
Das Bundesministerium der Finanzen (BMF) hat schon im April einen Gesetzentwurf veröffentlicht, der Kassenmanipulationen verhindern soll. Im Juli wurde dieser von der Bundesregierung geringfügig geändert. Wie können Kassensysteme manipuliert werden? Welche Maßnahmen will die Regierung ergreifen, um dies zu verhindern und ab wann könnten die neuen Regelungen gelten? Wir geben einen Überblick.
Der Vollzug der Steuern ist in Deutschland bislang effektiv und effizient. Jedoch können auf Grund der bestehenden technischen Möglichkeiten Kassensystem manipuliert werden. Durch die fortschreitende Technisierung ist es möglich, dass digitale Grundaufzeichnungen in elektronischen Registrierkassen unerkannt gelöscht oder geändert werden.
Umsätze können nachträglich geändert werden
Teilweise war es möglich folgende steuerrelevante Geschäftsvorfälle nachträglich, d. h. nach Dateneingabe zu verändern
- Stornierungen,
- Änderungen mittels elektronischer Programme oder
- der Einsatz von Manipulationssoftware (z. B. Phantomware, Zapper).
Programme erleichtern die Steuerhinterziehung
Durch spezielle Software sind umfassende Datenveränderungen und -löschungen möglich. Die Programme können Bedienereingaben unterdrücken, Umsatzkategorien löschen, Datenbanken inhaltlich ersetzen, Geschäftsvorfälle erfassen, die nicht stattgefunden haben oder auch hochpreisige durch preiswertere Waren ersetzen.
Die Manipulationssoftware
- kann sich „versteckt“ auf dem Kassensystem selbst, als Phantomware,
- auf einem USB-Stick befinden oder
- sie wird über das Internet verwendet (Zapper).
Manipulationen sind nicht erkennbar
Der Einsatz von z. B. Phantomware oder Zappern ist bei konsequent doppelter Verkürzung (der Einnahmen und des dazugehörigen Wareneinkaufs) und nachträglich geänderten Grundaufzeichnungen ohne Protokollierung für Außenprüfer kaum erkennbar.
Neue Kassen sind transparenter
Bislang bestehen keine gesetzlichen Vorgaben für digitale Grundaufzeichnungen. Mit der gesetzlichen Neuregelung sollen Manipulationen an digitalen Grundaufzeichnungen erschwert, dem Finanzamt neue Möglichkeiten der Prüfung eröffnet und eine gesetzmäßige Festsetzung und Erhebung der Steuern langfristig gewährleistet werden.
Die Sicherstellung der Unveränderbarkeit der digitalen Grundaufzeichnungen erfordert die Einführung gesetzlicher Regelungen sowie technischer Maßnahmen. Das Gesetz schreibt kein bestimmtes Verfahren zur Verhinderung von Manipulationen an digitalen Grundaufzeichnungen vor. Angestrebt wird ein technologieoffenes technisches Verfahren.
1. Maßnahme: Technische Sicherheitseinrichtungen werden Pflicht
Die bisherigen Erfahrungen in Außenprüfungen zeigen, dass die derzeitigen Regelungen nicht ausreichen um Manipulationen bei digitalen Grundaufzeichnungen und Kassendaten nach ihrer Eingabe erkennen zu können. Daher sind künftig elektronische Aufzeichnungssysteme durch eine zertifizierte technische Sicherheitseinrichtung zu schützen, die aus
- einem Sicherheitsmodul,
- einem Speichermedium und
- einer digitalen Schnittstelle
bestehen muss.
Elektronische Grundaufzeichnungen sind künftig
- einzeln,
- vollständig,
- richtig,
- zeitgerecht,
- geordnet und
- unveränderbar aufzuzeichnen (Einzelaufzeichnungspflicht).
Alle Daten müssen auf einem Speichermedium gesichert und verfügbar gehalten werden. Hierdurch soll es möglich werden, dass künftig bei digitalen Grundaufzeichnungen die direkte Nachprüfung der einzelnen Geschäftsvorfälle erfolgen kann.
Eine direkte Nachprüfung der einzelnen Geschäftsvorfälle soll
- progressiv (fortschreitend) - beginnend beim Geschäftsvorfall über die Verbuchung bis hin zum Jahresabschluss und zur Steuererklärung
- retrograd (zurückschreitend) – beginnend bei der Steuererklärung über den Jahresabschluss über den Aktivposten „Kasse“ zum Geschäftsvorfall
ermöglicht werden.
Nicht alle Systeme werden zugelassen
Das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik soll die technischen Anforderungen an die technische Sicherheitseinrichtung bestimmen und zertifizieren (§ 146a Abs. 2 AO).
Verordnung gibt demnächst Vorgaben über Umfang und Speicherung der Daten vor
In einer Verordnung wird zudem präzisiert, welche elektronischen Aufzeichnungssysteme durch eine zertifizierte technische Sicherheitseinrichtung zu schützen sind und wie eine Protokollierung der elektronischen Aufzeichnungen sowie deren Speicherung erfolgen muss.
2. Maßnahme: Eine Kassen-Nachschau wird eingeführt
Ergänzend zu den bereits vorhandenen Außenprüfungen soll eine Kassen-Nachschau gesetzlich eingeführt werden. Durch eine unangekündigte Kassen-Nachschau während der üblichen Geschäftszeiten können Prüfer Grundstücke und Räume von Personen betreten, die eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit ausüben, um vor Ort die Ordnungsmäßigkeit der Kassenaufzeichnungen sowie der Kassenbuchführung prüfen.
Nur Geschäftsräume dürfen betreten werden
Die Grundstücke oder Räume müssen nicht im Eigentum der gewerblich oder beruflich Tätigen stehen. Bei den Grundstücken und Räumen muss es sich grundsätzlich um Geschäftsräume des Unternehmers handeln. Wohnräume dürfen gegen den Willen des Inhabers nur zur Verhütung dringender Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung betreten werden.
Eine Kassen-Nachschau erhöht das Entdeckungsrisiko
Die Kassen-Nachschau ist ein eigenständiges Verfahren zur zeitnahen Aufklärung steuerlicher Sachverhalte – wie die Lohnsteuer-Nachschau. Unter Anderem wird so die ordnungsgemäße Erfassung von Geschäftsvorfällen mittels elektronischer Aufzeichnungssysteme oder offener Ladenkassen kontrolliert.
Es sollen sowohl computergestützte Kassensysteme, Registrierkassen und offene Ladenkassen überprüft werden können. Der Kassen-Nachschau beinhaltet auch die Prüfung des ordnungsgemäßen Einsatzes des elektronischen Aufzeichnungssystems (§ 146a Absatz 1 AO). Nur durch eine unangekündigte Kassen-Nachschau besteht für den Unternehmer ein deutlich erhöhtes Entdeckungsrisiko.
Die Kassen-Nachschau ist keine Außenprüfung – kann aber zu einer werden
Die Kassen-Nachschau ist keine Außenprüfung im Sinne des § 193 AO. Achtung! Kommt es zu Beanstandungen der Kassenaufzeichnungen, -buchungen oder der technischen Sicherheitseinrichtung, kann der Prüfer ohne vorherige Prüfungsanordnung zur Außenprüfung übergehen (§ 146b Absatz 3 AO). Hierauf muss er den Unternehmer schriftlich hinzuweisen.
3. Maßnahme: Bei Verstößen drohen Strafen!
Der Steuergefährdungstatbestand des § 379 Absatz 1 AO wird ergänzt. Dies ist notwendig, um die neuen gesetzlichen Verpflichtungen des § 146a AO bei Verstößen zu sanktionieren. Bei Ordnungswidrigkeiten kann eine Geldbuße bis zu 25 000 Euro verhängt werden.
Die neuen Steuergefährdungstatbestände sollen eingreifen, wenn
- ein technisches System eingesetzt wird, das nicht den gesetzlichen Anforderungen entspricht (§ 146a Absatz 1 AO)
- eine zertifizierte technische Sicherheitseinrichtung in elektronischen Aufzeichnungssystemen fehlt oder nicht richtig verwendet wird.
Auch der Vertrieb von Systemen und Software wird zur Rechenschaft gezogen
Eine Geldbuße droht auch den Unternehmern,
- die elektronische Aufzeichnungssysteme,
- technische Sicherheitseinrichtungen oder
- sonstige Software
in den Verkehr bringen oder bewerben, wenn dadurch nicht jeder einzelne Geschäftsvorfall vollständig, richtig, zeitgerecht und geordnet erfasst wird.
Das gilt auch für so genannte Manipulationssoftware, die die Möglichkeit eröffnet, nachtäglich nicht erkennbare steuerrelevante Daten zu verändern, löschen oder zu unterdrücken.
Bestehende Kassensysteme müssen vorerst nicht erneuert werden
Eine Verpflichtung das bestehende Kassensystem in ein elektronisches Aufzeichnungssystem umzustellen (z. B. Registrierkassenpflicht) besteht erst ab 2023.
Vorhandene Kassensysteme dürfen noch bis 2022 verwendet werden
Sollte ein Unternehmer eine Registrierkasse nach dem 25.11.2010 und vor dem 1.1.2020 anschaffen, die zwar den Anforderungen des BMF-Schreibens vom 26.11.2010 (IV A 4 – S 0316/08/10004-07) genügt, jedoch nicht den neuen gesetzlichen Anforderungen ab 2020, darf diese Registrierkasse längstens bis zum 31.12.2022 weiter verwenden.
Diese Ausnahme besteht nur, sofern es nicht möglich ist, diese Registrierkasse mit einer technischen Sicherheitseinrichtung aufzurüsten.
Sollte eine Aufrüstung mit einer technischen Sicherheitseinrichtung hingegen bauartbedingt möglich sein, gilt die Übergangsfrist nicht. Diese Kasse muss zum 1.1.2020 umgerüstet werden. Durch diese Regelung hat der Gesetzgeber eine Investitionssicherheit geschaffen.
Mit der Umstellung kommen höhere Kosten auf den Unternehmer zu
Für die betroffenen Unternehmer entstehen Kosten in Höhe von
- insgesamt rd. 470 Mio. Euro für die Neuanschaffung und Umstellung der Geräte und
- jährlich rd. 106 Mio. Euro für den Aufwand der Zertifizierung, Personalkosten für die Mitwirkung bei der Kassennachschau sowie laufende Kosten für Wartung und Support.
Alte Kassensysteme dürfen nicht mehr verkauft werden
Das Gesetz enthält zu dem für die Industrie ein Verbot,
- elektronische Aufzeichnungssysteme,
- Software für elektronische Aufzeichnungssysteme und
- technische Sicherheitseinrichtungen
gewerbsmäßig zu bewerben oder zu verkaufen, die den o. g. Anforderungen nicht entsprechen.
Gesetz gegen Kassenmanipulationen: Wann gilt es?
Das Gesetz soll am Tag nach der Verkündung in Kraft treten. Ob die Maßnahmen auch nach Abschluss des parlamentarischen Gesetzgebungsverfahrens 1 : 1 umgesetzt werden, bleibt abzuwarten!
Ab wann gelten die Neuregelungen?
Die Entwicklung der technischen Sicherheitseinrichtung für elektronische Aufzeichnungssysteme wird eine gewisse Zeit in Anspruch nehmen. Zudem muss nach Abschluss dieser Entwicklungsarbeit das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik feststellen, ob die jeweilige technische Sicherheitseinrichtung den gesetzlichen Anforderungen entspricht und damit eine Zertifizierung erhält.
Auf Grund dessen sind die Neuregelungen in
- § 146a, Nutzung besonderer elektronischer Aufzeichnungssysteme
- § 146b Kassen-Nachschau und
- § 379 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 4 AO Sanktionen
erstmals für Wirtschaftsjahre anzuwenden, die nach dem 31. Dezember 2019 beginnen (§ 30 Änderung des Einführungsgesetzes zur Abgabenordnung - EGAO).
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