Rz. 111

Nach dem durch das Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz eingefügten Stetigkeitsgebot für Ansatzmethoden gemäß § 246 Abs. 3 Satz 1 HGB sind die auf den vorhergehenden Jahresabschluss angewandten Ansatzmethoden beizubehalten. Ansatzmethoden umfassen das planvolle Vorgehen bei der Ausübung von expliziten Ansatzwahlrechten und bei der Ausübung von Ermessensspielräumen im Rahmen der Entscheidung über den Ansatz von Vermögensgegenständen, Schulden, Rechnungsabgrenzungsposten und Sonderposten, sofern der Ausübung ein bestimmtes Verfahren bzw. eine Systematik zugrunde liegt.[1] Abweichungen von Bilanzierungsmethoden sind vor allem dann gegeben, wenn gesetzliche Ansatzwahlrechte (vgl. Rz. 54 f.) im Vergleich zum Vorjahr in anderer Weise ausgeübt werden.

Durchbrechungen des Stetigkeitsgebots für Ansatzmethoden sind nur in begründeten Ausnahmefällen möglich, d. h. die Abweichung muss sachlich begründet sein. Nach IDW RS HFA 38 Tz. 35 sind insbesondere in den folgenden Fällen Durchbrechungen der (Ansatz-)Stetigkeit begründet:[2]

  • Abweichung von den bisherigen Methoden ist durch eine Änderung der rechtlichen Gegebenheiten (insbesondere Änderung von Gesetz und Satzung, Änderung der Rechtsprechung) veranlasst;
  • Abweichung von den bisherigen Methoden dient der besseren Vermittlung eines den tatsächlichen Verhältnissen entsprechenden Bildes der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage;
  • Abweichung von den bisherigen Methoden dient der Inanspruchnahme von Ansatzvereinfachungsverfahren (bzw. Bewertungsvereinfachungsverfahren);
  • Abweichung von den bisherigen Methoden dient der Anpassung an konzerneinheitliche Richtlinien;
  • Abweichung von den bisherigen Methoden ist erforderlich, um steuerliche Ziele zu verfolgen.

Vor dem Hintergrund der Abschaffung der umgekehrten Maßgeblichkeit durch das BilMoG ist insbesondere der letztgenannte Abweichungsgrund kritisch zu sehen.

 
Praxis-Beispiel

Bisher wurden geringwertige Vermögensgegenstände des Anlagevermögens, deren Anschaffungs- oder Herstellungskosten 250 EUR übersteigen, in der Handelsbilanz aktiviert und planmäßig abgeschrieben.

Nunmehr soll aus Vereinfachungsgründen und zwecks Erreichung eines Gleichklangs mit der steuerrechtlichen Behandlung, nach der geringwertige Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens bis zur Wertgrenze von 800 EUR nicht aktiviert werden (vgl. § 6 Abs. 2 EStG), die handelsrechtliche Wertuntergrenze für die Aktivierung in der Handelsbilanz ebenfalls auf die steuerliche Wertuntergrenze nach § 6 Abs. 2 EStG angehoben werden.

 

Rz. 112

Methodenänderungen können auch hinsichtlich des Zeitpunkts der Bilanzierung bestimmter Sachverhalte vorliegen. Dies betrifft insbesondere Ermessensspielräume hinsichtlich des Zeitpunkts der Bilanzierung. So ist beispielsweise darüber zu berichten, wenn sich der Beginn der erstmaligen Aktivierung von Entwicklungskosten beim Ansatz selbst geschaffener immaterieller Vermögenswerte,[3] der Realisationszeitpunkt von Umsätzen aus langfristigen Fertigungsaufträgen oder der Zeitpunkt der Erfassung von Dividendenansprüchen aus Beteiligungsgesellschaften verändert hat.[4]

 

Rz. 112a

Stets angabepflichtig sind Änderungen der Bilanzierungsmethoden, die eine Durchbrechung des Vollständigkeitsgebots (§ 246 Abs. 1 HGB) beinhalten.[5] Dies betrifft insbesondere die Bilanzierungsmethoden in Bezug auf die Pensionsrückstellungen für Altzusagen (Art. 28 Abs. 1 Satz 1 EGHGB) und die Pensionsrückstellungen für mittelbare Pensionsverpflichtungen sowie für ähnliche unmittelbare oder mittelbare Verpflichtungen (Art. 28 Abs. 1 Satz 2 EGHGB).

 

Rz. 112b

Ein weiterer Anwendungsfall der Durchbrechung von Bilanzierungsmethoden ist der Wechsel vom saldierten zum unsaldierten Ausweis (und umgekehrt) von Bilanz- und GuV-Posten.[6] Beispielsweise ist hier die Ausübung des Wahlrechts zum saldierten Ausweis aktiver und passiver latenter Steuern zu nennen (vgl. § 274 Abs. 1 Satz 3 HGB). Ein anderes Beispiel ist bei kleinen und mittelgroßen Unternehmen die Zusammenfassung bestimmter GuV-Posten zur Saldogröße "Rohergebnis"[7] oder der unsaldierte Ausweis der betreffenden GuV-Posten nach dem GuV-Gliederungsschema des § 275 Abs. 2, 3 HGB.

[1] Vgl. IDW RS HFA 38, IDW-Fachnachrichten 2011, S. 561, Rz. 7.
[2] Vgl. IDW RS HFA 38, IDW-Fachnachrichten 2011, S. 562, Rz. 15.
[3] Vgl. Müller, in Bertram/Kessler/Müller, Haufe HGB Bilanz Kommentar, 13. Aufl. 2022, § 284 HGB Rz. 49.
[4] Vgl. Wulf, in Baetge/Kirsch/Thiele, Bilanzrecht, § 284 HGB Rz. 83, Stand: 1/2022; Grottel, in Grottel u. a., Beck’scher Bilanz-Kommentar, 13. Aufl. 2022, § 284 HGB Rz. 180; Poelzig, in Münchener Kommentar Handelsgesetzbuch, Bilanzrecht, 4. Aufl. 2020, § 284 HGB Rz. 70.
[5] Vgl. Grottel, in Grottel u. a., Beck’scher Bilanz-Kommentar, 13. Aufl. 2022, § 284 HGB Rz. 181; Haferkorn/Diemers, in Hachmeister u. a., Bilanzrecht, 3. Aufl. 2022, § 284 HGB Rz. 66.
[6] Vgl. Grottel, in Grottel u. a., Beck’scher Bilanz-Kommentar, 13. Aufl. 2022, § 284 HGB Rz. 182.

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