Literatur: Röhricht, Wpg 1992, 766, 775; Thiel, DStR 1993, 1801; Gosch, DStR 1995, 1863; Wichmann, INF 1995, 715; Lawall, DStR 1996, 605; Schmid, DStZ 1996, 458; Wassermeyer, DStR 1997, 681; Weisser, GmbHR 1997, 429; Schulze- Osterloh, StuW 1994, 131; Gosch, DStR 1997, 442; Müller, BB 1997, 1441; Herlinghaus, GmbHR 2003, 373; Steck, GmbHR 2005, 1157; Serg, DStR 2005, 1916; Wichmann, DStZ 2016, 337.

Eine unterlassene Vermögensmehrung, und damit eine verdeckte Gewinnausschüttung, kann darin bestehen, dass die Gesellschaft ihr offenstehende Geschäftschancen zugunsten eines Gesellschafters nicht nutzt, sondern es ihm ermöglicht, das Geschäft für eigene Rechnung abzuschließen.[1] Dies ist nicht identisch mit einem Wettbewerbsverbot. Eine steuerlich unzulässige Nutzung von Geschäftschancen der Gesellschaft kann auch vorliegen, wenn den Gesellschafter-Geschäftsführer kein Wettbewerbsverbot trifft bzw. ihm die Nutzung der Geschäftschance von der Gesellschaft gestattet wurde.

Die Überlassung einer der Gesellschaft zuzuordnenden Geschäftschance an den Gesellschafter ist eine verdeckte Gewinnausschüttung. Allerdings muss die Gesellschaft die Geschäftschance nicht selbst wahrnehmen. Es bleibt der Gesellschaft überlassen, ob sie ihre Geschäftschancen mit eigenen Mitteln nutzt oder den Gesellschafter bzw. Geschäftsführer als Subunternehmer auf eigene Rechnung beauftragt. Wesentlich ist aber, dass die Gesellschaft ihre Geschäftschancen auf eigene Rechnung nutzt, sei es selbst, sei es durch Einschaltung von Subunternehmern.

Bei einem beherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführer muss für jeden Auftrag vor dessen Durchführung klar abgegrenzt sein, welche Tätigkeit er als Subunternehmer, welche er als Geschäftsführer zu erledigen hat. Nicht erforderlich ist jedoch eine generelle schriftliche Abgrenzung der Geschäftschancen von Gesellschaft und Gesellschafter bzw. Geschäftsführer unabhängig von dem einzelnen Fall, obwohl dies nützlich sein kann.[2] Die Einschaltung des Gesellschafter-Geschäftsführers als selbstständiger Subunternehmer kann aber Auswirkungen auf dessen Gehalt und die Angemessenheit der Gesamtausstattung haben (vgl. Stichwort "Gehalt").

Eine verdeckte Gewinnausschüttung liegt nur insoweit vor, als die Beauftragung des Subunternehmers für die Gesellschaft ungünstiger ist als der Einsatz eigener Mittel.[3] Eine verdeckte Gewinnausschüttung liegt nur vor, wenn nach den Umständen des Einzelfalls ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter die sich bietende Geschäftschance für die Kapitalgesellschaft wahrgenommen hätte. Einer Gesellschaft kann kein Geschäft aufgedrängt werden, das sie, gemessen am Fremdvergleich, unter keinen Umständen abgeschlossen hätte.[4]

Es ist zu unterscheiden, ob wirklich eine Geschäftschance bestand oder es sich um eine bloße Möglichkeit handelte. Eine Geschäftschance muss in gewisser Weise verfestigt sein, sodass sie wirtschaftlich bereits zu dem Vermögen der Gesellschaft gehört. Verzichtet die Gesellschaft zugunsten des Gesellschafters auf die Annahme eines günstigen Vertragsangebots, liegt hierin eine verdeckte Gewinnausschüttung, wenn es sich nicht nur um eine bloße Chance der Gesellschaft gehandelt hat, sondern bereits um eine rechtlich gesicherte, verfestigte Position, bei der es allein von der Gesellschaft abhing, von dieser Position Gebrauch zu machen.[5] Das ist der Fall bei der Überlassung von Rechten aus einem bindenden Kaufvertrag über ein Grundstück an den Gesellschafter.[6] Nach einem älteren Urteil des BFH soll das auch bei einem der Gesellschaft zustehenden Recht zum Erwerb eigener Anteile gelten, auf das die Gesellschaft zugunsten des Gesellschafters verzichtet.[7] Nachdem eigene Anteile bei der Kapitalgesellschaft kein Wirtschaftsgut mehr bilden, sondern eine Kapitalmaßnahme, dürfte diese Rechtsprechung nicht mehr aufrecht zu erhalten sein. Die Möglichkeit einer Kapitalmaßnahme ist keine Geschäftschance.

Andererseits liegt keine unterlassene Vermögensmehrung und damit keine verdeckte Gewinnausschüttung vor, wenn der Gesellschafter mit Billigung der Gesellschaft eine Geschäftschance nutzt, die ihm, aber auch der Gesellschaft, offen stand. Eine solche Geschäftschance ist nicht so konkretisiert, dass sie in der alleinigen Verfügungsgewalt der Gesellschaft stünde und ihrem Vermögen zuzurechnen wäre.[8] Im Einzelfall ist abzuwägen, ob sich die Geschäftschance bereits so verfestigt hat, dass sie für die Gesellschaft eine vermögenswerte Position darstellt. Dies ist der Fall, wenn der Abschluss eines Geschäfts für die Gesellschaft in greifbare Nähe gerückt ist, wenn sie bereits notwendige Aufwendungen gemacht hat, die der Gesellschafter jetzt spart, wenn es sich um Folgeaufträge zu Lieferungen und Leistungen der Körperschaft handelt oder wenn die Verfolgung der Geschäftschance Informationen voraussetzt, die nur bei der Gesellschaft verfügbar sind und die sie einem unabhängigen Dritten nicht unentgeltlich überlassen hätte.[9] Das gilt auch für Informationen, die der Geschäftsführer...

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