Leitsatz

Dem Steuerpflichtigen ist es erlaubt, in Fällen von geringer Bedeutung auf eine genaue Abgrenzung zu verzichten.

 

Normenkette

§ 5 Abs. 5 S 1 Nr. 1, § 6 Abs. 2 EStG 2002, § 138 FGO

 

Sachverhalt

Der Kläger ist Elektromeister und betreibt einen Installations- und Elektroeinzelhandelsbetrieb. Nach einer Betriebsprüfung war das FA der Auffassung, es seien diverse aRAP zu bilden, u.a. für unterschiedliche betriebliche Versicherungen und die Kfz-Steuern für die betrieblichen Kfz. Die Höhe des jeweiligen aRAP bewegte sich zwischen 15 EUR und 1 250 EUR. Der Kläger meint, ihm stehe hinsichtlich der Bildung eines aRAP ein Wahlrecht zu. Es bestehe keine Verpflichtung zur Bilanzierung geringfügiger Rechnungsabgrenzungsposten.

Der nachfolgenden Klage gab das FG nur teilweise statt (Hessisches FG, Urteil vom 16.11.2008, 9 K 2244/04, Haufe-Index 2187047). Auch bei sog. "geringfügigen" Beträgen bestehe für aRAP eine Bilanzierungspflicht; dies folge aus dem eindeutigen Gesetzeswortlaut des § 5 Abs. 5 S. 1 Nr. 1 EStG.

 

Entscheidung

Der BFH sah das anders (vgl. Praxishinweise) und gab dem Kläger in einem Gerichtsbescheid teilweise recht. Das FA beantragte daraufhin mündliche Verhandlung, half dem Begehren des Klägers ab und erklärte den Rechtsstreit für in der Hauptsache erledigt. Der Kläger schloss sich der Erledigungserklärung an. In der noch zu treffenden Kostenentscheidung, in welcher der bisherige Sach- und Streitstand zu berücksichtigen war (§ 138 Abs. 1 und 2 FGO), bestätigte der BFH seine im Gerichtsbescheid vertretene Rechtsauffassung.

 

Hinweis

Muss ein aktiver Rechnungsabgrenzungsposten (aRAP) unabhängig von seiner Höhe in jedem Fall aktiviert werden? Das war im Wesentlichen die Frage, die vom X. Senat zu entscheiden war. Dies sind seine Antworten, die im Rahmen einer Kostenentscheidung (siehe dazu unten) gegeben wurden:

1. Die Bildung von Rechnungsabgrenzungsposten dient dazu, Einnahmen und Ausgaben in dem Jahr auszuweisen, dem sie wirtschaftlich zuzuordnen sind. § 5 Abs. 5 S. 1 Nr. 1 EStG statuiert mit der Definition aktiver Rechnungsabgrenzungsposten für die Steuerbilanz ein (abschließendes) Aktivierungsgebot für Ausgaben, die der Definition entsprechen. Der Steuerpflichtige hat insoweit kein Wahlrecht.

2. Indes gebietet der Grundsatz der Wesentlichkeit unwesentliche Elemente bei der Bilanzierung und Bewertung außer Betracht zu lassen. So lässt das HGB an mehreren Stellen (z.B. §§ 240, 241, 249, 250, 252, 256) erkennen, dass es in bestimmten Fällen aus unterschiedlichen Gründen auf den Ausweis unwesentlicher Positionen verzichtet und eine Abweichung von allgemeinen Grundsätzen erlaubt.

Auch das EStG verzichtet in bestimmten Fällen auf einen periodengerechten Ausweis. Wichtiges Beispiel dafür ist die Sofortabsetzung von geringwertigen Wirtschaftsgütern mit einem Wert bis zu 410 EUR nach § 6 Abs. 2 EStG 2002. § 11 EStG verzichtet in ähnlicher Weise auf einen periodengerechten Ausweis von solchen Einnahmen und Ausgaben, die regelmäßig wiederkehren und die kurze Zeit nach oder vor dem eigentlich maßgeblichen Wirtschaftsjahr zu- oder abfließen.

3. Überträgt man den Gedanken der Wesentlichkeit oder das Gebot der Proportionalität auf den Ausweis von aRAP, so muss es nach Auffassung des X. Senats dem Steuerpflichtigen erlaubt sein, in Fällen von geringer Bedeutung auf eine genaue Abgrenzung zu verzichten. Dabei orientiert sich der X. Senat an den jeweiligen Grenzen des § 6 Abs. 2 EStG, da der Gesetzgeber mit dieser Regelung zu erkennen gebe, dass er bei geringwertigen Wirtschaftsgütern auf einen periodengerechten Ausweis verzichte und eine Sofortabschreibung für ange­messen halte. Diese gesetzgeberische Einschätzung könne auf die Bildung von Rechnungsabgrenzungsposten übertragen werden; geringwertige Posten bräuchten bilanziell nicht abgegrenzt zu werden.

4. Davon zu unterscheiden sind Fälle, in denen es nicht um den zeitgerechten Ausweis eines Postens geht, sondern um die Frage, ob ein Bilanzposten dem Grund nach auszuweisen ist; dementsprechend müssen geringfügige Forderungen aktiviert werden.

5. Im Übrigen ist auf die sog. Nichtbeanstandungsgrenzen der Finanzverwaltung hinzuweisen (FM NRW vom 04.03.1980, Steuererlasse in Karteiform, AO 1977, § 194 Nr. 2, Tz. 3.143). Danach sind – aus Gründen der Rationalisierung im Rahmen einer Außenprüfung – RAP im Allgemeinen nachträglich nur zu bilden oder zu ändern, wenn die abzugrenzenden Aufwendungen insgesamt 1 500 EUR überschreiten; eine Saldierung von Aktiv- und Passivposten ist hierbei nicht vorzunehmen. Bei regelmäßig wiederkehrenden oder laufenden Aufwendungen kann die nachträgliche Bildung von Rechnungsabgrenzungsposten unterbleiben.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Beschluss vom 18.03.2010 – X R 20/09 (NV)

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