Bucht die Kapitalgesellschaft freie Rücklagen oder einen Gewinnvortrag auf ausstehende Einlagen um, so wird der Gesellschafter von einer Verbindlichkeit (der Einzahlungsverpflichtung) befreit, wenn der Vorgang handelsrechtlich wirksam ist. Der Vorgang ist steuerlich so zu behandeln, als ob die Gewinnanteile an den Gesellschafter ausgeschüttet, wenn auch nicht ausgezahlt, und dann in die Kapitalgesellschaft auf die ausstehenden Einlagen eingezahlt wurden (Schütt-aus-Hol-zurück-Verfahren). Es handelt sich zwar um eine Ausschüttung, nicht aber um eine verdeckte Gewinnausschüttung, auch wenn der Vorgang nicht auf einem ordnungsgemäßen Gewinnverteilungsbeschluss beruht. Der Vorgang basiert auf einer offen gelegten gesellschaftsrechtlichen Basis (Umbuchung auf ausstehende Einlagen), verdeckt diese also nicht und täuscht keine Teilnahme am Marktgeschehen vor. Das Einkommen bzw. der "Unterschiedsbetrag" der Kapitalgesellschaft ist durch den Vorgang nicht gemindert worden. Es handelt sich also um eine "verunglückte" offene Gewinnausschüttung, die als Gewinnausschüttung bei dem Gesellschafter zu Einnahmen nach § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG führt und für die die Kapitalgesellschaft KapESt einzubehalten hat.[1]

[1] BFH v. 27.3.1984, VIII R 69/80, BStBl II 1984, 717; der Fall lag allerdings etwas anders, da die Umbuchung der Rücklagen zivilrechtlich nicht wirksam war und rückgängig gemacht wurde; die Gesellschafter wurden daher nicht von ihrer Einzahlungsverpflichtung befreit.

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