Leitsatz

1. Übernimmt der Unternehmer für eine Stadt den Betrieb verschiedener Einrichtungen (Tierpark, Schwimmbad und Sportplatz) gegen Übernahme der mit dem Betrieb dieser Einrichtungen verbundenen Verluste (Ausgleichszahlungen), kann es sich entweder um Entgelte der Stadt nach § 10 Abs. 1 S. 3 UStG für die gegenüber den Nutzern der Einrichtungen erbrachten Leistungen oder um Entgelte für eine gegenüber der Stadt ausgeführte Betriebsführungsleistung handeln.

2. Beruht die wirtschaftliche Eingliederung nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG auf Leistungen des Mehrheitsgesellschafters (Organträger) gegenüber seiner Tochtergesellschaft (Organgesellschaft), müssen entgeltliche Leistungen vorliegen, denen für das Unternehmen der Organgesellschaft mehr als nur unwesentliche Bedeutung zukommt.

 

Normenkette

§ 10 Abs. 1 S. 3, § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG 1993/1999, Art. 11 Teil A Abs. 1 Buchst. a, Art. 4 Abs. 4 der 6. EG-RL

 

Sachverhalt

Eine Gemeinde erteilte "ihrer" GmbH (Klägerin) den Auftrag zur Bewirtschaftung von Schwimmbad, Tierpark und Sportplatz, überließ dafür unentgeltlich die Grundstücke und verpflichtete sich zur Verlustübernahme.

 

Entscheidung

Der BFH verwies die Sache an das FG zurück (FG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 07.11.2006, 1 K 424/04, Haufe-Index 2103358, EFG 2009, 615). Das FG muss prüfen, ob es sich um zusätzliches Entgelt (§ 10 Abs. 1 S. 3 UStG) für die Leistungen an die Benutzer handelt und die Voraussetzungen von § 4 Nr. 20 Buchst. a S. 2 UStG oder § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. d und Nr. 9 UStG. Auch für eigenständige Betriebsführungsleistungen kommt der ermäßigte Steuersatz nach § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. d und Nr. 9 UStG in Betracht.

 

Hinweis

1. Der für die Steuerbarkeit erforderliche Leistungsaustausch liegt nicht vor, wenn Zahlungen aus öffentlichen Kassen z.B. aus struktur- oder allgemeinpolitischen oder volkswirtschaftlichen Gründen erfolgen und lediglich dazu dienen, die Tätigkeit des Zahlungsempfängers allgemein zu fördern, nicht aber als Gegenwert für eine Leistung des Zahlungsempfängers an den Träger der öffentlichen Kasse anzusehen sind. Anders ist es, wenn Zahlungen zur Ausführung bestimmter Leistungen im Interesse des Zuwendenden geleistet werden.

2. Erbringt z.B. ein Unternehmer aufgrund eines gegenseitigen Vertrags Leistungen zur Erfüllung der von ihm übernommenen Aufgaben einer juristischen Person des öffentlichen Rechts (jPöR) Leistungen gegen Entgelt, ist grundsätzlich von einem Leistungsaustausch auszugehen. Unerheblich ist, ob es sich um eine "Pflichtaufgabe" oder um freiwillige Aufgaben der Körperschaft handelt oder nicht. Ebenso unerheblich ist, ob Einrichtungen (z.B. Schwimmbad oder Zoo) zum Nutzen der Allgemeinheit betrieben werden. Das sind Motive, die aber nicht den für den Leistungsaustausch erforderlichen Zusammenhang infrage stellen.

3. Besonderheiten ergeben sich vor allem auch nicht für das Verhältnis zwischen einer Gesellschaft (hier GmbH) und ihrem Gesellschafter (hier jPöR).

4. Bei Zahlungen einer jPöR im Zusammenhang mit dem Betrieb eines Schwimmbads oder eines Zoos kann es sich um Entgelt eines Dritten nach § 10 Abs. 1 S. 3 UStG für Leistungen handeln, wenn sie preisauffüllenden Charakter haben, weil die jPöR die Höhe der für die Nutzung der Einrichtungen zu entrichtenden Entgelte vorgab und sich zur Verlustdeckung verpflichtete. Dann ist maßgeblich, ob die Leistung der Einrichtung an die Nutzer steuerbefreit oder ermäßigt zu besteuern ist. Handelt es sich dagegen um Entgelt für die Leistung an die jPöR, ist in Bezug auf diesen Umsatz zu prüfen, ob eine Ausnahme von der Regelbesteuerung vorliegt.

5. Organträger nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG können auch jPöR sein, wenn und soweit sie Unternehmer sind. Aufgrund einer bloßen Beteiligung, einer unentgeltlichen Tätigkeit oder durch die Tätigkeit einer mit ihr verbundenen Gesellschaft wird die juristische Person des öffentlichen Rechts allerdings nicht zum Unternehmer. Die entgeltlichen Leistungen, die eine Unternehmereigenschaft der jPöR begründen, können auch an eine Gesellschaft erbracht werden, mit der als Folge dieser Leistungstätigkeit eine Organschaft besteht. Allein: Die wirtschaftliche Eingliederung setzt einen "vernünftigen wirtschaftlichen Zusammenhang im Sinn einer wirtschaftlichen Einheit, Kooperation oder Verflechtung auch in verschiedenen Wirtschaftszweigen" voraus. Die unternehmerischen Tätigkeiten von Organträger und Organgesellschaft müssen aufeinander abgestimmt sein und sich fördern und ergänzen. Eine unentgeltliche (daher nicht unternehmerische) Grundstücksüberlassung und marginale Leistungen begründen keinen wirtschaftlichen Zusammenhang. Auch wenn sich die Tätigkeit des Mehrheitsgesellschafters auf die Erbringung einer bloßen Beistellung für die von der Tochtergesellschaft bezogene Leistung bezieht, liegt keine entgeltliche Leistung i.S.d. § 1 Abs. 1 UStG vor.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 18.06.2009 – V R 4/08

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