BMF, 29.3.2021, IV A 3 - S 0304/19/10006 :010/IV B 1 - S 1317/19/10058 :011

Durch das Gesetz zur Einführung einer Pflicht zur Mitteilung grenzüberschreitender Steuergestaltungen vom 21. Dezember 2019 (BGBl 2019 I S. 2875) wurde die Richtlinie (EU) 2018/822 vom 25. Mai 2018, ABl. L 139 vom 5. Juni 2018 S. 1, zur Änderung der EU-Amtshilferichtlinie in nationales Recht umgesetzt.

Für die Anwendung der mit diesem Gesetz eingeführten und geänderten Vorschriften gilt im Einvernehmen mit den obersten Finanzbehörden der Länder Folgendes:

 

I. Sachlicher und persönlicher Anwendungsbereich der Mitteilungspflicht

 

1. Allgemeines

1

Die Richtlinie (EU) 2018/822 sieht vor, dass die Mitgliedstaaten der Europäischen Union (EU-Mitgliedstaaten) bis zum 31. Dezember 2019 eine Pflicht zur Mitteilung grenzüberschreitender Steuergestaltungen sowie einen diesbezüglichen zwischenstaatlichen Informationsaustausch einführen müssen. Die Richtlinie (EU) 2018/822 ist ab dem 1. Juli 2020 anzuwenden. Danach sind auch solche Fälle mitzuteilen, bei denen der erste Schritt der Umsetzung nach dem 24. Juni 2018 erfolgt ist.

2

Deutschland hat zu diesem Zweck mit dem Gesetz zur Einführung einer Pflicht zur Mitteilung grenzüberschreitender Steuergestaltungen vom 21. Dezember 2019, BGBl 2019 I S. 2875, die Abgabenordnung (AO), das Einführungsgesetz zur Abgabenordnung (EGAO), das EU-Amtshilfegesetz (EUAHiG) und das Finanzverwaltungsgesetz (FVG) mit Wirkung ab dem 1. Januar 2020 ergänzt und geändert.

3

Ziel der Richtlinie (EU) 2018/822 und der sie umsetzenden nationalen Rechtsvorschriften ist zum einen, die nationalen Gesetzgeber in die Lage zu versetzen, im Interesse einer gerechten Besteuerung im Binnenmarkt auf unerwünschte Steuergestaltungen früher als bisher reagieren zu können (rechtspolitische Auswertung). Zum anderen sollen die Finanzverwaltungen der EU-Mitgliedstaaten die mit den Mitteilungen erlangten Informationen im Veranlagungsverfahren der Nutzer grenzüberschreitender Steuergestaltungen verwenden können, sei es durch allgemeine Verwaltungsanweisungen oder durch individuelle Ermittlungsmaßnahmen bei den Nutzern (veranlagungsunterstützende Auswertung).

4

Auf das mit der Entgegennahme und Auswertung der Mitteilungen über grenzüberschreitende Steuergestaltungen verbundene Verwaltungsverfahren sind ungeachtet der vorgenannten dualen Zweckbestimmung einheitlich die Vorschriften der AO, insbesondere die §§ 2a, 29b, 29c, 30, 87b, 87d, 93 und 97 AO, unmittelbar anwendbar (vgl. § 138j Abs. 5 AO).

5

 

 

2. Sachliche Voraussetzungen der Mitteilungspflicht (§ 138d AO)

 

2.1 Überblick

6

Bei der Prüfung, ob eine Mitteilungspflicht nach den §§ 138d138k AO besteht, ist folgendermaßen vorzugehen:

 

2.2 Steuern, auf die das EU-Amtshilfegesetz Anwendung findet

7

Die §§ 138d138k AO sowie die Regelungen des EUAHiG sind auf alle Steuern anzuwenden, die von einem oder für einen EU-Mitgliedstaat bzw. von oder für gebiets- oder verwaltungsmäßige Gliederungseinheiten eines EU-Mitgliedstaats, einschließlich der lokalen Behörden, erhoben werden. Die Kirchensteuer fällt auch im Falle einer Verwaltung durch die staatlichen Behörden nicht unter diese Regelungen. Die Regelungen gelten daneben entsprechend § 1 Abs. 2 EUAHiG nicht für

  • die Umsatzsteuer, einschließlich der Einfuhrumsatzsteuer,
  • Zölle,
  • harmonisierte Verbrauchsteuern, sofern diese in Art. 1 Abs. 1 der Richtlinie 2008/118/EG des Rates vom 16. Dezember 2008 über das allgemeine Verbrauchsteuersystem und zur Aufhebung der Richtlinie 92/12/EWG (ABl. L 9 vom 14.1.2009, S. 12), die zuletzt durch die Richtlinie 2010/12/EU (ABl. L 50 vom 27.2.2010, S. 1) geändert worden ist, in der jeweils geltenden Fassung genannt werden,
  • Beiträge und Umlagen sowie damit verbundene Abgaben und Gebühren nach dem Sozialgesetzbuch, den in § 68 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch (SGB I) genannten Gesetzen, dem Aufwendungsausgleichsgesetz und
  • Gebühren.

8

In den Anwendungsbereich der §§ 138d138k AO sowie des EUAHiG fallen damit insbesondere die

  • Einkommensteuer,
  • Körperschaftsteuer,
  • Gewerbesteuer,
  • Grunderwerbsteuer,
  • Kraftfahrzeugsteuer,
  • Versicherungsteuer,
  • Grundsteuer,
  • Erbschaft- und Schenkungsteuer,
  • Luftverkehrsteuer und
  • nicht-harmonisierten Verbrauchsteuern (z.B. Kaffeesteuer).

Erfasst sind auch Steuern anderer Mitgliedstaaten, die in den Anwendungsbereich der EU-Amtshilferichtlinie fallen.

 

2.3 Steuergestaltung

9

Bei einer Steuergestaltung handelt es sich um einen bewussten, das (reale und/oder rechtliche) Geschehen mit steuerlicher Bedeutung verändernden Schaffensprozess durch Transaktionen, Regelungen, Handlungen, Vorgänge, Vereinbarungen, Zusagen, Verpflichtungen oder ähnliche Ereignisse. Durch den Nutzer oder für den Nutzer wird dabei eine bestimmte Struktur, ein bestimmter Prozess oder eine bestimmte Situation bewusst und aktiv herbeigeführt oder verändert. Diese Struktur, dieser Prozess oder diese Situation bekommt dadurch eine steuerrechtliche Bedeutung, die ansonsten nicht eintreten würde. Eine Steuergestaltung liegt nicht vor, wenn...

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