Steuerbescheide sind aufzuheben oder zu ändern, soweit dem Steuerpflichtigen bei Erstellung seiner Steuererklärung Schreib – oder Rechenfehler unterlaufen sind.Denn durch diese hat er der Finanzbehörde bestimmte, nach den Verhältnissen zum Zeitpunkt des Erlasses des Steuerbescheids rechtserhebliche Tatsachen unzutreffend mitgeteilt (§ 173a AO).

Die seit 1.1.2017 geltende Vorschrift findet Anwendung bei Schreib- oder Rechenfehlern des Steuerpflichtigen bei der Erstellung seiner Steuererklärung, die zur Unrichtigkeit der Steuerfestsetzung geführt haben. Hinsichtlich der Begriffe "Schreibfehler" und "Rechenfehler" handelt es sich wie bei der Berichtigungsnorm des § 129 AO um ungewollte mechanische Fehler, keine Denkfehler. Schreibfehler sind beispielsweise Rechtschreibfehler, Wortverwechslungen oder -auslassungen oder fehlerhafte Übertragungen. Rechenfehler sind insbesondere Fehler bei der Addition, Subtraktion, Multiplikation oder Division sowie bei der Prozentrechnung. Fehlerhafte Datenübertragungen fallen dagegen nicht unter § 173a AO.[1] Unerheblich ist, ob dem Steuerpflichtigen ein Verschulden an dem Schreib- oder Rechenfehler trifft. Unterbliebene Übertragungen der vom Steuerpflichtigen ermittelten Besteuerungsgrundlagen stellen dagegen keine Schreibfehler dar. Hier kann ggf. jedoch die Änderungsnorm des § 173 AO greifen.

Ein solcher Schreib– oder Rechenfehler muss durchschaubar, eindeutig oder augenfällig sein. Dies ist dann der Fall, wenn der Fehler bei Offenlegung des Sachverhalts für jeden unvoreingenommenen Dritten klar und deutlich als Schreib– oder Rechenfehler erkennbar ist. Außerdem darf kein Anhaltspunkt dafür bestehen, dass eine unrichtige Tatsachenwürdigung, ein Rechtsirrtum oder ein Rechtsanwendungsfehler vorliegt.

Der Schreib- oder Rechenfehler muss dazu geführt haben, dass der Steuerpflichtige dem Finanzamt Tatsachen unzutreffend mitgeteilt hat, die zum Zeitpunkt des Erlasses des Steuerbescheids rechtserheblich sind. Tatsache ist jeder Lebenssachverhalt, der Merkmal oder Teilstück eines gesetzlichen Steuertatbestands sein kann. Dies umfasst also tatsächliche Zustände, Vorgänge, Beziehungen, Eigenschaften materieller oder immaterieller Art. Insoweit deckt sich der Tatsachenbegriff des § 173a AO mit dem des § 173 AO.

Eine Tatsache ist rechtserheblich, wenn das Finanzamt bei Kenntnis der Tatsache zur Zeit der Steuerfestsetzung mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zu einer höheren oder niedrigeren Steuer gelangt wäre. Dabei müssen die unzutreffend mitgeteilten Tatsachen zum Zeitpunkt des Erlasses des Steuerbescheids rechtserheblich sein. Aus diesem Grund scheiden solche Tatsachen aus, die erst später relevant werden.

§ 173a AO greift nur bei Schreib– und Rechenfehlern, nicht aber bei ähnlichen offenbaren Unrichtigkeiten. In derartigen Fällen ist weiterhin zu prüfen, ob ggf. § 129 AO zur Anwendung kommt.

Liegen die Voraussetzung für die Aufhebung oder Änderung nach § 173a AO vor, ist der Steuerbescheid oder der ihm gleichgestellte Bescheid von Amts wegen aufzuheben oder zu ändern, ohne dass es eines Antrags bedarf. Das Gesetz verpflichtet die Finanzbehörde zur Änderung, d.  h. hier kann die Bescheidänderung/Bescheidaufhebung nicht aus Ermessenserwägungen abgelehnt werden. Gleichwohl sollten bei Erstellung der Steuererklärung zu Lasten des Steuerpflichtigen unterlaufene Schreib– oder Rechenfehler mit einem Änderungsantrag geltend gemacht und eine Bescheidänderung nach § 173a AO beantragt werden. Denn häufig wird das Finanzamt den in der Steuererklärung enthaltenen Schreib– oder Rechenfehler nicht erkennen und daher nicht von Amts wegen tätig werden.

Hinsichtlich des Ablaufs der Festsetzungs- und Feststellungsfrist ist zu beachten, dass § 171 Abs. 2 AO um einen Satz 2 ergänzt wurde. Demnach gilt die bislang für Bescheidänderungen nach § 129 AO geltende Ablaufhemmung nun entsprechend in Fällen des § 173a AO.

[1] FG Münster, Urteil v. 30.6.2021, 13 K 793/19 F, EFG 2021 S. 1603, eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde unbegründet, BFH v. 27.4.2022, IX R 357/21 n.V.

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