1 Anhang als Teil des IFRS-Abschlusses

 

Rz. 1

Nach IAS 1.10 umfasst ein vollständiger IFRS-Abschluss folgende Bestandteile:

  • Bilanz,
  • Gesamtergebnisrechnung (GuV-Rechnung und sonstiges Gesamtergebnis),
  • Eigenkapitalveränderungsrechnung,
  • Kapitalflussrechnung,
  • Anhang, der die maßgeblichen Bilanzierungs- und Bewertungsmethoden zusammenfasst und sonstige Erläuterungen enthält,
  • Vergleichsinformationen für die Vorjahresperiode gem. IAS 1.38 und IAS 1.38A und
  • in Fällen einer Änderung von Bilanzierungs- und Bewertungsmethoden bzw. anderen Fällen retrospektiver Abschlussänderungen oder bei Umgliederungen eine Bilanz auf den Eröffnungsbilanzstichtag der Vorjahresperiode.

Der Anhang stellt somit einen "integralen Bestandteil" des IFRS-Abschlusses dar. Hieraus ergibt sich die prinzipielle Gleichwertigkeit der im Anhang publizierten Informationen mit denen anderer Teile des Abschlusses.[1] Im Vergleich mit dem HGB zeichnet sich die IFRS-Rechnungslegung im Allgemeinen durch wesentlich umfangreichere Angabe- und Erläuterungspflichten zur Darstellung von Abschlussinformationen[2] und zur Berichterstattung über außerbilanzielle Sachverhalte aus. Gleichwohl ist nicht zu verkennen, dass insbesondere durch die Ausweitung der handelsrechtlichen Angabevorschriften des Bilanzrechtsmodernisierungsgesetzes und des Bilanzrichtlinie-Umsetzungsgesetzes eine deutliche Annäherung des handelsrechtlichen Anhangs und seiner Pflichtangaben an den IFRS-Anhang eingetreten ist. Selbst wenn sich die handelsrechtlichen Angabevorschriften nunmehr häufig auch auf vergleichbare berichtspflichtige Tatbestände beziehen, so weisen dennoch die IFRS-Anhangvorschriften einen wesentlich größeren Detaillierungsgrad als die jeweils korrespondierenden handelsrechtlichen Normen auf. Fraglich ist in diesem Zusammenhang, ob die wesentlich detaillierteren Anhangvorschriften der IFRS-Rechnungslegung zur Konkretisierung der eher allgemeineren und stärker prinzipienorientierten handelsrechtlichen Angabevorschriften eines bestimmten inhaltlich abgegrenzten Anhangangabefeldes herangezogen werden dürfen oder im Einzelfall auch herangezogen werden müssen.[3] Auch wenn im Einzelfall die IFRS eine sinnvolle und – im Kontext mit den zugehörigen Bilanzierungs- und Bewertungsvorschriften – auch eine konzeptionell gut begründbare Grundlage für die Auslegung handelsrechtlicher Rechnungslegungsnormen bilden, scheidet eine generelle Orientierung an den im Einzelfall sehr detaillierten Anhangvorschriften allein aus Gründen der Rechtssicherheit aus.[4] Aufgrund der somit im Allgemeinen weiterhin bestehenden größeren Informationsfülle und auch Informationsdichte (im Vergleich zum HGB)[5] kommt dem Anhang zur Erreichung des Informationsziels der IFRS-Rechnungslegung (Conceptual Framework. Kap. 1.2) der Charakter eines unverzichtbaren Pflichtbestandteils innerhalb des vollständigen IFRS-Abschlusses zu. So sind bestimmte Sachverhalte nur im Konzernanhang nach IFRS, nicht jedoch in anderen (Bestand-)Teilen des IFRS-Abschlusses enthalten; weiterhin werden andere Sachverhalte im Konzernanhang insbesondere zur Verdeutlichung der Unsicherheiten von Abschlussposten erläutert.[6]

 

Rz. 2

Die IFRS-Vorschriften differenzieren grundsätzlich[7] nicht zwischen Einzel- und Konzernabschluss. Dementsprechend ist – je nach Art des offengelegten Abschlusses – ein Anhang für den Einzel- bzw. für den Konzernabschluss aufzustellen.[8] Allerdings besteht nach IAS 27.3 grundsätzlich keine Pflicht IFRS-Einzelabschlüsse aufzustellen.

 

Rz. 3

Aufgrund der dominierenden Informationsfunktion des IFRS-Abschlusses für die Abschlussadressaten haben Schutzklauseln, welche die Veröffentlichung von für das Unternehmen bzw. den Konzern nachteiligen Informationen vermeiden (sollen), praktisch keine wesentliche Bedeutung.[9] Die IFRS-Rechnungslegung kennt derzeit nur eine explizite und eine implizite (jeweils spezifische) Schutzklausel:[10]

  • IAS 37.92 (explizite Schutzvorschrift): Hiernach dürfen in äußerst seltenen Fällen Angaben zu Rückstellungen, Eventualschulden und Eventualforderungen, die nach den IAS 37.8437.89 vorgeschrieben sind, unterlassen werden, wenn damit gerechnet werden kann, dass die Angabe von Informationen die Position des Bericht erstattenden Unternehmens in einem Rechtsstreit mit Dritten ernsthaft beeinträchtigt.
  • IAS 1.130 (implizite Schutzvorschrift): Die in IAS 1.125 verlangte Offenlegung von Informationen über die zentralen zukunftsbezogenen Annahmen und die wesentlichen Quellen der Unsicherheit von Schätzungen wird eingeschränkt, da nach IAS 1.130 eine Veröffentlichung der Unternehmensplanungen und Prognosen nicht verlangt wird.
  • Allerdings wird trotz fehlender expliziter Nennung auch die im deutschen Handelsrecht in § 286 Abs. 1 HGB kodifizierte Schutzklausel im öffentlichen Geheimhaltungsinteresse für sinngemäß anwendbar auf einen IFRS-Anhang erachtet.[11]

    Jedoch wird es sich um äußerst seltene Ausnahmefälle handeln müssen, in denen "potenziell gefährdete gesamtgesellschaftliche Interessen gegenüber der Befolgung internationaler Rechnungslegungs...

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