Leitsatz

Werden Überstundenvergütungen für einen Zeitraum von mehr als zwölf Monaten veranlagungszeitraumübergreifend geleistet, ist die Tarifermäßigung nach § 34 Abs. 2 Nr. 4 2. Halbsatz EStG zu gewähren.

 

Normenkette

§ 34 Abs. 2 Nr. 4 Halbs. 2 EStG

 

Sachverhalt

Der Kläger war als Arbeitnehmer nichtselbstständig tätig. In den Jahren 2013 bis 2015 hatte er rund 330 Überstunden geleistet. Im Jahr 2016 (Streitjahr) wurde das Arbeitsverhältnis aufgehoben. Der Aufhebungsvertrag sah u.a. vor, dass der Arbeitgeber dem Kläger die in den Vorjahren geleisteten und bislang nicht ausgezahlten Überstunden rückwirkend vergütet. In der ESt-Erklärung gab der Kläger die für die Überstunden erhaltene Zahlung in der Anlage N unter "Entschädigungen/Arbeitslohn für mehrere Jahre" an. Das FA gewährte die Tarifermäßigung nach § 34 Abs. 1 EStG auch im Einspruchsverfahren nicht. Das FG gab der hiergegen erhobenen Klage hingegen statt (FG Münster, Urteil vom 23.5.2019, 3 K 1007/18 E, Haufe-Index 13203207, EFG 2019, 1199).

 

Entscheidung

Die Revision des FA hat der BFH aus den in den Praxis-Hinweisen ausgeführten Gründen zurückgewiesen.

 

Hinweis

1. Als ermäßigt zu besteuernde außerordentliche Einkünfte kommen insbesondere Vergütungen für mehrjährige Tätigkeiten in Betracht (§ 34 Abs. 2 Nr. 4 Halbs. 1 EStG).

a) Nach § 34 Abs. 2 Nr. 4 Halbs. 2 EStG ist eine Tätigkeit mehrjährig, soweit sie sich zweckbestimmt über mindestens zwei VZ erstreckt und einen Zeitraum von mehr als zwölf Monaten umfasst. Die mehrjährige Zweckbestimmung kann sich entweder aus dem Anlass der Zuwendung oder aus den übrigen Umständen ergeben. Soweit andere Hinweise auf den Verwendungszweck fehlen, kommt der Berechnung des Entgelts maßgebliche Bedeutung zu.

b) Darüber hinaus muss die Entlohnung für eine mehrjährige Tätigkeit aus wirtschaftlich vernünftigen Gründen in zusammengeballter Form erfolgen.

c) Vergütung für eine mehrjährige Tätigkeit kann insbesondere auch eine Lohnnachzahlung für vorangegangene VZ sein. Dabei steht der Umstand, dass sich die zugeflossene Vergütung aus mehreren Beträgen zusammensetzt, die jeweils einem bestimmten Einzeljahr zugerechnet werden können, der Annahme einer Vergütung für eine mehrjährige Tätigkeit nicht entgegen. Voraussetzung ist nur, dass der Zufluss insgesamt mehrere Jahre betrifft.

2. Die genannten Grundsätze gelten nicht nur für die Nachzahlung von Festlohn, sondern auch für den Fall der nachträglichen Auszahlung von Überstundenvergütungen, soweit die Vergütungen für einen Zeitraum von mehr als zwölf Monaten veranlagungszeitraumübergreifend geleistet werden. Umfasst die Zeitspanne, für die Überstunden veranlagungszeitraumübergreifend vergütet werden, wie im Streitfall, mehr als zwölf Monate, ist danach die Tarifermäßigung nach § 34 Abs. 2 Nr. 4 Halbs. 2 EStG zu gewähren, wenn – wie vorliegend – wirtschaftlich vernünftige Gründe – hier die Abgeltung der Überstunden wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses – für eine solche Zusammenballung vorliegen.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 2.12.2021 – VI R 23/19

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