Kommentar

Schließen sich mehrere Ärzte zusammen, um in einer Berufsausübungsgemeinschaft lediglich einen bestimmten Ausschnitt des ärztlichen Leitungsspektrums zu erbringen, begründen sie damit eine sog. Teilgemeinschaftspraxis. Die OFD Frankfurt am Main hat nun die steuerliche Behandlung solcher Kooperationen beleuchtet.

Wollen Ärzte ihre Einzelpraxen beibehalten und nur für bestimmte ärztliche Leistungen mit anderen Ärzten zusammenarbeiten, können sie eine Kooperation in Form einer Teilgemeinschaftspraxis eingehen.

Beispiel

Eine Kinderärztin kooperiert einmal pro Woche mit einem Neurologen, um gemeinsam Kinder mit neurologischen Problemen zu versorgen. In der übrigen Zeit arbeiten beide Ärzte in ihrer Einzelpraxis.

Die OFD Frankfurt am Main hat mit Verfügung vom 17.8.2016 dargestellt, welche steuerlichen Besonderheiten bei solchen Teilgemeinschaftspraxen zu beachten sind.

Mitunternehmerschaft

Die Teilgemeinschaftspraxis ist eine Personengesellschaft – in der Regel eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) oder eine Partnerschaftsgesellschaft. Die Kriterien für eine Mitunternehmerschaft sind erfüllt, weil alle Ärzte einer Teilgemeinschaftspraxis aufgrund der berufsrechtlichen Voraussetzungen

  • nahezu gleiche Rechte und Pflichten haben müssen und
  • an unternehmerischen Chancen und Risiken beteiligt sein müssen (prozentuale Gewinn- und Verlustbeteiligung, Mitwirkung an Investitions- und Personalentscheidungen, Kapitalbeteiligung).

Die beteiligten Ärzte können zudem Mitunternehmerinitiative entfalten, indem sie ihre gesellschaftlichen Kontrollrechte ausüben und tragen Mitunternehmerrisiko, weil sie am Gewinn und Verlust sowie an den stillen Reserven einschließlich eines etwaigen Praxiswerts der Teilgemeinschaftspraxis beteiligt sind.

Einkunftsart

Die Teilgemeinschaftspraxis übt grundsätzlich eine freiberufliche Tätigkeit aus, kann aber durch gewerbliche Tätigkeiten gewerblich "infiziert" werden, sodass sie insgesamt gewerbliche Einkünfte erzielt ("Infektionstheorie" nach § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG).

Praxis-Beispiel

Ein Allgemeinmediziner und ein Laborarzt gehen eine Kooperation für Leistungen im Bereich der Rheuma-Diagnostik ein. Da der Laborarzt nicht jeden eingegangenen Untersuchungsauftrag nach Inhalt und Fragestellung zur Kenntnis nehmen und die Ergebnisse auf Plausibilität prüfen kann, ist er nicht eigenverantwortlich tätig, sodass er gewerbliche Einkünfte erzielt, die auf die Teilgemeinschaftspraxis abfärben.

Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung führen gewerbliche Tätigkeiten einer Personengesellschaft allerdings nicht zu einer gewerblichen Infizierung der übrigen Einkünfte, wenn sie geringfügig sind.[1] Dies ist der Fall, wenn die originär gewerblichen Nettoumsatzerlöse

  • 3 % der Gesamtnettoumsatzerlöse der Gesellschaft und
  • den Betrag von 24.500 EUR pro Veranlagungszeitraum (gewerbesteuerlicher Freibetrag)

nicht übersteigen.

Hinweis: Der BFH liefert mit dieser Geringfügigkeitsgrenze einen typisierenden Richtwert, der in der Praxis für eine gewisse Rechtssicherheit sorgt. Es sollte aber beachtet werden, dass eine Abfärbung von vornherein auch durch gesellschaftsrechtliche Ausweichgestaltungen vermieden werden kann. Da diese Gestaltungen sorgfältig geplant sein sollten, bedürfen sie aber unbedingt steuerfachkundigem Rat.

Feststellungsverfahren

Die OFD weist darauf hin, dass die Finanzämter Teilgemeinschaftspraxen eine eigene Steuernummer erteilen und die Einkünfte der Gesellschafter gesondert und einheitlich feststellen (§ 179 Abs. 1 i. V. m. § 180 Abs. 1 Nr. 2 a) AO).

Betriebsausgaben

In Zusammenhang mit den Betriebseinnahmen der Teilgemeinschaftspraxen fallen üblicherweise Betriebsausgaben in den Einzelpraxen der beteiligten Ärzte an bzw. werden diesen von Dritten in Rechnung gestellt. Die OFD weist darauf hin, dass diese Aufwendungen unmittelbar durch die ärztliche Tätigkeit in den Teilgemeinschaftspraxen und nicht durch die Berufsausübung in den Einzelpraxen veranlasst sind, sodass insoweit Sonderbetriebsausgaben der beteiligten Ärzte bei der Teilgemeinschaftspraxis vorliegen. Diese Zuordnung hat Vorrang vor der Zuordnung zur Einzelpraxis (§ 15 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 EStG).

Zuordnung von Wirtschaftsgütern

Für die Zuordnung von Wirtschaftsgüter zum Sonderbetriebsvermögen unterscheidet die OFD folgende 4 Fallgruppen:

  1. Das Wirtschaftsgut wird in vollem Umfang von der Teilgemeinschaftspraxis genutzt: Es muss zwingend dem Sonderbetriebsvermögen der Teilgemeinschaftspraxis zugeordnet werden.
  2. Das Wirtschaftsgut wird zu mehr als 50 % in der Einzelpraxis genutzt: Aufgrund der dortigen überwiegenden Nutzung muss das Wirtschaftsgut der Einzelpraxis zugeordnet werden.
  3. Das Wirtschaftsgut wird zu mehr als 50 % in der Teilgemeinschaftspraxis genutzt: Wegen der dortigen überwiegenden Nutzung muss das Wirtschaftsgut der Teilgemeinschaftspraxis zugeordnet werden.
  4. Das Wirtschaftsgut wird exakt hälftig in der Einzelpraxis und in der Teilgemeinschaftspraxis genutzt: Die Zuordnungsentscheidung kann frei getroffen werden und wird von den Finanzämtern...

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