Leitsatz

Die Absenkung der Altersgrenze für die Berücksichtigung von Kindern in der Berufsausbildung oder einer Übergangs- oder Wartezeit durch das StÄndG 2007 war ebenso wie die dazu getroffene Übergangsregelung mit dem GG vereinbar.

 

Normenkette

§ 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 2, § 33a Abs. 1, § 52 Abs. 40 S. 4 EStG

 

Sachverhalt

Der Kläger erhielt Kindergeld für seine im Oktober 1983 geborene Tochter, die seit dem Wintersemester 2006/2007 studierte; der Beginn des Studiums hatte sich durch Krankheit und einen einjährigen Sprachaufenthalt im Ausland verzögert.

Die Familienkasse hob die Festsetzung von Kindergeld ab November 2008 wegen Vollendung des 25. Lebensjahrs auf. Einspruch und Klage blieben ohne Erfolg (FG München, Urteil vom 22.04.2009, 9 K 3729/08, Haufe-Index 2184313, EFG 2009, 1842).

 

Entscheidung

Der BFH hat die Revision – zugleich auch in mehreren Parallelfällen – als unbegründet zurückgewiesen. Mit Verfassungsbeschwerden ist aber sicher zu rechnen, daher wird das BVerfG das letzte Wort zu sprechen haben.

 

Hinweis

1. Das Durchschnittsalter der Hochschulabsolventen (erster akademischer Abschluss) lag 2008 nach Angaben des Statistischen Bundesamts bei 27,5 Jahren, allerdings mit leicht fallender Tendenz. Infolge der Absenkung der Altersgrenze durch das StÄndG 2007 auf die Vollendung des 25. Lebensjahrs werden also zahlreiche Studenten nicht mehr als Kinder berücksichtigt; daneben betrifft die Neuregelung auch Absolventen des zweiten Bildungswegs sowie Ausbildungswechsler.

2. Der Gesetzgeber hat das Existenzminimum sämtlicher Familienmitglieder steuerfrei zu belassen, d.h. auch die existenziellen Mindestaufwendungen der Eltern für den Unterhalt ihrer Kinder. Dem wird aber bereits dadurch genügt, dass Eltern ihre (typischen) Unterhaltsleistungen an die Kinder nach Erreichen der (alten und der neuen) Altersgrenze als außergewöhnliche Belastung nach § 33a Abs. 1 EStG abziehen können. Die Höhe der abziehbaren Unterhaltsleistungen entspricht dem verfassungsrechtlich unbedenklichen Grundfreibetrag (§ 32a Abs. 1 S. 2 Nr. 1 EStG) und liegt über den Freibeträgen nach § 32 Abs. 6 EStG, die sich im Streitjahr 2008 auf 5808 EUR und derzeit auf 7008 EUR belaufen.

§ 33a Abs. 1 EStG ist allerdings in mehrfacher Hinsicht ungünstiger als Kindergeld und Freibeträge: Nur die tatsächlichen Unterhaltsleistungen können abgezogen werden, "vermögende" Kinder sind gem. § 33a Abs. 1 S. 4 EStG ausgeschlossen – die Grenze liegt bei 15 500 EUR. Wegen der Minderung des Höchstbetrags durch Einkünfte und Bezüge des Kindes ermöglicht § 33a Abs. 1 EStG auch nicht die quasi doppelte Freistellung des Existenzminimums sowohl beim Kind als auch bei den Eltern.

Wenn § 33a Abs. 1 EStG ohne Weiteres die verfassungsrechtlichen Anforderungen erfüllt, dürfte der Gesetzgeber die Altersgrenze noch weiter absenken und einen noch größeren Teil der in Ausbildung befindlichen Kinder vom Kindergeld bzw. den Freibeträgen nach § 32 Abs. 6 EStG herausnehmen.

3. Die Überschreitung der Altersgrenze führt zum Wegfall des Entlastungsbetrags für Alleinerziehende (§ 24b EStG), des Freibetrags zur Abgeltung des Sonderbedarfs wegen auswärtiger Unterbringung des Kindes (§ 33a Abs. 2 EStG) sowie der Minderung der zumutbaren Belastung (§ 33 Abs. 3 S. 2 EStG). Nachteile können sich auch bei der Altersvorsorge der Eltern (vgl. dazu die Übergangsregelung in § 52 Abs. 40 S. 9 EStG, jetzt S. 10) und bei der Beamtenbesoldung und -beihilfe ergeben. Ob diese Nachteile im Zusammenhang mit der der Absenkung der Altersgrenze verfassungsgemäß sind und woran dies zu messen wäre (z.B. die beamtenrechtlichen Folgen an Art. 33 Abs. 5 GG?), hat der BFH offengelassen, da der Gesetzgeber hier auch anders als durch die (Wieder-)Heraufsetzung der Altersgrenze abhelfen könnte, z.B. indem er bei diesen Vorschriften auch ältere Kinder einbezieht, die sich noch in Ausbildung befinden und an die nach § 33a Abs. 1 EStG abziehbarer Unterhalt geleistet wird (vgl. § 33a Abs. 1 S. 2 EStG n.F.).

4. Die Absenkung der Altersgrenze verstößt nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG. Zwar werden Eltern von mindestens 25 Jahre alten Kindern gegenüber denen von jüngeren Kindern benachteiligt, dies ist aber sachlich gerechtfertigt durch die mit dem StÄndG 2007 bezweckte Haushaltskonsolidierung und das Ziel, einen Anreiz für eine schnellere Aufnahme der Berufstätigkeit zu geben. Dem entsprechen Schulreformen, die einen schnelleren Abschluss ermöglichen (vorgezogenes Schuleintrittsalter, Schnellläuferklassen, Abitur nach dem 12. Schuljahr).

5. Die Absenkung der Altersgrenze betrifft zahlreiche Eltern, deren Kinder von den Schulreformen noch nicht profitieren konnten und die sich im Vertrauen auf das Fortbestehen der bisherigen Altersgrenze für eine langwierige Ausbildung entschieden haben (z.B. Auslandssemester, Doppelstudium) oder deren Ausbildung sich z.B. wegen Krankheit oder Ausbildungswechsel verzögert hat. Darin liegt aber kein Verstoß gegen das aus dem Rechtsstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 3 GG fol...

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