Leitsatz

Werden bei der Anteilsveräußerung i.S.v. § 17 EStG veräußerungsbedingte Einnahmen (Veräußerungspreis) erzielt, sind Halbeinkünfteverfahren (§ 3 Nr. 40 S. 1 Buchst. c EStG) und Halbabzugsverbot (§ 3c Abs. 2 EStG) auch im Verlustfall anzuwenden.

 

Normenkette

§ 3 Nr. 40 S. 1 Buchst. c, § 3c Abs. 2, § 17 EStG

 

Sachverhalt

K war mit Herrn L Gesellschafter der mit Gesellschaftsvertrag vom 17.10.2000 gegründeten GmbH. Seit dem 01.10.2001 war er alleiniger Gesellschafter. Von dem Stammkapital i.H.v. 25 000 EUR war lt. Jahresabschluss zum 31.12.2001 die Hälfte eingezahlt. Die GmbH erwirtschaftete 2000 einen Verlust i.H.v. 15 715,84 DM und 2001 i.H.v. 48 466,69 DM, wobei sich der nicht durch Eigenkapital gedeckte Fehlbetrag auf 15 286,78 DM belief. Angesichts ihrer schwierigen wirtschaftlichen Lage stellte K der GmbH mit Vertrag vom 20.10.2000 einen Darlehensrahmen zur Sicherung der Liquidität i.H.v. 150 000 DM zur Verfügung. Am 06.05.2002 verkaufte K seinen Gesellschaftsanteil zu einem Kaufpreis i.H.v. 2 x 5 112,92 EUR (= 10 225,84 EUR). Zudem ­ver­zichtete er auf die Rückzahlung seiner Forderungen aus dem Darlehen gegenüber der GmbH i.H.v. 65 978,97 EUR.

Bei der ESt-Festsetzung für das Streitjahr (2002) setzte das FA die Einkünfte des Klägers aus Gewerbebetrieb mit – 33 408 EUR an. Nach Erhebung der Klage, mit der der Kläger die volle Berücksichtigung seines Veräußerungsverlusts begehrte, änderte das FA den ESt-Bescheid erneut und ermittelte darin die Einkünfte aus Gewerbebetrieb mit – 33 558 EUR, indem es der Hälfte des Veräußerungserlöses die Hälfte der Anschaffungskosten und dem Forderungsverzicht gegenüber stellte und dieses Ergebnis zu ½ der Besteuerung unterwarf. Das FG erhöhte den Verlust geringfügig. Es zog vom halben Veräußerungserlös nur ½ der Anschaffungskosten und die Hälfte des Forderungsverzichts ab, sodass sich ein Verlust von 34 126,57 EUR ergab (Sächsisches FG, Urteil vom 08.07.2010, 2 K 1052/06, Haufe-Index 2374628).

 

Entscheidung

Dies war die richtige Lösung, so der BFH, und wies die Revision des K als unbegründet zurück.

 

Hinweis

1. Mit dieser Entscheidung entwickelt der BFH seine im Urteil vom 27.10.2005, IX R 15/05 (BFH/NV 2006, 191, BFH/PR 2006, 62) begonnene Linie fort und setzte sich – wohl abschließend – auch mit der verfassungsrechtlichen Problematik auseinander.

2. Die Entscheidung betrifft die Fälle, in denen der Steuerpflichtige zwar veräußerungsbedingte Einnahmen erzielt, aber letztlich nur einen Verlust erleidet. Hier ist das Halb- oder Teilabzugsverbot des § 3c Abs. 2 EStG anwendbar, wie sich aus dem Urteil IX R 61/10 (BFH/NV 2011, 1575, BFH/PR 2011, 366) ergibt.

Entstehen hieraus verfassungsrechtliche Zweifel? Wohl nicht: Soweit das Halbeinkünfteverfahren (§ 3 Nr. 40 EStG) eingreift, hat der BFH dessen typisierende Verknüpfung mit dem Halbabzugsverbot (§ 3c Abs. 2 EStG) für verfassungsgemäß erachtet (BFH, Urteil vom 19.06.2007, VIII R 69/05, BFH/NV 2007, 2173, BFH/PR 2007, 449), und zwar auch mit Blick auf die systematische Grundentscheidung des Halbeinkünfteverfahrens, Veräußerungsvorgänge den laufenden Gewinnausschüttungen gleichzustellen.

3. Danach bleibt für eine – ggf. verfassungskonforme – Einschränkung des Halbabzugsverbots bei Verlusten in der Weise, dass die Anschaffungs- und Veräußerungskosten der jeweiligen Anteile voll berücksichtigt werden, soweit sie den Veräußerungs‐/Auflösungserlös übersteigen (vgl. z.B. Förster, GmbHR 2010, 1009, 1013 f.), kein Raum (vgl. auch BFH, Urteil vom 27.10.2005, IX R 15/05, BFH/NV 2006, 191, BFH/PR 2006, 62). Der Gesetzeszweck, Doppelbegünstigungen auszuschließen, ist im eindeutigen Gesetzeswortlaut insoweit lediglich typisierend umgesetzt worden. Der Umstand, dass der Steuerpflichtige die zum Verlust führenden Aufwendungen in voller Höhe getragen hat, rechtfertigt danach keine volle Berücksichtigung der tatsächlichen Aufwendungen, da diese nach § 3c Abs. 2 EStG lediglich in typisierender Weise – hälftig – anzusetzen sind. Dass dies einen "Fallbeileffekt" (Förster, a.a.O.) bei nur geringen Einnahmen nach sich zieht, ist von der vom BFH als verfassungsgemäß erachteten gesetzlichen Typisierung umfasst (vgl. auch Bron/Seidel, DStZ 2009, 859, 862; Kaufmann/Stolte, FR 2009, 1121, 1124 f.; Jehke/Pitzal, DStR 2010, 256 und 1163; Ott, StuB 2010, 251, 253; Gragert/Wißborn, NWB 2010, 1328, 1329; Dötsch/Pung, DB 2010, 977 ff.; Dötsch/Pung in Dötsch/Jost/Pung/Witt, § 3c EStG Rz. 49a; Naujok, BB 2009, 2128). Danach sind Halbeinkünfteverfahren und Halbabzugsverbot auch dann anzuwenden, wenn der Steuerpflichtige wegen geringer Veräußerungseinnahmen im Ergebnis lediglich einen Verlust erwirtschaftet hat.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 06.04.2011 – IX R 40/10

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