Leitsatz

1. Der einheitliche Lebenssachverhalt i.S.d. § 174 Abs. 4 AO erstreckt sich im Falle einer Gewinnausschüttung auch auf die Einbehaltung der Steuerabzugsbeträge.

2. Die Zuordnung von Sonderbetriebsvermögen im Fall einer Bilanzierungskonkurrenz erfolgt an erster Stelle nach der zeitlichen Abfolge. Bei zeitgleicher Entstehung der Voraussetzungen als Sonderbe­triebsvermögen hat die Zuordnung nach qualitativen Kriterien zu erfolgen. Sonderbetriebsvermögen I geht insoweit dem Sonderbetriebsvermögen II vor.

 

Normenkette

§ 118 Satz 1, § 124 Abs. 1 Satz 2, § 157 Abs. 1 Satz 2, § 174 Abs. 3 und 4 Satz 1, § 181 Abs. 1 Satz 1 AO; § 110 Abs. 1 FGO; § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG

 

Sachverhalt

Drei Gesellschafter waren an einer Besitz-GbR, einer Produktions-GmbH & Co. KG und einer Vertriebs-GmbH beteiligt. Die GbR überließ KG und GmbH jeweils betrieblich genutzten Grundbesitz. Die Dividenden der GmbH wurden als verzinsliche Darlehen stehengelassen. Die KG behandelte die ihr vermieteten Grundstücke als Sonderbetriebsvermögen.

Nach einer Außenprüfung war das FA der Auffassung, auch die GmbH-Anteile sowie die Darlehen seien Sonderbetriebsvermögen der Produktions-KG. Gegen die betreffenden Gewinnfeststellungsbescheide erhob die KG erfolgreich Klage. Das FG (FG Düsseldorf vom 2.4.2004, 11 K 3126/01 F, EFG 2004, 981) entschied rechtskräftig, der Grundbesitz sei infolge einer mitunternehmerischen Betriebsaufspaltung Betriebsvermögen der Besitz-GbR; die Darlehen seien Sonderbetriebsvermögen der GbR.

Daraufhin kam es zu einem weiteren Rechtsstreit, den diesmal die GbR wegen der nun in ihrer Gewinnfeststellung erfassten Mieteinnahmen und Darlehenszinsen der Vertriebs-GmbH führte. Das Verfahren endete durch das BFH-Urteil vom 5.11.2009, IV R 99/06 (BStBl II 2010, 593), mit dem die Behandlung der Anteile an der Vertriebs-GmbH als Sonderbetriebsvermögen II der Gesellschafter bei der Besitz-GbR bestätigt wurde.

Für ein Folgejahr, in dem Dividenden der Vertriebs-GmbH ausgeschüttet worden waren, hatte das FA diese Ausschüttung zunächst in dem Gewinn­feststellungsbescheid der Produktions-KG erfasst. Zugleich waren dort auch die Anteile der Gesellschafter an der einbehaltenen Kapitalertragsteuer einschließlich des Solidaritätszuschlags gesondert festgestellt worden. Nach der Entscheidung des ersten Rechtsstreits durch das FG erließ das FA einen erstmaligen Gewinnfeststellungsbescheid für die Besitz-GbR, in dem die Dividenden berücksichtigt, und einen geänderten Gewinnfeststellungsbescheid für die Produktions-KG, in dem die Einkünfte um die Dividenden gemindert wurden. Die Feststellung über die anrechenbaren Steuerabzugsbeträge im Bescheid der Produktions-KG wurde "aus Vereinfachungsgründen" beibehalten.

Die Besitzgesellschaft erhob Einspruch gegen den an sie gerichteten Feststellungsbescheid und beantragte, in diesem auch die gesonderte Feststellung der Steuerabzugsbeträge vorzunehmen. Das FA entsprach diesem Antrag und erließ anschließend einen erneut geänderten Feststellungsbescheid gegen die Produktions-KG, in dem die Feststellung der Steuerabzugsbeträge nicht mehr enthalten war. Den Bescheid stützte das FA auf § 174 Abs. 4 AO.

Die Produktions-KG war der Meinung, die Voraussetzungen des § 174 Abs. 4 AO und auch anderer Korrekturvorschriften der AO lägen nicht vor. Außerdem seien die Anteile an der Vertriebs-GmbH Sonderbetriebsvermögen bei ihr gewesen, sodass die Steuerabzugsbeträge auch zu Recht bei ihr festgestellt worden seien. Da die Anteile Sonderbetriebsvermögen sowohl bei ihr als auch bei der Besitz-GbR sein könnten, bestehe ein Zuordnungswahlrecht, das zu ihren Gunsten ausgeübt worden sei. Die Klage beim FG blieb jedoch ohne Erfolg (FG Düsseldorf, Urteil vom 2.7.2009, 11 K 3403/08 F, Haufe-Index 2209014, EFG 2009, 1812).

 

Entscheidung

Der BFH hielt die Revision für unbegründet. Die Voraussetzungen für einen Änderungsbescheid lägen vor, weil Ausschüttung und Einbehaltung der Abzugsbeträge ein Sachverhalt seien und auch die bewusst fehlerhafte Behandlung des Sachverhalts nach § 174 Abs. 4 AO korrigiert werden könne. Das FA habe die Anteile an der Vertriebs-GmbH zu Recht als Sonderbetriebsvermögen bei der Besitz-GbR behandelt.

 

Hinweis

1. Die Entscheidung betrifft formal die Voraussetzungen für eine Änderung eines Feststellungsbescheids nach § 174 Abs. 4 AO. Dessen Anwendbarkeit war bezweifelt worden, weil das FA zunächst "aus Vereinfachungsgründen"bewusst falsch gehandelt und die Steuerabzugsbeträge weiter bei der Produktions-KG festgestellt hatte. Auch bewusste Fehler sind nun nach Meinung des BFH durch Anwendung des § 174 Abs. 4 AO zu korrigieren. Der erfolgreich gegen einen Bescheid vorgehende Stpfl. soll unter allen Umständen auch die mit dem Erfolg verbundenen Nachteile in Kauf nehmen müssen.

2. Zweites verfahrensrechtliches Problem war, dass in dem Bescheid gegenüber der Besitz-GbR zwar die Gewinnausschüttung erfasst, aber keine ausdrückliche Aussage zu den Steuerabzugsbeträgen getroffen worden war. Gleichwohl war der BFH der Meinung, ...

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