Leitsatz

Die Anforderungen an die Konkretisierung des Antrags auf "schlichte" Änderung i.S. des § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a AO sind nicht strenger als die Anforderungen an die Konkretisierung des Gegenstands des Klagebegehrens i.S. des § 65 Abs. 1 FGO.

 

Normenkette

§ 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a, Abs. 1 Sätze 2 und 3 Halbsatz 2 AO, § 65 Abs. 1 FGO

 

Sachverhalt

Eine GmbH, reichte für das Streitjahr (2015) keine Steuererklärungen ein. Das FA setzte Körperschaftsteuer, Umsatzsteuer und Gewerbesteuermessbetrag mit geschätzten Besteuerungsgrundlagen fest. Der nicht begründete Einspruch blieb erfolglos (Einspruchsentscheidung vom 13.9. 2017).

Am 18.10.2017 beantragte die GmbH, die Bescheide gemäß § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a AO zu ändern und die Körperschaftsteuer und den Gewerbesteuermessbetrag jeweils auf 0 EUR sowie die Umsatzsteuer auf 13.536,97 EUR herabzusetzen. Dem Änderungsantrag beigefügt waren DATEV-Berechnungen Körperschaftsteuer 2015, Umsatzsteuer 2015 und Gewerbesteuer 2015. Die Körperschaftsteuer-, Gewerbesteuer- sowie Umsatzsteuererklärung des Streitjahres (nebst Bilanz zum 31.12.2015) gingen beim FA erst am 19.10.2017 ein.

Das FA lehnte die beantragte Änderung ab, weil Änderungsanträge nebst DATEV-Berechnungen nicht konkret genug gewesen seien. Die Steuererklärungen seien erst nach Ablauf der Klagefrist eingegangen.

Das FG (Niedersächsisches FG, Urteil vom 18.4.2018, 6 K 49/18, Haufe-Index 11874980, EFG 2018, 1426) gab der Klage teilweise statt. Es entschied, das FA habe die Änderungsanträge zu Unrecht als zu unkonkret abgelehnt. Allerdings könne das FG keine Verpflichtung des FA zur antragsgemäßen Veranlagung aussprechen. Das FA habe noch nicht geprüft, ob den Angaben in den Steuererklärungen inhaltlich gefolgt werden könne.

 

Entscheidung

Der BFH wies die Revision des FA einstimmig als unbegründet zurück.

 

Hinweis

1. Will der Steuerpflichtige nach Ergehen einer Einspruchsentscheidung noch mit Erfolg beantragen, einen Steuerbescheid nach § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a, Satz 3 Halbsatz 1 AO zu seinen Gunsten zu ändern ("schlichte Änderung"), um eine Klage vor dem FG zu vermeiden, muss er einige Voraussetzungen einhalten.

a) Er muss innerhalb der Klagefrist einen konkreten Antrag stellen.

b) Außerdem muss innerhalb der Frist das Änderungsbegehren dem sachlichen Gehalt nach zumindest in groben Zügen benannt werden. Dies setzt Angaben zu einem konkreten Sachverhalt voraus, der z.B. nach Ansicht des Steuerpflichtigen in dem ursprünglichen Steuerbescheid nicht zutreffend gewürdigt worden ist und nunmehr abweichend berücksichtigt werden soll. Bloße Angaben zur betragsmäßigen Auswirkung sind hierfür nicht ausreichend.

2. Die Anforderungen an diese Konkretisierung dürfen aber wegen des Zwecks der Vorschrift, die Finanzgerichtsbarkeit zu entlasten, nicht überspannt werden: Was in einem Schätzungsfall zur Konkretisierung des Gegenstands des Klage­begehrens (§ 65 FGO) ausreicht, reicht im selben Schätzungsfall auch zur Konkretisierung des Antrags i.S.d. § 172 AO aus.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Beschluss vom 22.5.2019 – XI R 17/18

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