Leitsatz

Die Abgabe von Würsten, Pommes frites und ähnlichen standardisiert zubereiteten Speisen an einem nur mit behelfsmäßigen Verzehrvorrichtungen ausgestatteten Imbissstand ist eine einheitliche Leistung, die als Lieferung dem ermäßigten Steuersatz unterliegt.

 

Normenkette

§ 3 Abs. 1, § 3 Abs. 9, § 12 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 1, Nrn. 28, 31, 32, 33 der Anlage zu § 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG 1993/1999, Art. 5 Abs. 1, Art. 6 Abs. 1, Art. 12 Abs. 3 Buchst. a, Anhang H Kategorie 1 der 6. EG-RL

 

Sachverhalt

Der Kläger betrieb in den Streitjahren 1996 bis 1999 mehrere Imbissstände. Er verkaufte verzehrfertige Speisen, wie z.B. Bratwurst, Currywurst, Pommes frites. An den Imbissständen waren Ablagebretter angebracht.

Der Kläger unterwarf seine Umsätze dem ermäßigten Steuersatz.

Das FA war der Auffassung, die an Ort und Stelle verzehrten Speisen seien dem Regelsteuersatz zu unterwerfen, und schätzte deren Anteil auf 80 %.

Das FG Münster wies die Klage ab (FG Münster, Urteil vom 13.11.2007, 15 K 194/04 U, Haufe-Index 1956228, EFG 2008, 647).

 

Entscheidung

Die Revision des Klägers hatte Erfolg.

Der BFH hob die Vorentscheidung auf und gab der Klage mit dem Begehren, auf die Umsätze an den Imbissständen den ermäßigten Steuersatz anzuwenden, statt.

Die Gründe für die Entscheidung des BFH ergeben sich aus den in den Praxis-Hinweisen wiedergegebenen Ausführungen des EuGH.

 

Hinweis

1. Im vorliegenden Verfahren hatte der BFH mit Beschluss vom 15.10.2009, XI R 37/08 (BFH/NV 2010, 127, BFH/PR 2010, 65) eine Vorabentscheidung des EuGH zur Klärung der Frage eingeholt, ob die Abgabe von verzehrfertigen Speisen an Imbissständen eine Dienstleistung ist, die dem regulären Steuersatz unterliegt, oder eine Lieferung, die gem. § 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG dem ermäßigten Steuersatz zu unterwerfen ist.

2. Der EuGH hat mit Urteil vom 10.03.2011 in den verbundenen Rechtssachen C-497/09, C-499/09, C-501/09 (Besprechungsfall) und C-502/09, "Bog, u.a." (BFH/NV 2011, 956, BFH/PR 2011, 184) den Verkauf von Würsten, Pommes frites und anderen Nahrungsmitteln an Imbissständen zum sofortigen warmen Verzehr als Lieferung qualifiziert und zur Begründung ausgeführt:

„67. Dazu ist zunächst festzustellen, dass die Abgabe solcher Waren ihr Kochen, Backen, Braten oder Aufwärmen voraussetzt, was eine Dienstleistung darstellt, die im Rahmen der Gesamtbeurteilung des fraglichen Umsatzes zum Zweck seiner Einstufung als Lieferung von Gegenständen oder als Dienstleistung zu berücksichtigen ist.

68. Da sich jedoch die Zubereitung des warmen Endprodukts im Wesentlichen auf einfache, standardisierte Handlungen beschränkt, die in den meisten Fällen nicht auf Bestellung eines bestimmten Kunden, sondern entsprechend der allgemein vorhersehbaren Nachfrage ständig oder in Abständen vorgenommen werden, stellt diese Zubereitung nicht den überwiegenden Bestandteil des fraglichen Umsatzes dar und kann allein diesem nicht den Charakter einer Dienstleistung verleihen.

69. Was die charakteristischen Dienstleistungsbe­standteile der Restaurationsumsätze angeht, wie sie sich aus der in den Rd.-Nrn. 63 bis 65 des vorliegenden Urteils angeführten Rechtsprechung ergeben, so gibt es im Rahmen der in den Ausgangsverfahren in den Rechtssachen C-497/09 und C-501/09 in Rede stehenden Tätigkeiten keinen Kellnerservice, keine echte Beratung der Kunden und keine Bedienung im eigentliche Sinne, die insbesondere in der Weiterleitung der Bestellungen an die Küche, in der späteren Präsentation der Speisen und deren Darreichung an den Kunden am Tisch bestünde. Auch sind keine geschlossenen, temperierten Räume speziell für den Verzehr der abgegebenen Nahrungsmittel, keine Garderobe und keine Toiletten vorhanden, und es wird ganz überwiegend kein Geschirr, kein Mobiliar und kein Gedeck bereitgestellt.

70. Die vom vorlegenden Gericht genannten Dienstleistungselemente bestehen nämlich nur in der Bereitstellung behelfsmäßiger Vorrichtungen, d.h. ganz einfacher Verzehrtheken ohne Sitzgelegenheit, um einer beschränkten Zahl von Kunden den Verzehr an Ort und Stelle im Freien zu ermöglichen. Solche behelfsmäßigen Vorrichtungen erfordern nur einen geringfügigen personellen Einsatz. Unter diesen Umständen stellen diese Elemente nur geringfügige Nebenleistungen dar und können am dominierenden Charakter der Hauptleistung, d.h. dem einer Lieferung von Gegenständen, nichts ändern.

71. ...

74. Folglich ist bei den Tätigkeiten, wie den in den Ausgangsverfahren in den Rechtssachen C-497/09, C-499/09 und C-501/09 fraglichen, das überwiegende Element der betreffenden Umsätze bei einer Gesamtbetrachtung die Lieferung von Speisen oder Mahlzeiten zum sofortigen Verzehr, wobei die diesen wesenseigene einfache, standardisierte Zubereitung und die Bereitstellung behelfsmäßiger Vorrichtungen, die einer beschränkten Zahl von Kunden den Verzehr an Ort und Stelle erlaubt, eine rein untergeordnete Nebenleistung ist. Ob die Kunden die genannten behelfsmäßigen Vorrichtungen benutzen, ist ohne Bedeutung, da der sofortige Verzehr an Ort und Stelle, der kein wes...

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