1.1.3.1 Abschreibungsgebot und Abschreibungswahlrecht

 

Rz. 45

Ohne Rücksicht darauf, ob ihre Nutzung zeitlich begrenzt ist, sind handelsrechtlich Vermögensgegenstände des Anlagevermögens allgemein bei voraussichtlich dauernder Wertminderung außerplanmäßig abzuschreiben, um die Vermögensgegenstände mit dem niedrigeren Wert anzusetzen, der ihnen am Abschlussstichtag beizulegen ist (§ 253 Abs. 3 Satz 5 HGB). Es besteht daher nur bei einer voraussichtlich dauernden Wertminderung ein Gebot zur Abschreibung auf den niedrigeren am Abschlussstichtag beizulegenden Wert. Bei einer vorübergehenden Wertminderung besteht daher ein Abschreibungsverbot. Mit dieser Beschränkung wird von dem gemilderten Niederstwertprinzip gesprochen.

Bei Finanzanlagen besteht aber bei voraussichtlich nicht dauernder, also vorübergehender Wertminderung ein Wahlrecht, sie auf den niedrigeren Wert abzuschreiben (§ 253 Abs. 3 Satz 6 HGB). Bei voraussichtlich dauernder Wertminderung gilt für sie, wie für alle Vermögensgegenstände des Anlagevermögens, das Gebot, sie auf den niedrigeren Wert abzuschreiben.

 
Außerplanmäßige Abschreibungen
  Vermögensgegenstände des Anlagevermögens mit Ausnahme der Finanzanlagen Finanzanlagen
voraussichtlich nicht dauernde, also vorübergehende, Wertminderung Abschreibungsverbot Abschreibungswahlrecht
voraussichtlich dauernde Wertminderung Abschreibungsgebot Abschreibungsgebot

1.1.3.2 Abschreibungsgebot

1.1.3.2.1 Geltung für Sachanlagen und Finanzanlagen

 

Rz. 46

Eine Abschreibung auf den niedrigeren Wert ist bei Anlagegegenständen nur bei einer voraussichtlich dauernden Wertminderung geboten, im Gegensatz zu den Umlaufgegenständen, die handelsrechtlich bei jeder Wertminderung auf den niedrigeren Wert abzuschreiben sind.[1] Daher wird diese Regelung, im Gegensatz zum strengen Niederstwertprinzip bei den Umlaufgegenständen, als gemildertes Niederstwertprinzip bezeichnet.

Dem Abschreibungsgebot im Falle einer voraussichtlich dauernden Wertminderung unterliegen alle Vermögensgegenstände des Anlagevermögens, also sowohl die Sachanlagen als auch die Finanzanlagen.

[1]

S. Rz. 63.

1.1.3.2.2 Voraussichtlich dauernde Wertminderung

 

Rz. 47

Vom Gesetz werden die Gegensatzpaare "voraussichtlich dauernde Wertminderung" im Zusammenhang mit allen Vermögensgegenständen des Anlagevermögens und "voraussichtlich nicht dauernde Wertminderung" im Zusammenhang mit Finanzanlagen verwendet. Was hierunter zu verstehen ist, ist durch Auslegung zu ermitteln.

"Voraussichtlich" hat im Zusammenhang mit "dauernd" nichts mit hellseherischen Fähigkeiten zu tun. Das Merkmal "voraussichtlich" wird in § 253 Abs. 3 HGB für die abnutzbaren Anlagegegenstände gebraucht. Diese sind auf die Geschäftsjahre planmäßig abzuschreiben, in denen sie "voraussichtlich" genutzt werden können (§ 253 Abs. 3 Satz 2 HGB). Wenn es in § 253 Abs. 3 Satz 5 HGB heißt, dass, ohne Rücksicht darauf, ob ihre Nutzung zeitlich begrenzt ist, bei einer "voraussichtlich dauernden Wertminderung" außerplanmäßige Abschreibungen auf den niedrigeren am Abschlussstichtag beizulegenden Wert vorzunehmen sind, so ist aus dem Zusammenhang zu schließen, dass der Gesetzgeber hierbei in erster Linie an die abnutzbaren Anlagegegenstände gedacht hat. Ihre Werte nehmen ohnehin laufend während der Nutzungsdauer ab, sodass der durch planmäßige Abschreibung sich ergebende Wert im Laufe der Nutzungsdauer den Wert erreicht, der bei außerplanmäßiger Abschreibung anzusetzen ist.

Im Zusammenhang gesehen bezieht sich daher dieses "voraussichtlich" auf die Nutzungsdauer.

Eine "voraussichtlich dauernde Wertminderung" sollte vorliegen, wenn der Zeitwert den Wert, der sich aus planmäßigen Abschreibungen ergibt, während eines erheblichen Teils der Restnutzungsdauer nicht erreichen wird.[1] In diesem Fall hat auch der BFH in seiner Rechtsprechung ein Abschreibungsgebot auf den niedrigeren Teilwert angenommen.[2]

[1] Vgl. Bertram/Kessler, in Bertram/Kessler/Müller, Haufe HGB Bilanz Kommentar, 13. Aufl. 2022, § 253 HGB Rz. 233 f.

1.1.3.2.3 Abnutzbare Vermögensgegenstände des Anlagevermögens

 

Rz. 48

Abnutzbare Anlagegegenstände werden durch planmäßige Abschreibungen laufend während ihrer Nutzungsdauer in ihren Wertausweisen gemindert. Wird ihr Wert durch ein Ereignis währen der Dauer ihrer Betriebszugehörigkeit gemindert, stimmt der Buchwert im Verlauf der planmäßigen Abschreibung zu einem Zeitpunkt mit dem Stichtagswert der außerplanmäßigen Abschreibung überein. Bei einer voraussichtlich kurzfristigen (vorübergehenden) Unterschreitung der sich bei der planmäßigen Abschreibung ergebenden Buchwerte sollen daher die Unternehmen nicht gezwungen sein, den tatsächlichen Wert anzusetzen und damit den Abschreibungsplan zu berichtigen.

Ergibt sich im Zeitpunkt der Erstellung des Jahresabschlusses nicht, dass die Wertminderung aufgrund zwischenzeitlicher Werterholung nur vorübergehend war, ist nur bei eindeutigen Anhaltspunkten von einer nur vorübergehenden Wertminderung auszugehen. Bei Zweifeln über den Zeitpunkt und Umfang einer künftigen Werterholung sollte von einer dauernden Wertminderung ausgegangen werden.[1]

 

Rz. 49

Voraussichtlich dauernd ist daher eine Wertminderung bei Vermögensgegenständen, die der planmäßige...

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