Rz. 31

Nach § 266 Abs. 3 C. 3. HGB sind erhaltene Anzahlungen auf Bestellungen grundsätzlich unter den Verbindlichkeiten auf der Passivseite auszuweisen. Der Zusatz "auf Bestellungen" soll verdeutlichen, dass sich die erhaltenen Anzahlungen nur auf solche zu erbringenden Lieferungen und Leistungen beziehen, die aus der eigentlichen Unternehmenstätigkeit resultieren und in der Gewinn- und Verlustrechnung zu einem Ausweis unter den Umsatzerlösen führen.[1] Andere erhaltene Anzahlungen (z. B. auf den Erlös eines zu veräußernden Anlagegutes) sind unter den sonstigen Verbindlichkeiten auszuweisen.

 

Rz. 32

Des Weiteren kann dem Zusatz "auf Bestellungen" nicht entnommen werden, dass erhaltene Anzahlungen nur vorliegen, wenn der Vertrag zivilrechtlich wirksam zustande gekommen ist.[2] Ist jedoch weder ein Vorvertrag abgeschlossen noch ein bindendes Vertragsangebot abgegeben worden, mit dessen Annahme ernsthaft zu rechnen ist, kann noch nicht von einem schwebenden Geschäft ausgegangen werden. In diesem Fall erfolgt der Ausweis der erhaltenen Anzahlung unter den sonstigen Verbindlichkeiten.

 

Rz. 33

Aufgrund des in § 246 Abs. 2 HGB verankerten Saldierungsverbots ist grundsätzlich eine Saldierung mit solchen Vorräten nicht zulässig, die für den Auftrag, für den die Anzahlung geleistet wurde, angeschafft oder hergestellt wurden. Nach § 268 Abs. 5 Satz 2 HGB besteht aber das Wahlrecht, Anzahlungen auf Vorräte von dem Posten "Vorräte" (d. h. von der Summe der Posten in § 266 Abs. 2 B I 1 bis 4 HGB) auf der Aktivseite offen abzusetzen.

 

Rz. 34

Kleine Kapitalgesellschaften sowie Kapitalgesellschaften & Co. können gemäß § 266 Abs. 1 Satz 3 HGB erhaltene Anzahlungen mit den übrigen Posten i. S. von § 266 Abs. 3 C 1 bis 8 HGB zusammenfassen; sofern jedoch die erhaltenen Anzahlungen von den Vorräten abgesetzt werden sollen, muss dies stets "offen" geschehen.[3]

 

Rz. 35

Nach § 266 Abs. 1 Satz 4 HGB brauchen Kleinstkapitalgesellschaften (§ 267a HGB) nur eine verkürzte Bilanz aufzustellen, in die nur die in den § 266 Abs. 2 und Abs. 3 HGB mit Buchstaben bezeichneten Posten gesondert und in der vorgeschriebenen Reihenfolge aufgenommen werden.

 

Rz. 36

In der Bilanzierungspraxis sind mehrere Fälle bekannt, in denen die offene Absetzung der erhaltenen Anzahlungen von den Vorräten dazu führte, dass in der Endspalte der Bilanz überhaupt keine Vorräte mehr ausgewiesen wurden.

Der Vorschrift des § 268 Abs. 5 Satz 2 HGB liegt der Gedanke zugrunde, dass Anzahlungen, die für die Beschaffung von Rohstoffen geleistet oder die entsprechend dem Baufortschritt gezahlt sind, direkt von dem entsprechenden Aktivposten abgesetzt werden können, um die Bilanzrelationen entsprechend korrigiert auszuweisen.[4]

 

Rz. 37

Die offene Absetzung bei den Vorräten führt dazu, dass die Bilanzsumme verringert wird, womit u. U. die Zuordnung zu einer der 3 Größenklassen in § 267 HGB beeinflusst werden kann.[5] Gleichzeitig kann mit der gewählten Ausweistechnik ein erheblicher Einfluss auf Bilanzkennzahlen im Rahmen der Bilanzanalyse ausgeübt werden.

 

Rz. 38

Voraussetzung für das Ausweiswahlrecht ist, dass es sich um Anzahlungen auf Vorräte handelt. Ein direkter Bezug zwischen Anzahlung und einzelnen Posten des Vorratsvermögens ist abzulehnen.[6] Auch wenn noch keine dem einzelnen Auftrag zurechenbaren Vermögensgegenstände angeschafft oder hergestellt worden sind, kann die hierfür erhaltene Anzahlung offen vom Vorratsvermögen abgesetzt werden. Die offene Absetzung darf jedoch nicht dazu führen, dass die Summe des Vorratsvermögens negativ wird.[7]

 

Rz. 39

Wurden für einen Auftrag erhaltene Anzahlungen an Subunternehmer weitergeleitet, ist es zulässig, die erhaltenen Anzahlungen ebenfalls von dem die geleisteten Anzahlungen umfassenden Posten "Vorräte" offen abzusetzen.

[1] Vgl. Adler/Düring/Schmaltz, Rechnungslegung und Prüfung der Unternehmen, 6. Aufl. 1995–2000, § 266 HGB Rz. 223.
[2] Vgl. Schubert, in Beck'scher Bilanz-Kommentar, 12. Aufl. 2020, § 266 HGB Rz. 224.
[3] Vgl. Grottel/Waubke, in Beck'scher Bilanz-Kommentar, 12. Aufl. 2020, § 268 Rz. 40.
[4] Vgl. Schubert, in Beck'scher Bilanz-Kommentar, 12. Aufl. 2020, § 266 HGB Rz. 225.
[5] Vgl. IDW, WPH Edition Wirtschaftsprüfung und Rechnungslegung, 16. Aufl. 2019, Kapitel F Tz. 402.
[6] Vgl. Schubert, in Beck'scher Bilanz-Kommentar, 12. Aufl. 2020, § 266 HGB Rz. 225; Adler/Düring/Schmaltz, Rechnungslegung und Prüfung der Unternehmen, 6. Aufl. 1995–2000, § 266 HGB Rz. 9.
[7] Vgl. IDW, WPH Edition Wirtschaftsprüfung und Rechnungslegung, 16. Aufl. 2019, Kapitel F Tz. 403.

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