei auf das Gesamtbild der Verhältnisse und auf die Verkehrsanschauung, nicht auf die Vorstellung des betroffenen Steuerpflichtigen.

Der unbegrenzte Abzug der Aufwendungen scheidet daher regelmäßig aus, wenn der Unternehmer neben einer Haupttätigkeit mit Mittelpunkt im häuslichen Arbeitszimmer eine weitere Tätigkeit oder einen weiteren Aufgabenbereich mit anderweitigem Mittelpunkt wahrnimmt. Das gilt nicht, wenn alle weiteren Tätigkeiten mit anderweitigem Mittelpunkt zusammen von völlig untergeordneter Bedeutung sind. Das häusliche Arbeitszimmer und der Außendienst können nicht gleichermaßen Mittelpunkt der beruflichen Betätigung sein.[2]

Beispiele, in denen das häusliche Arbeitszimmer Mittelpunkt der gesamten betrieblichen und beruflichen Betätigung bilden kann:

  • Bei einem Verkaufsleiter, der zur Überwachung von Mitarbeitern und zur Betreuung von Großkunden auch im Außendienst tätig ist, kann das häusliche Arbeitszimmer Tätigkeitsmittelpunkt sein, wenn er dort die für den Beruf wesentlichen Leistungen (z. B. Organisation der Betriebsabläufe) erbringt.[3]
  • Bei einem Ingenieur, dessen Tätigkeit durch die Erarbeitung theoretischer, komplexer Problemlösungen im häuslichen Arbeitszimmer geprägt ist, kann dieses auch dann der Mittelpunkt der beruflichen Betätigung sein, wenn die Betreuung von Kunden im Außendienst ebenfalls zu seinen Aufgaben gehört.[4]
  • Bei einem Praxis-Consultant, der ärztliche Praxen in betriebswirtschaftlichen Fragen berät, betreut und unterstützt, kann das häusliche Arbeitszimmer auch dann den Mittelpunkt der gesamten beruflichen Tätigkeit bilden, wenn er einen nicht unerheblichen Teil seiner Arbeitszeit im Außendienst verbringt.[5]

Beispiele, in denen das Arbeitszimmer nicht den Mittelpunkt der gesamten betrieblichen und beruflichen Betätigung bildet:

  • Bei einem – freien oder angestellten – Handelsvertreter liegt der Tätigkeitsschwerpunkt außerhalb des häuslichen Arbeitszimmers, wenn die Tätigkeit durch die Arbeit im Außendienst geprägt ist, auch wenn die zu Hause verrichteten Tätigkeiten zur Erfüllung der beruflichen Aufgaben unerlässlich sind.[6]
  • Ein kaufmännischer Angestellter eines Industrieunternehmens ist nebenbei als Mitarbeiter für einen Lohnsteuerhilfeverein selbstständig tätig und nutzt für letztere Tätigkeit sein häusliches Arbeitszimmer als "Beratungsstelle", in dem er Steuererklärungen erstellt, Beratungsgespräche führt und Rechtsbehelfe bearbeitet. Für diese Nebentätigkeit ist das Arbeitszimmer zwar der Tätigkeitsmittelpunkt. Wegen der erforderlichen Gesamtbetrachtung ist das Arbeitszimmer jedoch nicht Mittelpunkt seiner gesamten betrieblichen und beruflichen Betätigung.[7]
  • Bei einer Ärztin, die Gutachten über die Einstufung der Pflegebedürftigkeit erstellt und dazu ihre Patienten ausschließlich außerhalb des häuslichen Arbeitszimmers untersucht und dort (vor Ort) alle erforderlichen Befunde erhebt, liegt der qualitative Schwerpunkt nicht im häuslichen Arbeitszimmer, in welchem sie lediglich die begleitenden Aufgaben ihrer Tätigkeit erledigt.[8]
  • Bei einem Archit...

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