Rz. 35

Die zwingende Einrichtung von Nachhaltigkeitsexperten im Verwaltungsrat wird auf internationaler Ebene kontrovers diskutiert,[1] wobei einige Staaten bereits Regulierungen hierzu erlassen haben. So sieht das Indische Aktienrecht durch den sog. "Companies Act 2013" die obligatorische Einrichtung eines Nachhaltigkeitsausschusses mit mind. 3 Personen im Verwaltungsrat bei Unternehmen ab einem bestimmten finanziellen Schwellenwert vor, wobei zumindest ein unabhängiges Mitglied vorzuhalten ist.[2] Die zentralen Aufgaben von Nachhaltigkeitsausschüssen, die auch in Deutschland bereits häufig auf freiwilliger Basis bei PIEs implementiert wurden, richten sich an die Formulierung und Empfehlung einer Nachhaltigkeitspolitik für den Verwaltungsrat sowie die Überwachung der Nachhaltigkeitsinitiativen des Unternehmens.

 

Rz. 36

Auch der SFB empfiehlt in seinem Abschlussbericht eine Berücksichtigung von Nachhaltigkeitsexpertise als Kriterium bei der Besetzung von Vorständen im Deutschen Corporate Governance Kodex (DCGK).[3] Vielfältige betriebswirtschaftliche Studien belegen, dass sich die Einrichtung von Nachhaltigkeitsausschüssen und eines Chief Sustainability Officer (CSO) positiv auf die Nachhaltigkeitsleistung eines Unternehmens auswirken.[4] Daher könnte sich eine künftige Regulierung der Sustainable Corporate Governance auch an die zwingende institutionalisierte Berücksichtigung von Umwelt- und/oder Sozial-Expertise auf Ebene des Vorstands richten. Über eine etwaige Implementierung müsste ebenfalls i. R. d. Erklärung zur Unternehmensführung berichtet werden.[5]

 

Rz. 37

In einem 1. Schritt könnte die Institutionalisierung von Nachhaltigkeitsexpertise im Vorstand und Aufsichtsrat über einen CSO, Beauftragten oder Ausschuss zu einer höheren Sichtbarkeit und einem erhöhten Bewusstsein auf strategischer und operativer Ebene führen. In einem 2. Schritt müsste versucht werden, die Nachhaltigkeitsexpertise in die betriebswirtschaftlichen Funktionen, z. B. in das Finanz- und Rechnungswesen, zu integrieren, um das "Silo-Denken" aufzubrechen. Insofern müsste aus langfristiger Sicht jeder CEO oder CFO auch gleichzeitig ein CSO sein bzw. müsste ein Prüfungsausschuss des Aufsichtsrats auch gleichzeitig Mitglieder mit Nachhaltigkeitsexpertise aufweisen.

Im Unterschied zum Vorstand sieht der DCGK 2022 in Empfehlung C.1 vor, im Kompetenzprofil des Aufsichtsrats auch Expertise zu Nachhaltigkeitsfragen, die für das Unternehmen bedeutsam sind, zu berücksichtigen. Hierbei soll der Aufsichtsrat fachlich zur Überwachung in der Lage sein, wie die ökologische und soziale Nachhaltigkeit bei der strategischen Ausrichtung und der Unternehmensplanung berücksichtigt werden. Der Stand der Umsetzung des Kompetenzprofils soll nach dem DCGK 2022 in einer Qualitätsmatrix offengelegt werden. Ein "Dreiklang" des Sachverstands (Finanz-, Branchen- und Nachhaltigkeitsexpertise) im Aufsichtsrat ist vor dem Hintergrund der Überwachung des Finanz- und Nachhaltigkeitsberichts unverzichtbar.

[1] Vgl. Fleischer, AG 2017, S. 525.
[2] Vgl. Afsharipour/Rana, U.C. Davis Business Law Journal 2014, S. 218.
[3] Vgl. Sustainable-Finance-Beirat der Bundesregierung, Shifting the Trillions. Ein nachhaltiges Finanzsystem für die Große Transformation, 2021, S. 94.
[4] Vgl. Velte/Stawinoga, Do chief sustainability officers and CSR committees influence CSR-related outcomes? A structured literature review based on empirical-quantitative research findings, Journal of Management Control 2020, S. 333.
[5] Vgl. Bachmann, ZGR 2018, S. 239.

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