Leitsatz

Eine einheitliche Berufsausbildung liegt nicht vor, wenn die berufspraktischen Erfahrungen im erlernten Ausbildungsberuf (im Streitfall: Ausbildung zur Bankkauffrau) unabdingbare Voraussetzung für das Erreichen des weiteren Berufsabschlusses in Form der Fortbildung zur staatlich geprüften Betriebswirtin ist.

 

Sachverhalt

Die am 2.12.1991 geborene Tochter des Anspruchsberechtigten bestand am 17.1.2013 die Abschlussprüfung in dem staatlich anerkannten Ausbildungsberuf "Bankkauffrau". Ebenfalls im Januar 2013 nahm sie in ihrem ehemaligen Ausbildungsbetrieb eine Erwerbstätigkeit mit einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von 40 Stunden auf. Im September 2013 begann sie ein Studium in Teilzeitform mit dem angestrebten Abschluss "Staatlich geprüfte Betriebswirtin" bzw. "Staatlich geprüfter Betriebswirt". Die Zulassung zum Studium setzt die Fachoberschulreife, den Abschluss einer kaufmännischen Berufsausbildung und einen Berufsschulabschluss voraus. Zudem müssen die Studierenden mindestens ein Jahr Berufserfahrung in ihrem Ausbildungsberuf gesammelt haben, wobei dieses Jahr auch während der Fachschulausbildung abgeleistet werden kann. Am 17.12.2016 bestand die Tochter die Abschlussprüfung an der Fachschule für Wirtschaft.

Im März 2017 beantragte der Anspruchsberechtigte die rückwirkende Festsetzung von Kindergeld ab Februar 2013 mit der Begründung, seine Tochter habe eine erstmalige Berufsausbildung erst im Dezember 2016 mit dem Bestehen der Abschlussprüfung an der Fachschule für Wirtschaft absolviert. Dies lehnte die Familienkasse mit der Begründung ab, bereits die Ausbildung zur Bankkauffrau stelle eine erstmalige Berufsausbildung dar.

 

Entscheidung

Das Finanzgericht entschied, dass ein Kindergeldanspruch ab Februar 2013 bereits daran scheitert, dass die Tochter des Anspruchsberechtigten im Januar 2013 mit der Ausbildung zur Bankkauffrau eine erstmalige Berufsausbildung abgeschlossen hat und während ihrer nachfolgenden (Zweit-)Ausbildung einer Erwerbstätigkeit mit einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von 40 Stunden nachgegangen ist.

Für die Frage, ob bereits der erste (objektiv) berufsqualifizierende Abschluss in einem öffentlich-rechtlich geordneten Ausbildungsgang zum Verbrauch der Erstausbildung führt oder ob bei einer mehraktigen Ausbildung auch ein nachfolgender Abschluss in einem öffentlich-rechtlich geordneten Ausbildungsgang Teil der Erstausbildung sein kann, ist darauf abzustellen, ob sich der erste Abschluss als integrativer Bestandteil eines einheitlichen Ausbildungsgangs darstellt. Insoweit kommt es vor allem darauf an, ob die Ausbildungsabschnitte in einem engen sachlichen Zusammenhang (z. B. dieselbe Berufssparte, derselbe fachliche Bereich) zueinander stehen und in engem zeitlichen Zusammenhang durchgeführt werden. Hierfür ist auch erforderlich, dass aufgrund objektiver Beweisanzeichen erkennbar wird, dass das Kind die für sein angestrebtes Berufsziel erforderliche Ausbildung nicht bereits mit dem ersten erlangten Abschluss beendet hat.

Ist eine berufspraktische Erfahrung im bereits erlernten Ausbildungsberuf unabdingbare Voraussetzung für das Erreichen des weiteren Berufsabschlusses, so lässt die Zäsur, welche durch die Berufstätigkeit in dem bereits erlernten Ausbildungsberuf entsteht, nach Auffassung des Finanzgerichts den Charakter einer einheitlichen Berufsausbildung entfallen. Die weitere Ausbildungsmaßnahme stellt dann keine erstmalige Berufsausbildung, sondern eine Weiterbildung dar. Dies gilt auch dann, wenn die Berufserfahrung parallel zu der weiteren Ausbildungsmaßnahme gesammelt werden kann. Die Zäsur ergibt sich allein daraus, dass der weitergehende Abschluss eine solche Berufstätigkeit voraussetzt.

Im Streitfall lag daher bereits deshalb keine einheitliche Erstausbildung vor, weil die Ausbildung zur staatlich geprüften Betriebswirtin voraussetzt, dass die Studierenden mindestens ein Jahr Berufserfahrung in ihrem Ausbildungsberuf gesammelt haben. Dabei ist unerheblich, dass dieses Jahr auch während der Fachschulausbildung abgeleistet werden kann.

 

Hinweis

Das Finanzgericht hat die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen, da zu dieser Rechtsfrage bereits mehrere Revisionsverfahren beim Bundesfinanzhof unter den Aktenzeichen III R 18/17, V R 13/17 und XI R 25/17 anhängig sind.

 

Link zur Entscheidung

FG Münster, Urteil vom 14.12.2017, 3 K 2536/17 Kg

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