Rz. 41

Bislang besteht keine Verpflichtung, die vielfältigen ESG-Berichte von PIEs (Erklärung zur Unternehmensführung, nichtfinanzielle Erklärung, Vergütungsbericht) mit der Finanzberichterstattung zu integrieren (Integrated Reporting). Dieser Umstand vergrößert das Risiko von "Greenwashing" und einer Informationsüberflutung durch den stetig steigenden Umfang der ESG-Berichterstattung und die damit einhergehenden inhaltlichen Dopplungen.[1] In jüngerer Zeit hatten viele (inter)nationale Institutionen eine inhaltliche Ausweitung der nichtfinanziellen Berichterstattung empfohlen, z. B. der Sustainable-Finance-Beirat der deutschen Bundesregierung.[2]

 

Rz. 42

Vor diesem Hintergrund wurde die CSRD veröffentlicht, die die inhaltliche Reichweite der Normierungen aus der NFRD 2014 erheblich vergrößert. Die bisherige nichtfinanzielle Erklärung wird in einen Nachhaltigkeitsbericht (ESG-Bericht) überführt, der künftig zwingend als gesonderter Abschnitt im Lagebericht auszuweisen ist (§ 9 Rz 67). Neben einer massiven Ausweitung des Kreises der berichtspflichtigen Unternehmen werden die Berichtsanforderungen wesentlich verbreitert. Im Fokus steht die Betonung des Prinzips der doppelten Wesentlichkeit, wonach nicht nur die klassische Outside-in-Perspektive, sondern auch die herausfordernde Inside-out-Perspektive mit der unternehmerischen Impact-Messung von externen Klima- und Sozialeffekten eingenommen werden soll. So können sich bspw. Klimarisiken einerseits auf die (finanzielle) Geschäftstätigkeit des Unternehmens wesentlich auswirken. Andererseits führt die Geschäftstätigkeit zu einer wesentlichen Beeinflussung der Umwelt als externalisierte Effekte. Die EU-Kommission implementiert hierbei eigenständige Standards für die Nachhaltigkeitsberichterstattung anstelle einer Übernahme eines bestimmten existierenden Leitfadens (§ 9 Rz 73 ff.). Durch delegierte Rechtsakte wurde die EFRAG damit beauftragt, EU-Standards zur Nachhaltigkeitsberichterstattung zu entwickeln. Die EFRAG hat zwischenzeitlich die ESRS der EU-Kommission vorgelegt (§ 9A). Neben Umwelt- und Sozialthemen werden auch Governance-Angaben im neuen Nachhaltigkeitsbericht erfasst.

 

Rz. 43

Nach der CSRD wird allerdings die Chance einer vollständigen Synchronisierung bisheriger ESG-Berichte mit dem "neuen" Nachhaltigkeitsbericht vertan. Lediglich für die Diversitätsberichterstattung als Teil der Erklärung zur Unternehmensführung wird ein Mitgliedstaatenwahlrecht eröffnet, diese in den Nachhaltigkeitsbericht zu integrieren. Für andere Teile, z. B. für die Entsprechenserklärung zum Corporate Governance Kodex, ist keine Integration vorgesehen. Entsprechendes gilt für den "neuen" Vergütungsbericht nach der angepassten EU-Aktionärsrechte-Richtlinie. Insofern ist davon auszugehen, dass auch die neue Nachhaltigkeitsrichtlinie der EU-Kommission lediglich eine Übergangslösung darstellen wird auf dem langfristigen Pfad einer integrierten Finanz- und ESG-Berichterstattung.

 

Rz. 44

Nach der CSRD sollen große haftungsbeschränkte EU-Unternehmen, große EU-Kreditinstitute sowie Versicherungen zur Erstellung eines Nachhaltigkeitsberichts verpflichtet werden, sofern 2 der folgenden Kriterien (20 Mio. EUR Bilanzsumme, 40 Mio. EUR Umsatzerlöse und 250 Mitarbeiter) an 2 aufeinanderfolgenden Geschäftsjahren überschritten werden. Ferner sollen sämtliche in der EU börsennotierten Unternehmen – mit Ausnahme der Mikro-Unternehmen – unter die Berichtspflicht fallen. Nicht-EU-Unternehmen mit einem Umsatz innerhalb der EU und mit EU-Niederlassungen oder EU-Tochterunternehmen mit über 150 Mio. EUR Umsatz fallen künftig ebenfalls unter die Berichtspflicht. Für alle anderen Non-PIE-Unternehmen ist keine Pflicht zur Nachhaltigkeitsberichterstattung vorgesehen, wobei die EU-Kommission unverbindliche Empfehlungen für eine "maßgeschneiderte" Berichterstattung auch für die SMEs erlassen möchte. Unabhängig von der konkreten Berichtspflicht nach der CSRD wird die Integration von Nachhaltigkeit in die Corporate Governance über die Beachtung der Sorgfaltspflichten nach dem LkSG und der geplanten CSDD-Richtlinie auch für (kapitalmarktferne) mittelständische Unternehmen relevant. Insofern bedarf es einer Diskussion, inwiefern die ehemals nur für PIEs regulierte Vergütungs- und Corporate-Governance-Berichterstattung (inkl. der Befolgung der Empfehlungen des nationalen Corporate Governance Kodex) mit dem neuen ESG-Bericht nach der CSRD und der geplanten CSDD-Richtlinie noch aufrechterhalten werden kann.

[1] Vgl. Simon-Heckroth/Borcherding, WPg 2020, S. 210; Velte/Simon-Heckroth/Borcherding, WPg 2020, S. 1349.
[2] Vgl. Sustainable-Finance-Beirat der Bundesregierung, Zwischenbericht. Die Bedeutung einer nachhaltigen Finanzwirtschaft für die große Transformation, https://sustainable-finance-beirat.de/wp-content/uploads/2020/03/200306_SFB-Zwischenbericht_DE.pdf, abgerufen am 3.1.2023; hierzu auch Schmidt, DB 2020, S. 233.

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