Leitsatz

1. Wird Kindergeld für mehrere Kinder gewährt, ist der Anspruch auf Erstattung des Kindergelds wegen der für einzelne Kinder erbrachten Jugendhilfeleistungen entsprechend § 76 S. 2 Nr. 1 EStG zu ermitteln. Maßgeblich ist der Betrag, der sich bei einer Aufteilung des gesamten Kindergelds nach der Anzahl der Kinder ergibt, für die Kindergeld gezahlt wird.

2. Bei der Aufteilung des Kindergelds ist zu trennen zwischen dem Kindergeld nach § 66 EStG und dem Kindergeld nach dem deutsch-türkischen Abkommen. Maßgeblich für die Ermittlung des einzelnen Erstattungsanspruchs ist jeweils nur dasjenige Kindergeld, das nach den gleichen Vorschriften gezahlt wird wie das Kindergeld für das Kind, auf das sich der Erstattungsanspruch bezieht.

 

Normenkette

§ 74 Abs. 2, § 76 S. 2 Nr. 1 EStG , § 104 Abs. 1 S. 1 und 4 SGB X, Art. 33 Abs. 2 Deutsch-türkisches Abkommen über Soziale Sicherheit, Art. 46 Abs. 1 EG-EStRG, § 94 Abs. 3 S. 2 SGB VIII

 

Sachverhalt

Die Familienkasse setzte für fünf Kinder des Beigeladenen Kindergeld i.H.v. 387,25 EUR monatlich fest, und zwar für die beiden in Deutschland lebenden Töchter jeweils 154 EUR und für die drei in der Türkei lebenden Kinder Abkommenskindergeld von monatlich 12,78 EUR, 30,68 EUR und 35,79  EUR.

Der klagende Jugendhilfeträger leistete für die beiden in Deutschland lebenden Töchter Hilfe zur Erziehung in einer betreuten Wohnform. Der Beigeladene zahlte die deswegen festgesetzten Kostenbeiträge von jeweils 154 EUR nicht. Nach Geltendmachung des Erstattungsanspruchs leistete die Familienkasse für beide Töchter jeweils nur einen Betrag von (387,25 EUR : 5 =) 77,45 EUR monatlich.

Das FG wies die Klage ab (FG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 17.04.2008, 10 K 10521/06 B, Haufe-Index 2016637, EFG 2008, 1399).

 

Entscheidung

Der BFH hat das FG-Urteil aufgehoben und zugunsten des Jugendhilfeträgers entschieden. Da dieser aber seinen Antrag zeitlich nicht begrenzt hatte, wurde zurückverwiesen, damit das FG klärt, für welchen Zeitraum Jugendhilfeleistungen erbracht wurden, die einen Erstattungsanspruch begründen.

 

Hinweis

1. Der Anspruch auf Erstattung des Kindergelds wegen der für einzelne Kinder erbrachten Jugendhilfeleistungen ist entsprechend § 76 S. 2 Nr. 1 EStG zu ermitteln (BFH, Urteil vom 28.04.2010, III R 43/09, BFH/NV 2010, 2156, BFH/PR 2011, 24). Bei mehreren Kindern wird somit nicht das konkret für das jeweilige Kind festgesetzte Kindergeld erstattet, sondern – wie bei einer Pfändung – der sich bei gleichmäßiger Verteilung des Kindergelds auf alle Kinder ergebende Betrag. Wegen des höheren Kindergelds für weitere Kinder (§ 66 Abs. 1 EStG) können sich durch diese Berechnungsweise Erstattungsansprüche für ältere Kinder erhöhen und für jüngere Kinder mindern.

2. Dieser Maßstab gilt auch, wenn ein Berechtigter sowohl Kindergeld nach §§ 62 ff. EStG als auch das sog. Abkommenskindergeld für in der Türkei lebende Kinder erhält. In diesem Fall ist aber nicht der Gesamtbetrag auf alle Kinder gleichmäßig aufzuteilen, sondern einerseits das gesamte Kindergeld nach § 66 EStG und andererseits das Abkommenskindergeld. Die Erstattungsansprüche der (inländischen) Träger von Sozialleistungen bemessen sich nur nach dem "normalen" Kindergeld und verringern sich mithin nicht durch die niedrigeren Leistungen für die in der Türkei lebenden Kinder. Dies rechtfertigt sich auch durch die unterschiedlichen Lebenshaltungskosten in Deutschland und in der Türkei.

3. Der BFH ist nicht auf die Frage eingegangen, ob bzw. inwieweit die Vorschriften der §§ 62 ff. EStG überhaupt auf das bereits vor Jahrzehnten als Ergänzung zum damals noch sozialrechtlichen Kindergeld geschaffene Abkommenskindergeld anwendbar sind, sondern hat eine Geltung der für den Streitfall einschlägigen Vorschriften ohne nähere Begründung unterstellt.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 28.04.2010 – III R 44/08

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