Rz. 13

Die Transformation der neugefassten EU-Aktionärsrechte-Richtlinie durch das sog. ARUG II im Jahr 2019 hatte zu einer Anpassung des § 87 Abs. 1 S. 2 AktG dahingehend geführt,[1] dass bei der variablen Vorstandsvergütung bei börsennotierten Aktiengesellschaften seither eine "nachhaltige und langfristige Entwicklung der Gesellschaft" zugrunde gelegt werden muss.[2] Durch diese Klarstellung des Gesetzgebers war zu vermuten, dass die Einbeziehung von nichtfinanziellen Leistungsindikatoren in die Vorstandsvergütung nach dem ARUG II notwendig ist. Nach der Klarstellung des Rechtsausschusses darf sich die Ausrichtung der Vorstandsvergütung an einer nachhaltigen Unternehmensentwicklung nicht nur auf eine Berücksichtigung von langfristigen Zielen i. S. d. zeitlichen Dimension beziehen.[3] Vielmehr müssen auch nichtfinanzielle Parameter (Sozial- und Umweltziele) zwingend Berücksichtigung finden.[4] Der Rechtsausschuss führt hierzu an, "dass der Aufsichtsrat bei der Festsetzung der Vergütung, insbesondere der Wahl der Vergütungsanreize auch soziale und ökologische Gesichtspunkte in den Blick zu nehmen hat."[5]

 

Rz. 14

Da die aktienrechtlichen Kommentierungen zu § 87 AktG vor dem ARUG II den Nachhaltigkeitsbegriff lediglich aus zeitlicher Perspektive ausgelegt hatten, ist wenig überraschend, dass nach dem ARUG II eine Einbeziehung von sozialen und umweltrelevanten Aspekten in die Vergütungssysteme zurückhaltend und teilweise sogar ablehnend kommentiert wird.[6] Eine abweichende und meiner Ansicht nach sachgerechte Einschätzung vertritt dagegen Fleischer, wonach die Einbeziehung nichtfinanzieller Leistungsindikatoren "– anders als nach bisher hM – nicht mehr nur gestattet, sondern ausdrücklich geboten"[7] ist.

 

Rz. 15

Insgesamt sind die Meinungen im Fachschrifttum zur zwingenden Einbeziehung von CSR- bzw. ESG-Zielen nach § 87 Abs. 1 S. 2 AktG auch nach dem ARUG II uneinheitlich. Wenig überraschend hatte der Gesetzgeber zur konkreten Ausgestaltung der gewählten Nachhaltigkeitsziele im Vergütungssystem des Vorstands keine konkreten Vorgaben vorgenommen.[8] Für das Geschäftsjahr 2020 zeigte sich, dass ESG-Ziele i. R. d. Vorstandsvergütung bei den DAX-Unternehmen zwar häufig einbezogen wurden, diese bedeutungsmäßig jedoch eher einen "Nebenfaktor" bilden.[9] Die DAX-Unternehmen, die ihr Vergütungssystem nach § 87a AktG bereits 2020 der Hauptversammlung zur Billigung vorgelegt haben, haben der Studie von Arnold et al. zufolge ausnahmslos ESG-Ziele berücksichtigt. Auch die im M-DAX vorgelegten Vergütungssysteme berücksichtigen ganz überwiegend ESG-Ziele. Nachhaltigkeitsziele stellen meistens einen Teil des variablen Vergütungsbestandteils dar und werden entweder als zusätzliche Kennzahl neben den finanziellen Kennzahlen additiv oder als Multiplikator einbezogen. Der Anteil von ESG-Zielen an der Ziel-Gesamtvergütung des Vorstands beträgt allerdings im Durchschnitt nur ca. 5 – 10 %, so dass keine kritische Masse im Vergleich zu finanziellen Leistungsindikatoren erreicht wird und die Anreizwirkung einer stärkeren Umwelt- und Sozialausrichtung des Unternehmens fraglich ist.

 

Rz. 16

Die Regierungskommission DCGK hatte in ihrer jüngsten Kodexnovelle 2022 auf eine Integration von Nachhaltigkeit in die Vorstandsvergütung verzichtet. Der CSDD-Entwurf sieht dagegen eine Verknüpfung von Klimaschutz- und Emissionszielen nach Maßgabe des Pariser Klimaschutzabkommens mit der Vergütung des Verwaltungsrats vor. Vor dem Hintergrund der kritischen Massentheorie würde es sich jedoch anbieten, z. B. einen Mindestanteil von 30 % ökologischen und/oder sozialen Leistungsindikatoren bei der variablen Vorstandsvergütung einzurechnen, um eine signifikante Anreizwirkung zu erzielen. Ferner erscheint der Hinweis wesentlich, dass Nachhaltigkeitsziele i. R. d. Vergütungssystems i. S. d. § 87 AktG auch simultan mit nichtfinanziellen Leistungsindikatoren im Lagebericht nach § 289 Abs. 3 HGB und in der nichtfinanziellen Erklärung nach § 289c Abs. 3 Nr. 5 HGB abgestimmt werden und steuerungsrelevant sind. Vor dem Hintergrund der EU-Taxonomie-Verordnung bietet es sich an, die 6 Umweltziele (z. B. Klimaschutz, Biodiversität) auch bei der Fortentwicklung der nachhaltigen Managementvergütung zu berücksichtigen. Hierdurch lässt sich eine erhöhte Anreizwirkung aufseiten der Geschäftsführung erzielen, ambitionierte Umweltziele i. R. d. Unternehmensstrategie und -planung zu berücksichtigen. Die Implementierung von Nachhaltigkeitszielen bei der Vergütung sollte sich allerdings nicht nur in Umweltaspekten erschöpfen. Soziale Themen, z. B. eine angemessene Zielgröße für die Diversität des Vorstands und Aufsichtsrats, und Governance-Aspekte, z. B. die Erhöhung der Nachhaltigkeitsexpertise im Verwaltungsrat, sind ebenfalls relevant.[10]

 

Rz. 17

Wenngleich weder der Vergütungsbericht nach § 162 AktG noch die nichtfinanzielle Erklärung de lege lata aus inhaltlicher Sicht Gegenstand der Pflichtprüfung durch den Abschlussprüfer ist, so muss dieser im Rahmen seiner Lageberichtsprüf...

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