Leitsatz

Versorgungsleistungen, die das Kind aufgrund einer Vermögensübergabe im Wege vorweggenommener Erbfolge aus den Erträgen des übergebenen Vermögens an den nicht für dieses Kind kin­dergeldberechtigten Vermögensübergeber leistet, sind bei der Bemessungsgrundlage für den Jahresgrenzbetrag (§ 32 Abs. 4 Satz 2 EStG) zu berücksichtigen.

 

Normenkette

§ 32 Abs. 4 Satz 2 EStG

 

Sachverhalt

Die Großmutter übertrug ein Geschäftsgrundstück auf eine GbR, bestehend aus Vater und einem kindergeldberechtigten Kind. Weil die anteiligen Mieteinnahmen den Grenzbetrag überstiegen, lehnte die Familienkasse den Kindergeldantrag ab. Das FG (FG München, Urteil vom 10.12.2009, 5 K 3018/09, Haufe-Index 2296245, EFG 2010, 741) berücksichtigte, dass das Kind Vermögen nur unter der Bedingung der Versorgungsleistungen erhalten hatte, und die Versorgungsleistungen nur als Sonderausgaben abzuziehen waren, und insoweit seine Leistungsfähigkeit nicht erhöht wurde.

 

Entscheidung

Die Revision der Familienkasse hatte aus den in den Praxis-Hinweisen erläuterten Gründen keinen Erfolg. Die Vermögensübertragung war vor dem Streitjahr erfolgt, sodass die Frage, ob der Vermögenserwerb als "andere Bezüge" zu erfassen war, nicht zu entscheiden war. Anders wäre zu entscheiden gewesen, wenn die Versorgungsleistungen an einen zum Kindergeld berechtigten Elternteil geflossen wären.

 

Hinweis

1. Die Vermögensübergabe gegen Versorgungsleistungen ist ein einkommensteuerrechtliches "Biotop". Ausgangspunkt war ursprünglich – vor mehr als einem halben Jahrhundert – die zivilrechtlich berücksichtigte Sonderkonstellation der vorweggenommenen Erbfolge; im Steuerrecht ist die Vorstellung des landwirtschaftlichen Altenteils in § 10 Abs. 1a EStG geregelt. Nach ständiger Rechtsprechung des BFH ist in Fällen der Vermögensübergabe davon auszugehen, dass der Übernehmer des Vermögens durch die Übernahme der Verpflichtung zur Erbringung der Versorgungsleistungen keine Gegenleistung für die Übernahme des Vermögens an den Übergeber i.S. eines Anschaffungsvorgangs erbringt, sondern sich der Übergeber vielmehr aus dem übertragenen Vermögen Teile der nunmehr vom Vermögensübernehmer zu erwirtschaftenden Nettoerträge vorbehält; ein Sachverhalt, der einem Nießbrauchsvorbehalt nahekommt. Versorgungsleistungen sind daher vom Übergeber uneingeschränkt zu versteuern, vom Übergeber als Sonderausgaben (bei Bezugnahme auf § 313 BGB) uneingeschränkt abziehbar.

2. Diese Prämisse, dass der Sachverhalt einem Nießbrauchsvorbehalt eher zu vergleichen ist, als einem teilentgeltlichen Vermögenserwerb, sowie der Umstand, dass der Vermögensübergeber nicht der Kindergeldberechtigte war, hat den BFH zu der Entscheidung veranlasst, dass die Einnahmen aus dem übergebenen Vermögen von vornherein nicht zur Bestreitung des Kindesunterhalts zur Verfügung ständen und daher die Grundsätze des BVerfG zu berücksichtigen seien, wonach jeweils im Einzelfall zu prüfen sei, welche Teile der Einkünfte i.S.d. § 2 Abs. 2 EStG wegen eines sonst vorliegenden Grundrechtsverstoßes im Wege verfassungskonformer Einschränkung nicht angesetzt werden dürfen.

3. Nach Wegfall der Grenzbetragsregelung (ab 2012) ist die Entscheidung ohne Bedeutung. Nach dem JStG 2008 gilt jedoch – bei gleicher Sachverhaltskonstellation (Übertragung von Vermögen im Wege vorweggenommener Erbfolge gegen Verpflichtung zur Zahlung von Versorgungsleistungen) – die Sonderregelung in § 10 Abs. 1a EStG nur noch für bestimmte Vermögensübertragungen, während die davon nicht betroffenen wie teilentgeltliche Anschaffungen zu beurteilen sind (kein unbeschränkter Abzug der Zahlungen an den Übernehmer, sondern nur Berücksichtigung von Werbungskosten wie AfA und Zinsanteil). Wie dieses Spannungsverhältnis aufzulösen ist, bleibt abzuwarten.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 8.11.2012 – V R 57/10

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