Leitsatz

Liegt keine der in § 1 Abs. 1 Satz 1 StraBEG bezeichneten Taten und keine Steuerordnungswidrigkeit i.S. des § 6 StraBEG vor, kann der vermeintliche Steuerschuldner die Aufhebung einer mit der Abgabe der strafbefreienden Erklärung bewirkten Steuerfestsetzung nach § 10 Abs. 3 Satz 1 StraBEG beantragen.

 

Normenkette

§ 10 Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 Satz 1 StraBEG

 

Sachverhalt

Die Mutter der Klägerin, die K, errichtete im Juli 2000 eine Familienstiftung in Liechtenstein. Sie stattete die Stiftung mit einem Kapital von ca. 38 TDM aus. Darüber hinaus übertrug sie weitere ca. 2 Mio. DM aus eigenen Mitteln auf die Stiftung. Nach den getroffenen Feststellungen konnte die liechtensteinische Stiftung über das Stiftungsvermögen im Verhältnis zur K nicht tatsächlich und rechtlich frei verfügen.

Im September 2000 verstarb die K und wurde von der Klägerin sowie von M beerbt. Für die Zeit nach dem Tod der K war in den Statuten der Stiftung vorgesehen, dass neben der M die Klägerin berechtigt sein sollte. Tatsächlich kam es zur anteiligen Auszahlung des Stiftungsvermögens an die Klägerin.

Für den Erbteil der M war eine Testamentsvollstreckerin bestellt worden. Im Mai 2004 gelangte die Testamentsvollstreckerin zu der Annahme, die Vermögensübertragungen der K auf die Stiftung hätten der Schenkungsteuer unterlegen. Die Testamentsvollstreckerin gab daraufhin eine "strafbefreiende Erklärung" nach dem StraBEG ab und entrichtete einen Steuerbetrag in Höhe von ca. 50.000 EUR an das Finanzamt. Einen Antrag der Klägerin auf Rückerstattung des gezahlten Betrages lehnte das FA ab.

Im finanzgerichtlichen Verfahren (FG München, Urteil vom 19.8.2015, 4 K 1647/13, Haufe-Index 8653047, EFG 2015, 1824) beantragte die Klägerin, die Festsetzung wegen eines rückwirkenden Ereignisses (§ 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO) aufzuheben. Das FG wies die Klage als unbegründet ab. Die Vo­raussetzungen für die Änderung der sich aus der strafbefreienden Erklärung der Testamentsvollstreckerin ergebenden Festsetzung aufgrund eines rückwirkenden Ereignisses lägen im Streitfall nicht vor. Die (anteilige) Auszahlung des Stiftungsvermögens erfülle nicht den Tatbestand des § 29 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG. Denn die von K veranlasste Vermögensübertragung auf die Stiftung sei keine Schenkung gewesen, da die Stiftung über das Vermögen im Verhältnis zu K nicht habe tatsächlich und rechtlich frei verfügen können.

 

Entscheidung

Die Revision ist begründet. Das FA ist verpflichtet, die Steuerfestsetzung aufzuheben. Die Klägerin kann ihr Aufhebungsbegehren auf § 10 Abs. 3 Satz 1 StraBEG stützen.

Liegt keine der in § 1 Abs. 1 Satz 1 StraBEG bezeichneten Taten vor, kann die Aufhebung der mit der Abgabe der strafbefreienden Erklärung bewirkten Steuerfestsetzung beantragt werden. Straffreiheit tritt nämlich auch dann nicht ein, wenn es an einer der im Gesetz bezeichneten Taten fehlt. So liegt es im Streitfall, da durch die Vermögensübertragung auf die Stiftung keine Schenkungsteuer entstanden war. Wurde dennoch eine strafbefreiende Erklärung abgegeben, ist die dadurch erzeugten Steuerfestsetzung aufzuheben.

Das Recht, den Antrag nach § 10 Abs. 3 Satz 1 StraBEG zu stellen, steht auch dem vermeintlichen Steuerschuldner zu, da die strafbefreiende Erklärung rechtsgestaltende Wirkung für und gegen ihn hat. Diese Wirkung rechtfertigt es, dem Steu­erschuldner die Antragstellung zuzubilligen, ohne dass es auf die Eigenschaft als Inhaltsadressat der Steuerfestsetzung ankommt.

 

Hinweis

Der Besprechungsfall handelt von einer strafbefrei­enden Erklärung "ohne Straftat". Rechtsgrundlage der Problematik ist das Strafbefreiungserklärungsgesetz (Art. 1 des Gesetzes zur Förderung der Steuer­ehrlichkeit vom 23.12.2003, BGBl I, 2928 – StraBEG –; hierzu BMF vom 3.2.2004, IV A 4 – S 1928 – 18/04, BStBl I 2004, 225).

1. Elementares Erfordernis für die Abgabe einer strafbefreienden Erklärung nach § 1 Abs. 1 und § 6 StraBEG war, dass u.a. eine Steuerstraftat nach § 370 AO (Steuerhinterziehung) oder eine Steuerordnungswidrigkeit nach § 378 AO (leichtfertige Steuerverkürzung) vorlag.

a) Die Steuerbefreiung war zeitlich begrenzt auf die zu Unrecht nicht versteuerten Einnahmen ­der Jahre 1993 bis 2002. Um Strafbefreiung zu erlangen, musste u.a. in der Zeit vom 1.1.2004 bis 31.12.2004 eine strafbefreiende Erklärung abgegeben werden.

b) § 1 Abs. 5 StraBEG definierte die bei Verkürzung von Erbschaft- oder Schenkungsteuer in der strafbefreienden Erklärung zu berücksichtigenden Einnahmen. Maßgebend war der nicht versteuerte steuerpflichtige Erwerb im Sinne des § 10 Abs. 1 ErbStG.

c) § 2 Abs. 3 StraBEG erweiterte die Regelung zu den erklärungsberechtigten Personen des Absatzes 2 auf die Fälle, in denen Vertreter, Vermögensverwalter oder Verfügungsberechtigte eine Erklärung für Taten abgeben wollen, die ihre Vorgänger begangen hatten.

d) Die strafbefreiende Erklärung stand als Steueranmeldung im Sinne des § 150 Abs. 1 Satz 3 AO einer Steuerfestsetzung ohne Vorbehalt der Nachprüfung gleich (§ 10 Abs. 2 Satz 1 StraBEG).

Soweit nach dem StraB...

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