Leitsatz

Bei einem Hochschuldozenten mit freiberuflichen Nebentätigkeiten kann sich der Mittelpunkt der Gesamttätigkeit im häuslichen Arbeitszimmer befinden, wenn ihm in der Hochschule kein Dienstzimmer zur Verfügung steht.

 

Sachverhalt

Die Steuerpflichtige war im Streitjahr 2004 als Professorin hauptamtlich in der eigenständigen Lehr- und Forschungseinheit "Verbundstudium BWL mit Studienrichtung Wirtschaftsrecht" im Fachbereich Wirtschaft einer Fachhochschule tätig. Ihr Lehrdeputat erbrachte sie ausschließlich in diesem berufsbegleitenden Verbundstudiengang, bei dem es sich um ein Fernstudium handelte. Die wöchentlichen Lehrverpflichtungen deckte die Steuerpflichtige durch die Erstellung von Studienbriefen (12 Stunden) sowie durch Präsenzveranstaltungen in Form von Übungen und Seminaren (6 Stunden) ab. Ihren Arbeitsplatz in der Hochschule konnte sie aufgrund anderweitiger Belegung nicht nutzen. Im Rahmen ihrer selbstständigen Tätigkeit war sie als Buchautorin sowie als Referentin tätig. Die Aufwendungen für ihr häusliches Arbeitszimmer machte sie in Höhe von 11. 643 EUR geltend. Dagegen berücksichtigte das Finanzamt lediglich 1.250 EUR, da es das häusliche Arbeitszimmer nicht als Mittelpunkt der Gesamttätigkeit ansah.

 

Entscheidung

Das FG gab der Steuerpflichtigen Recht und entschied, dass der Mittelpunkt der Haupttätigkeit der Steuerpflichtigen im häuslichen Arbeitszimmer gelegen habe. Haupttätigkeit sei die Tätigkeit als Professorin, die sie in wesentlichen Teilen im häuslichen Arbeitszimmer ausgeübt habe. Denn die Steuerpflichtige konnte ihren Arbeitsplatz in der Hochschule nicht nutzen, da dieser wissenschaftlichen Mitarbeitern und studentischen Hilfskräften zur Verfügung gestellt worden war. Die Arbeiten, die im Rahmen der Lehr- und Forschungstätigkeit am Schreibtisch anfielen, erledigte die Steuerpflichtige daher im häuslichen Arbeitszimmer. Außerdem war zu berücksichtigen, dass 2/3 der Lehrverpflichtung aufgrund des Fernstudiums durch im Arbeitszimmer erstellte Studienbriefe abgedeckt wurde. Die schriftstellerische Tätigkeit wurde unstreitig fast ausschließlich im häuslichen Arbeitszimmer ausgeübt. Bezüglich der Referententätigkeit lag der Mittelpunkt zwar nicht im Arbeitszimmer, gleichwohl ordnete das FG die Gesamttätigkeit dem qualifizierten Schwerpunkt der Professorentätigkeit zu. Denn sie stellte im Vergleich zum Hauptberuf eine Nebenbeschäftigung dar, die die wesentlich prägenden Elemente des Hauptberufs nicht verdrängen konnte.

 

Hinweis

Bei der Wertung der steuerpflichtigenfreundlichen Entscheidung sind die Besonderheiten des Sachverhalts zu berücksichtigen, die darin bestanden, dass der Steuerpflichtigen in der Hochschule kein Dienstzimmer zur Verfügung stand und sie somit das häusliche Arbeitszimmer in größerem Umfang nutzen musste. Außerdem erledigte sie 2/3 ihrer Lehrverpflichtung durch die Erstellung von Studienbriefen ebenfalls im häuslichen Arbeitszimmer. Im "Normalfall" bleibt jedoch auch weiterhin die Hochschule Mittelpunkt der Gesamttätigkeit eines Professors, weshalb ein Abzug von Arbeitszimmerkosten - sofern ihm dort ein Arbeitsplatz zur Verfügung steht - gänzlich ausgeschlossen ist.

 

Link zur Entscheidung

FG Münster, Urteil vom 05.07.2010, 15 K 4254/06 E,Ki

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