Eine anerkannte Fallgruppe für den Haftungsdurchgriff auf Gesellschafter ist die Vermögensvermischung.[1] Dabei genügen einzelne Privatentnahmen der Gesellschafter nicht.[2] Eine persönliche Haftung des Aktionärs setzt voraus, dass die Vermögensabgrenzung zwischen Gesellschafts- und Privatvermögen durch eine undurchsichtige Buchführung oder auf andere Weise verschleiert wird.

Diese für die GmbH entwickelten Grundsätze können auf die AG übertragen werden.[3] Im Unterschied zur GmbH ist bei der AG zwar jede Privatentnahme über die Verteilung des Bilanzgewinns hinaus gem. § 57 AktG verboten und löst einen Rückgewähranspruch gem. § 62 AktG aus, der auch vom Gläubiger der AG gem. § 62 Abs. 2 AktG geltend gemacht werden kann. Soweit ein Rückgewähranspruch besteht, bedarf es daher keines Rückgriffs auf die Durchgriffshaftung. Anders ist die Situation aber, wenn der Anspruch gem. §§ 57, 62 AktG nicht durchsetzbar ist, weil aufgrund einer Verschleierung der Vermögensabgrenzung die Einlagenrückgewähr nicht (mehr) dargelegt werden kann.

Die Durchgriffshaftung setzt voraus, dass der Aktionär für die Verschleierung verantwortlich ist, z. B. indem er auf den Vorstand entsprechend einwirkt oder indem er als Vorstand mit Aktienbesitz die Verschleierung begünstigt.[4] Der einflusslose Minderheitsgesellschafter haftet dagegen nicht.

 
Hinweis

Durchgriffhaftung

In der Praxis kommt dieser Fall der Durchgriffshaftung bei der AG nur selten vor, weil (a) die meisten Aktiengesellschaften gem. § 316 HGB prüfungspflichtig sind und die strengen Prüfungspflichten einer solchen Vermögensvermischung entgegenwirken und weil (b) den Aktionären mangels Weisungsrechts häufig der nötige Einfluss auf die Geschäftsführung fehlt.

[1] Für die GmbH: BGH, Urteil v. 16.9.1985, II ZR 275/84, BGHZ 95 S. 330, 333 f.; BGH, Urteil v. 12.11.1984, II ZR 250/83, BB 1985 S. 77.
[2] Sie lösen bei der GmbH – sofern hierbei das Stammkapital angegriffen wird – nur Rückzahlungsansprüche gem. §§ 30, 31 GmbHG aus. BGH, Urteil v. 16.9.1985, II ZR 275/84, BGHZ 95 S. 330, 333 f.
[3] Wie hier Heider, in MüKo-AktG, § 1 Rn. 72; zurückhaltend auch Hüffer/Koch, AktG, § 1 Rn. 20, der für die Durchgriffslehre neben dem Kapitalschutz gem. §§ 57, 62 AktG nur wenig Raum sieht.
[4] Nahm er dabei eine dauerhafte Beeinträchtigung der Erfüllung der Verbindlichkeiten der AG billigend in Kauf, haftet er bereits persönlich gem. § 826 BGB; vgl. BGH, Urteil v. 21.2.2013, IX ZR 52/10, NZG 2013 S. 827, 829 f.

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