Tz. 174

Stand: EL 42 – ET: 11/2020

Mit Blick auf den zunehmenden Ausstoß von Treibhausgasen und der damit ­verbundenen Erderwärmung ist es erklärtes Ziel der Politik (ua. der Mitgliedstaaten der EU), diese Form der Umweltverschmutzung zu reduzieren. Erreicht werden soll eine Reduktion von Treibhausgasen regelmäßig anreizbasiert durch sog. Cap-and-trade-Systeme unter Einsatz von handelbaren Emissionsrechten (vgl. mwN Baumüller, PiR 2019, S. 68f.; Lüdenbach/Hoffmann/Freiberg, Haufe IFRS-Kommentar, 18. Aufl., § 13, Tz. 46). Obgleich es verschiedene Ansätze in der konkreten Gestaltung dieser Systeme gibt, besteht die Grundidee darin, dass den Emittenten von Treibhausgasen für einen gewissen Zeitraum (sog. compliance period) implizit ein Emissionsziel vorgegeben wird, indem die Anzahl der zur Verfügung stehenden Emissionsrechte innerhalb des Emissionshandelssystems begrenzt wird (cap). Teilnehmer des Emissionshandelssystems erhalten die Emissionsrechte zT kostenlos von der öffentlichen Hand und/oder erwerben diese entgeltlich (bspw. über Auktionen). Die kostenlos ausgegebenen sowie die entgeltlich erworbenen Emissionsrechte können an einem Markt gehandelt werden (trade), sodass die berichterstattenden Unternehmen zusätzlich benötigte Emissionsrechte hinzukaufen oder nicht benötigte Emissionsrechte verkaufen können (zu den typischen Merkmalen von Cap-and-trade-Systemen vgl. EY, International GAAP 2020, S. 1302; Lüdenbach/Hoffmann/Freiberg, Haufe IFRS-Kommentar, 18. Aufl., § 13, Tz. 46).

Mit dem entgeltlichen Erwerb bzw. der unentgeltlichen Zuteilung von Emissionsrechten, der Rückgabeverpflichtung von Emissionsrechten in Höhe des tatsächlichen Treibhausausstoßes im Anschluss an die compliance period sowie potenziellen Sanktionszahlungen bei einer mengenmäßig unzureichenden Rückgabe von Emissionsrechten sind auch zwangsläufig verschiedene Fragestellungen der Bilanzierung verbunden (vgl. statt vieler Baumüller, PiR 2019, S. 69; zur Anschaffung im Rahmen eines Unternehmenszusammenschlusses vgl. EY, International GAAP 2020, S. 1307f.). Auch das IFRS IC und der IASB haben sich in der Vergangenheit bereits mit der Bilanzierung von Emissionsrechten beschäftigt und im Dezember 2004 den IFRIC 3 (Emissions Rights) herausgegeben. Angesichts von erheblichen Widerständen, insbesondere der EFRAG (zu den Gründen vgl. EY, International GAAP 2020, S. 1303), wurde der IFRIC 3 jedoch bereits im Juli 2005 wieder zurückgezogen. Seitdem wurde das Thema verschiedentlich andiskutiert (vgl. für einen Überblick Baumüller, PiR 2019, S. 70f.), explizite Regelungen zur Bilanzierung von Emissionsrechten bestehen gleichwohl im Normengefüge der IFRS (immer noch) nicht (vgl. IFRS-Komm., Teil B, IAS 20, Tz. 85).

Mit Blick auf die vorliegende Kommentierung liegt der Fokus der folgenden Betrachtung darauf, ob entgeltlich erworbene bzw. kostenlos zugeteilte Emissionsrechte vom Anwendungsbereich des IAS 38 erfasst werden. Insofern wird von den Fragestellungen abstrahiert, ob, zu welchem Zeitpunkt und in welcher Höhe eine Rückstellung für die Abgabeverpflichtung sowie ggf. eine passivische Abgrenzung erforderlich ist (vgl. hierzu auch Baumüller, PiR 2019, S. 71–75; EY, International GAAP 2020, S. 1302–1307; Lüdenbach/Hoffmann/Freiberg, Haufe IFRS-Kommentar, 18. Aufl., § 13, Tz. 48f.). Bezug wird hier primär auf das europäische Emissionshandelssystem genommen.

 

Tz. 175

Stand: EL 42 – ET: 11/2020

Zunächst stellt sich die Frage, ob Emissionsrechte immaterielle Vermögenswerte iSv. IAS 38.8 sind. Dass Emissionsrechte die Vermögenswerteigenschaften erfüllen, wird vom IASB und dem überwiegenden Teil der Literatur angenommen (vgl. Baumüller, PiR 2019, S. 71; vgl. zT kritisch in Bezug auf diese pauschale Annahme Lüdenbach/Hoffmann/Freiberg, Haufe IFRS-Kommentar, 18. Aufl., § 13, Tz. 46). In Hinblick auf die weiteren Kriterien ist bei Emissionsrechten zum einen festzustellen, dass es sich bei diesen um von der öffentlichen Hand ausgegebene Rechte handelt, die mithin unter die vertraglichen respektive sonstigen Rechte fallen (vgl. ADS Int, Abschnitt 8, Tz. 62). Zum anderen können Emissionsrechte bspw. separat vom berichterstattenden Unternehmen verkauft werden, sodass das Kriterium der Identifizierbarkeit erfüllt ist. Zudem handelt es sich bei Emissionsrechten unzweifelhaft um rein digitale Güter, also um Vermögenswerte ohne physische Substanz. In Bezug auf die Voraussetzung, dass es sich um ein nicht monetäres Gut handeln muss, damit eine Anwendung des IAS 38 in Betracht kommt, ist zunächst festzuhalten, dass Emissionsrechte durchaus als eine Form des Tauschmittels charakterisiert werden können (vgl. ähnlich ADS Int, Abschnitt 8, Tz. 218). Denn für die verursachten Treibhausgase muss das berichterstattende Unternehmen in entsprechender Anzahl Emissionsrechte abgeben. Sofern dies unterbleibt oder die zur Verfügung stehenden Emissionsrechte nicht ausreichen, sind Strafzahlungen zu leisten und die fehlenden Emissionsrechte nachzureichen. Werden die Emissionsrechte nicht fr...

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