Leitsatz

Die Abgabe von Bratwürsten, Pommes frites und ähnlichen standardisiert zubereiteten Speisen an einem nur mit behelfsmäßigen Verzehrvorrichtungen ausgestatteten Imbissstand ist eine einheitliche Leistung, die als Lieferung dem ermäßigten Steuersatz unterliegt (Nachfolgeentscheidung zum EuGH-Urteil vom 10.03.2011, C-497/09, C-499/09, C-501/09, C-502/09, Bog u.a., BFH/NV 2011, 956).

 

Normenkette

§ 3 Abs. 1 und 9, § 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG 1999, Art. 5 Abs. 1, Art. 6 Abs. 1, Art. 12 Abs. 3 Buchst. a Anhang H der 6. EG-RL

 

Sachverhalt

Der Kläger verkaufte an einem Imbissstand mit einem Klapptisch, einer Verzehrtheke und einem herausklappbaren Dach Würste, Pommes und Ähnliches und beanspruchte erfolglos die Steuerermäßigung (Vorinstanz: Niedersächsisches FG, Urteil vom 21.08.2008, 5 K 428/07, Haufe-Index 2082758, EFG 2009, 144).

 

Entscheidung

Die Klage hatte aus den in den Praxis-Hinweisen erläuterten Gründen Erfolg.

 

Hinweis

1. Mit zwei zeitgleich veröffentlichten Urteilen hat der BFH im Anschluss an das – auf Vorlagen des BFH beruhende – EuGH-Urteil vom 10.03.2011 (C-497/09 u.a., Manfred Bog u.a., BFH/NV 2011, 956, BFH/PR 2011, 184) zur Abgrenzung von Essenlieferungen (7 %) zu Restaurationsleistungen (19 %) entschieden. Die EuGH-Entscheidung hat im Wesentlichen die bisherige Rechtsprechung des BFH bestätigt, wonach keine quantitative, sondern eine qualitative Betrachtung maßgebend und grundsätzlich die Zubereitung ein wesentliches Dienstleistungselement ist. Neu ist, dass die Zubereitung dann nicht als wesentliche Dienstleistung zu berücksichtigen ist, wenn es sich lediglich um "Standardspeisen" handelt, die mit geringfügigem personellen Einsatz – bei einem Imbissstand für die "Laufkundschaft" – bereits vorbereitet und nach Bedarf abgegeben werden (z.B. Pommes, Bratwürste und Ähnliches).

Die Bereitstellung behelfsmäßiger Vorrichtungen, d.h. "einfacher Verzehrtheken ohne Sitzgelegenheit, um einer beschränkten Zahl von Kunden den Verzehr an Ort und Stelle im Freien zu ermöglichen", sind – wie bisher – nicht als Dienstleistung zu berücksichtigen. Solche behelfsmäßigen Vorrichtungen erfordern nur einen geringfügigen personellen Einsatz. Ob die Kunden die genannten behelfsmäßigen Vorrichtungen benutzen, ist daher ohne Bedeutung.

2. Auch die Abgabe von Standardspeisen führt dagegen zu einem dem Regelsteuersatz unterliegenden Restaurationsumsatz, sobald der leistende Unternehmer seinen Kunden zusätzliches Mobiliar, wie z.B. Tisch(e) mit Sitzgelegenheiten, zur Verfügung stellt. Im Unterschied zur früheren Rechtsprechung sind dabei jedoch Verzehrvorrichtungen Dritter – wie z.B. Tische und Bänke eines Standnachbarn – nicht zu berücksichtigen, und zwar auch dann nicht, wenn diese im Interesse des leistenden Unternehmers zur Verfügung gestellt wurden (BFH, Urteil vom 30.06.2011, V R 18/10, BFH/NV 2011, 1813, BFH/PR 2011, 421).

3. Danach liegt eine nur dem ermäßigten Steuersatz unterliegende Essenlieferung vor, wenn nur einfach zubereitete Speisen (wie z.B. Bratwürste oder Pommes frites oder ähnlich standardisiert zubereitete Speisen) abgegeben werden und dem Kunden lediglich behelfsmäßige Verzehrvorrichtungen (wie z.B. Theken oder Ablagebretter bei Imbissständen) zur Einnahme der Speisen zur Verfügung stehen und der Unternehmer den Kunden kein Mobiliar – wie Tisch und Stühle – zur Verfügung stellt. Dass die Kunden Sitzgelegenheiten Dritter zur Einnahme der Speisen benutzen können, ist unerheblich.

4. Die Abgabe von Standardspeisen ohne zusätzliche Dienstleistungen ist auch das Kriterium für Leistungen eines Partyservices. Allein die Beförderung zum Abnehmer ist – und war auch bisher – nicht als zusätzliche Dienstleistung zu berücksichtigen.

5. Seit dem 01.07.2011 ist Art. 6 Abs. 2 der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 282/2011 maßgeblich: danach gilt die Abgabe von zubereiteten Speisen und/oder Getränken – mit oder ohne Beförderung – ohne weitere unterstützende Dienstleistungen nicht als Restaurant- oder Verpflegungsdienstleistung. Die Kommission konnte das Kriterium der Standardspeisen des EuGH nicht kennen; der EuGH hat offenbar die erlassreife VO nicht gekannt. Sie zieht die Grenze neu: Werden außer der Ausgabe zubereiteter Speisen und deren Transport keine zusätzlichen Dienstleistungen (z.B. Überlassung von Geschirr und Besteck, Mobiliar oder Bedienung) erbracht, liegt eine Lieferung vor.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 30.06.2011 – V R 35/08

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