Leitsatz

1. Das pauschale Betriebsausgaben-Abzugsverbot des § 8b Abs. 7 KStG 1999 (i.d.F. des StBereinG 1999) verstößt gegen die unionsrechtliche Grundfreiheit des freien Kapitalverkehrs nach Art. 56 EG (jetzt Art. 63 AEUV) und bleibt deswegen auch bei Drittstaatenbeteiligungen unanwendbar.

2. § 8b Abs. 7 KStG 1999 (i.d.F. des StBereinG 1999) verlangt – i.V.m. Art. 23 Abs. 1 Buchst. a Satz 1 und 3 DBA-Indien 1995 als maßgebende Bezugsnorm – eine unmittelbare Beteiligung an einer in Indien ansässigen Gesellschaft von mindestens 10 v.H. der stimmberechtigten Anteile und damit eine Mindestbeteiligung, welche bei typisierender Betrachtung nicht geeignet ist, nach der Spruchpraxis des EuGH "einen sicheren Einfluss auf die Entscheidungen der Beteiligungsgesellschaft zu ermöglichen" (entgegen Senatsurteile vom 6. März 2013, I R 10/11, BFHE 241, 157, BStBl II 2013, 707, und vom 29. August 2012, I R 7/12, BFHE 239, 45, BStBl II 2013, 89).

 

Normenkette

§ 8b Abs. 7 und Abs. 5 KStG 1999 i.d.F. des StBereinG 1999, § 34 Abs. 1a KStG 1999 i.d.F. des StSenkG, Art. 10 Abs. 3, Art. 23 Abs. 1 Buchst. a Sätze 1 und 3 DBA-Indien 1995, Art. 43, Art. 56 EG, Art. 49, Art. 63 AEUV, Art. 4 Abs. 2 EWGRL 435/90 (= Mutter-Tocher-Richtlinie)

 

Sachverhalt

Die Klägerin, eine inländische GmbH, war im Streitjahr 2001 an einer indischen Kapitalgesellschaft mit 25,17 % beteiligt. Von dieser erhielt die Klägerin eine Bruttodividende von rund 1,9 Mio. DM, die das FA aufgrund des DBA-Indien steuerfrei stellte. Allerdings berücksichtigte es 5 % der Bruttodividende gemäß § 8b Abs. 7 KStG a.F. als nicht abzugsfähige Betriebsausgaben.

Das FG (FG München, Urteil vom 19.9.2016, 7 K 1118/16, Haufe-Index 9923778, EFG 2016, 1991) gab der dagegen gerichteten Klage statt.

 

Entscheidung

Der BFH wies die Revision des FA als unbegründet ab. Zwar sehe § 8b Abs. 7 KStG a.F. den Ansatz fikti­ver nichtabziehbarer Betriebsausgaben vor, doch verstoße diese Regelung gegen die unionsrechtlich verbürgte Grundfreiheit des freien Kapitalverkehrs.

 

Hinweis

1. Mit dem Besprechungsurteil hat der BFH seine Rechtsprechung geändert. Kenner der Materie dürfte dies allerdings nicht überrascht haben, weil der bisher vom BFH eingenommene Rechtsstandpunkt aufgrund der jüngeren EuGH-Rechtsprechung nicht mehr haltbar war. Dass die Entscheidung des BFH zu einer ausgelaufenen Regelung des KStG ergangen ist, nimmt ihr nicht die Bedeutung. Denn der geänderte Rechtsstandpunkt betrifft das Unionsrecht und wird auch künftig zu beachten sein.

2. Der Rechtsstreit betrifft die Frage, ob bei Dividenden, die eine inländische Körperschaft aus ihrer Beteiligung an einer Drittstaatengesellschaft bezogen hat, 5 % als nicht abziehbare Betriebsausgaben anzusetzen sind, womit im wirtschaftlichen Ergebnis lediglich 95 % der Gewinnausschüttung steuerfrei gestellt werden. § 8b Abs. 7 KStG a.F. sah u.a. bei aufgrund des DBA-Schachtelprivilegs freigestellten Dividenden ein solches pauschales Betriebsausgabenabzugsverbot vor. Allerdings griff es nur im Falle einer Auslandsbeteiligung ein. Ausschüttungen deutscher Gesellschaften blieben dagegen vollständig steuerfrei. Da der BFH bei EU-Auslandsbeteiligungen bereits geklärt hatte, dass das Abzugsverbot wegen Verletzung der Niederlassungsfreiheit nicht zum Tragen kommt, waren – so wie im Streitfall mit Indien – vor allem Drittstaatenbeteiligungen betroffen (vgl. z.B. BFH, Urteil 29.8.2012, I R 7/12, BFH/NV 2013, 158).

3. Bei einer Diskriminierung der Drittstaatenbeteiligung erhebt sich die Frage nach deren Rechtfertigung. Der deutsche Gesetzgeber hatte das 5 %ige Betriebsausgabenabzugsverbot wohl der Mutter-Tochter-Richtlinie entnommen. Das erklärt die Herkunft, rechtfertigt aber noch nicht den Umstand, warum in dem einen Fall nicht abziehbarer Beteiligungsaufwand fingiert wird, im anderen Fall aber nicht, obwohl doch die Verhältnisse in diesem Punkt bei Inlandsbeteiligungen nicht anders liegen als bei Drittstaatenbe­teiligungen. Da die Mutter-Tochter-Richtlinie als ­sekundäres Unionsrecht nicht als abschließende Harmonisierungsmaßnahme zu qualifizieren war, führte kein Weg daran vorbei, die Ungleichbehandlung am Maßstab des primären Unionsrechts, also vorliegend der Grundfreiheiten, zu prüfen.

4. Eine nationale Regelung wie § 8b Abs. 7 KStG a.F. kann unionsrechtlich z.B. dann noch "gerettet" werden, wenn der Drittstaatenbeteiligungsfall dem Anwendungsbereich einer Schutz gewährenden Grundfreiheit von vornherein entzogen wird. Dazu kommt es, wenn die nationale Regelung unionsrechtlich am Maßstab der Niederlassungsfreiheit zu messen ist. Sie gewährt nämlich bei Drittstaatenbeteiligungen keinen Schutz, gleichzeitig wird aber auch die Anwendbarkeit der sich auf Drittstaatensachverhalte erstreckenden Kapitalverkehrsfreiheit"gesperrt".

5. Ob die "sperrende" Niederlassungsfreiheit oder die Kapitalverkehrsfreiheit einschlägig ist, bestimmt sich nach ständiger Rechtsprechung nach dem Gegenstand der betreffenden nationalen Regelung. Vereinfacht gesagt gilt Folgendes: Greift diese nur ...

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