Leitsatz

1. Auch erfolglose Bewerber um ein Mandat im Europäischen Parlament können ihre Wahlkampfkosten nicht als Werbungskosten bei den sonstigen Einkünften abziehen.

2. Wahlkampfkosten zur Erlangung eines Mandats im Europäischen Parlament sind auch Aufwendungen für die Erlangung des Kandidatenstatus, die organisatorische Vorbereitung als Kandidat sowie die Aufwendungen zum Erhalt des Nachrückerstatus.

 

Normenkette

§ 22 Nr. 4 Satz 3 EStG

 

Sachverhalt

Die Klägerin bewarb sich für ihre Partei erfolglos um ein Mandat im Europäischen Parlament. Im Zusammenhang damit machte sie diverse Aufwendungen als Werbungskosten geltend, die noch vor dem "Wahlkampf" angefallen seien und bei denen es sich deshalb nicht um Wahlkampfkosten handele. FA und FG (FG München, Urteil vom 26.10.2017, 10 K 614/17, Haufe-Index 11433081, EFG 2018, 213) lehnten dies ab.

 

Entscheidung

Auch die Revision der Klägerin blieb erfolglos. Der BFH verweist stattdessen auf die Wahlkampfkostenerstattung, die den Parteien beim Erreichen bestimmter Stimmanteile gezahlt wird. Diese komme auch den Bewerbern zugute.

 

Hinweis

Nach § 22 Nr. 4 Satz 3 EStG dürfen Wahlkampfkosten zur Erlangung eines Mandats im Bundestag, im Europäischen Parlament oder im Parlament eines Landes nicht als Werbungskosten abgezogen werden. Soweit ersichtlich, hat sich der BFH zum ersten Mal mit der Vorschrift befassen müssen:

1. Persönlicher Anwendungsbereich: Sie gilt nicht nur für Abgeordnete, die ein Mandat bereits errungen haben, sondern auch für erfolglos gebliebene Kandidaten.

a) Für das engere Verständnis spricht zwar ihre Stellung im Gesetz und dass Nr. 4 Satz 2 bei erfolglos gebliebener Kandidatur offenbar nicht anwendbar ist.

b) Die Vorschrift soll jedoch auch die Chancengleichheit aller Bewerber sichern, die nach Ansicht des Gesetzgebers in Gefahr wäre, wenn die Wahlkampfkosten wegen unterschiedlich hoher steuerlicher Auswirkungen zum Abzug zugelassen wären. Das muss nach Auffassung des BFH auch für erfolglos gebliebene Bewerber gelten.

2. Sachlicher Anwendungsbereich: "Wahlkampfkosten" sind nach dem Verständnis des BFH alle Aufwendungen, die zur Erlangung oder Wiedererlangung eines der genannten Mandate gemacht werden.

a) Die Klägerin hatte argumentiert, es müsse zwischen (nicht abziehbaren) Wahlkampfkosten (im engeren Sinne) und anderen (abziehbaren) Aufwendungen zur Erlangung eines Mandats unterschieden werden. Abziehbar seien z.B. die Aufwendungen bis zur parteiinternen Aufstellung als Kandidat. Der Begriff "Wahlkampf" beziehe sich dagegen nur auf den zeitlich letzten und nach außen gerichteten Abschnitt der Bewerbung um Wählerstimmen.

b) Der BFH vollzieht diese Differenzierung zwar nach, indem er begrifflich zwischen dem sog. "Schlusswahlkampf" um die Wählerstimmen und der unabdingbar vorausgehenden parteiinternen Kandidatenkür unterscheidet. Beides diene jedoch der Erlangung eines Mandats für die Partei und sei begrifflich Wahlkampf. Es lasse sich deshalb weder eine sachliche noch eine zeitliche Grenze ziehen, bis zu der abzugsfähige Aufwendungen vorliegen könnten. Nach diesem weitest möglichen Verständnis beginnt der "Wahlkampf" bereits mit dem Entschluss des Bewerbers, sich um ein Mandat zu bemühen, zunächst parteiintern und dann ggf. auch nach außen. Als Folge davon bleiben alle Aufwendungen, die in diesem Zusammenhang getätigt werden, ohne steuerliche Auswirkungen. Der Gesetzgeber hätte deshalb auf den Begriff der Wahlkampfkosten verzichten und schlicht formulieren können: Werbungskosten zur Erlangung eines Mandats … können nicht abgezogen werden.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 10.12.2019 – IX R 32/17

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