Leitsatz

Die Anschaffungskosten einer durch Kaufvertrag bzw. Werklieferungsvertrag erworbenen Windkraftanlage können erst ab dem Zeitpunkt des Übergangs des wirtschaftlichen Eigentums abgeschrieben werden. Das wirtschaftliche Eigentum an einer Windkraftanlage geht erst im Zeitpunkt des Gefahrübergangs auf den Erwerber/Besteller über.

 

Normenkette

§ 39 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 AO, § 437, § 346, § 446, § 651 BGB, § 7 Abs. 2, § 7g Abs. 2 EStG

 

Sachverhalt

Eine KG hatte auf gepachteten Grundstücken Windkraftanlagen (WKA) errichten lassen. Die mit der Errichtung beauftragte Projektgesellschaft hatte die Anlagen schlüsselfertig zu errichten. Die letzte Kaufpreisrate war spätestens einen Monat nach Inbetriebnahme fällig, wenn die Mängelfreiheit durch einen Gutachter festgestellt wurde. Die Projektgesellschaft beauftragte ihrerseits im Juli 2004 ein anderes Unternehmen mit der Lieferung, Montage und Inbetriebnahme der Anlagen. Die Anlagen wurden im November 2004 von der Lieferantin in Betrieb genommen. Seither bezog die KG Einspeisevergütungen für den gelieferten Strom. Ende 2004 hatte sie 95 % des Gesamtkaufpreises an die Projektgesellschaft gezahlt.

Erst im September 2005 nahm die Projektgesellschaft die Anlage von der Lieferantin ab. Bereits im Juli 2004 hatte die KG mit der Lieferantin einen Versicherungs- und Wartungsvertrag für die WKA mit einer Laufzeit von zehn Jahren abgeschlossen. Der Vertrag trat frühestens mit der Abnahme in Kraft. Das erste Vertragsjahr begann tatsächlich im September 2005.

In ihrer Bilanz auf den 31.12.2004 aktivierte die KG die WKA und nahm degressive Abschreibungen sowie eine Sonderabschreibung nach § 7g EStG vor. Ebenso verfuhr die KG in der Bilanz des Folgejahrs.

Nach einer Außenprüfung war das FA der Meinung, die WKA seien erst im September 2005 angeschafft worden, sodass die AfA erst von diesem Zeitpunkt an vorgenommen werden dürften. Im Jahr 2005 konnte die KG infolge ihrer Betriebsgröße keine Sonderabschreibung nach § 7g EStG mehr vornehmen.

Die von der KG gegen die entsprechend geänderten Gewinnfeststellungsbescheide 2004 und 2005 erhobene Klage hatte keinen Erfolg (Niedersächsisches FG, Urteil vom 20.11.2013, 4 K 124/13, Haufe-Index 6528199, EFG 2014, 824).

 

Entscheidung

Der BFH bestätigte die Vorentscheidung. Bei einer Werklieferung gehe wirtschaftliches Eigentum frühestens mit Abnahme über. Diese habe nach den getroffenen Feststellungen erst 2005 stattgefunden. Erst von diesem Zeitpunkt an könne die KG die Abschreibungen vornehmen.

 

Hinweis

1. Zu Fragen der Aktivierung und Abschreibung von Windkraftanlagen hat der BFH bereits in der Vergangenheit mehrfach entscheiden müssen und dabei insbesondere geklärt, dass Turm, Rotor, Generator und Trafo einschließlich der Niederspannungsverkabelung ein einheitlich abzuschreibendes Wirtschaftsgut bilden (BFH, Urteil vom 14.4.2011, IV R 46/09, BStBl II 2011, 696, BFH/NV 2011, 1232). Mit der Abschreibung zu beginnen ist im Zeitpunkt der Anschaffung der betriebsbereiten Anlage; die tatsächliche Inbetriebnahme ist für den Beginn der Abschreibung nicht erforderlich (BFH, Urteil vom 1.2.2012, I R 57/10, BStBl II 2012, 407, BFH/NV 2012, 1052).

2. Im Fall des hiesigen Urteils war die Anlage schon in Betrieb genommen worden und der Betreiber erhielt bereits Erlöse aus den Stromlieferungen. Trotzdem durfte die Anlage von ihm aber nach Meinung des BFH noch nicht abgeschrieben werden. Auch wenn er schon Nutzungen aus der Anlage zog, war der Betreiber noch nicht wirtschaftlicher Eigentümer geworden, weil er die im Rahmen eines Werkliefervertrags errichtete Anlage noch nicht abgenommen hatte.

Ist eine Abnahme vertraglich oder gesetzlich Voraussetzung für den Übergang der Gefahr, geht das wirtschaftliche Eigentum frühestens mit der Abnahme über. Es kann danach zu dem merkwürdigen Ergebnis kommen, dass man bereits Einkünfte aus dem funktionsfähig fertiggestellten Wirtschaftsgut erzielt, dieses aber mangels Übergang des wirtschaftlichen Eigentums im steuerrechtlichen Sinn noch nicht angeschafft hat und deshalb auch keine Abschreibungen vornehmen kann.

Wer bis dahin wirtschaftlicher Eigentümer ist (regelmäßig der Lieferant), kann ebenfalls keine Abschreibungen auf die Anlage vornehmen, weil sie bei ihm nicht zum abnutzbaren Anlagevermögen gehört. Bis zur Abnahme kann deshalb niemand Abschreibungen in Anspruch nehmen.

3. Verloren geht durch die erst mit Abnahme beginnenden Abschreibungen grundsätzlich nichts. Denn vom Zeitpunkt des Abschreibungsbeginns an stehen die gesamten Anschaffungskosten als Abschreibungsvolumen zur Verfügung. Außerdem verkürzt sich wohl die Abschreibungsdauer. Denn wenn die Anlage bereits vor der Abnahme in Betrieb war, wird die betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer mit Inbetriebnahme begonnen haben. Nach Abnahme läuft dann ein entsprechend verkürzter Abschreibungszeitraum.

Als Nachteil bleibt, dass die Steuerminderung durch die AfA später eintritt. Und die spätere Anschaffung kann – wie der Streitfall zeigt – auch weitere nicht korrigierbare Nachteile mi...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Finance Office Professional. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge